Commerzbank: Wirtschaft im Euroraum wächst schwächer als erwartet
Im ersten Quartal stieg das reale BIP im Euroraum nur um 0,2% ggü. dem Schlussquartal 2013 (nach 0,2% Q/Q in Q4 2013). Damit startete die Wirtschaft im Euroraum deutlich schwächer als erwartet (0,4% Q/Q). Dabei war das Wachstum innerhalb des Euroraums abermals sehr ungleich verteilt. Wachstumsmotor bleibt Deutschland, das mit einem sehr hohen BIP-Wachstum von 0,8% Q/Q positiv hervorstach und die Erwartungen von +0,7% Q/Q übertraf. Begünstigt wurde die deutsche Wirtschaft durch die niedrigen Zinsen und die milde Witterung, die der Bauwirtschaft zugute kam. Das hohe Wachstumstempo dürfte sich so nicht fortsetzen. Nach der wegen der milden Witterung stärker als üblich ausgefallenen Aufschwung dürfte sich die Bauwirtschaft wieder abkühlen. Das Wachstum in Deutschland wurde wohl ausschließlich von der Binnenkonjunktur gespeist, die Außenwirtschaft hat dagegen etwas Wachstum gekostet; die Details werden nächste Woche gemeldet.
Im Gegensatz zu den erfreulichen Daten aus Deutschland enttäuschte das Wachstum in Frankreich und Italien, der zweit- und drittgrößten Volkswirtschaft im Euroraum. In Frankreich stagnierte das reale BIP entgegen der Erwartung eines leichten Anstiegs und in Italien ging es sogar zurück. Damit verlieren beide Länder den Anschluss an die EWU-Peripherie, die inzwischen bessere Zahlen ausweisen kann. So legte in Spanien das BIP um 0,4% Q/Q zu. Auch im Frühjahr dürfte die Konjunktur im Euroraum nicht stärker wachsen, da durch die günstige Witterung ein Teil der Aufträge in der Bauwirtschaft bereits abgearbeitet wurde. Zudem weist der Einkaufsmanagerindex für die Weltwirtschaft außerhalb des Euroraums auf eine Abschwächung hin. So wird es wahrscheinlicher, dass die EZB im Juni reagieren wird. Sie hat bereits angedeutet, etwaige Zinssenkungen mit anderen Maßnahmen zu flankieren. Der Euro gab nach den Zahlen gestern auf 1,3650 USD nach.
Zinsen und Anleihen
Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts betrug im ersten Quartal für den Euroraum nur 0,2% ggü. dem Vorquartal – statt erwartet 0,4%. Obwohl die Daten zurückschauen und daher kein guter Frühindikator für die künftige konjunkturelle Entwicklung sind, sorgten sie gestern doch für einen deutlichen Anstieg der Risikoaversion. Vor allem die Niederlande, Frankreich, Italien und Portugal kämpfen mit einer enttäuschenden Konjunkturentwicklung. Als Folge stiegen im Tagesverlauf die Risikoaufschläge von Anleihen aus den Peripherieländern deutlich an. Doch auch die Frühindikatoren für das zweite Quartal lassen Wünsche offen. Angesichts der schwachen Auslastung überrascht es nicht, dass im Euroraum auch kein Preisdruck auf-kommt. Vor diesem Hintergrund wird es immer wahrscheinlicher, dass die EZB im Juni weitere Maßnahmen ergreifen wird. Die Zinssenkungserwartungen gaben dann auch gestern den Bundesanleihen einen kräftigen Kursschub. Deutschland steht klar besser da als seine Nachbarn: Mit 0,8% war das BIP-Wachstum so kräftig wie seit Anfang 2011 nicht mehr. Dies ist ein sehr positives Signal. Ein Teil des Produktionsanstiegs ist zwar auf den milden Winter zurückzuführen, doch auch wenn man diesen Effekt aus den Daten herausrechnet bleibt ein Zuwachs von etwa 0,5%. Vor allem die Investitionsnachfrage aber auch der private Konsum tragen derzeit zur Belebung der Nachfrage bei. Die US-Daten lieferten ein gemischtes Bild: Während die Erstanträge auf Arbeitslosengeld, der Empire State Index und die Preisentwicklung auf ein beschleunigtes Wachstum im zweiten Quartal hindeuten, enttäuschten dagegen – nach zwei Monaten mir starken Zuwächsen – die Daten zur Industrieproduktion.
Aktien
Die europäischen Aktienmärkte tendierten am gestrigen Handelstag mehrheitlich schwächer. Der italienische Leitindex setzte seine jüngste Verlustserie fort und büßte als Tagesverlierer rd. 3,6% ein. Für verstärkten Abgabedruck sorgten insbesondere das schwache BIP, welches in Q1 entgegen den Erwartungen (+0,2%) um 0,1% ggü. dem Vorquartal schrumpfte. Demgegenüber zeigte sich die deutsche Konjunktur in Q1 von der Sonnenseite (BIP: +0,8% Q/Q). Das reichte aber per saldo nicht, um das zwischenzeitlich erzielte neue Dax-Rekordhoch von 9.810 Punkten zu verteidigen (Dax: -1%). Mit Eröffnung der US-Börsen gerieten die europäischen Aktienmärkte trotz forcierter Erwartungen einer baldigen geldpolitischen Lockerung durch die EZB infolge sinkender Inflationserwartungen verstärkt unter Druck. Tagesgewinner im Dax war die Aktie der Deutschen Telekom mit einem Aufschlag von 2%. Die Notierung der Deutschen Post verlor nach Vorlage des Quartalsausweises rd. 5,2%. Wie schon bei einigen anderen Unternehmen belasteten auch hier u.a. negative Wechselkurseffekte. Auf europäischer Sektorebene erzielte der Bereich Nahrungsmittel & Getränke als Tagesgewinner durchschnittliche Zuwächse von 0,6%. Aktien aus dem Sektor Reise & Freizeit wiesen dagegen als Tagesverlierer durchschnittliche Abschläge von 2,6% auf. Die US-Börsen tendierten trotz relativ guter Konjunkturdaten schwächer. Der Dow Jones-Index verlor 1%. Die Talfahrt bei den Nebenwerten setzte sich fort. Auf Sektorebene waren v.a. Telekomwerte gefragt (+0,2%). Rohstofftitel büßten als Tagesverlierer im Schnitt 1,5% ein. Die Börsen in Asien tendierten überwiegend schwächer. Die Börse in Indien legte im Nachmittagshandel um mehr als 3% zu. Verantwortlich hierfür zeichnen erste Ergebnisse der Stimmenauszählung der Parlamentswahlen. Neuer Premier wird voraussichtlich Hindu-Nationalist Modi.