Commerzbank: Niedrige Kapazitätsauslastung spricht für lange Phase ultratiefer Leitzinsen
Die EZB hat bei ihrer gestrigen Ratssitzung keine neuen geldpolitischen Entscheidungen getroffen. Doch herrsche im Rat Einstimmigkeit, auch unkonventionelle Instrumente im Rahmen des Mandats zu nutzen, um wirksam den Risiken einer zu langen Phase niedriger Inflation zu begegnen, erläuterte der EZB-Chef. Dass es zu einer abermaligen Leitzinssenkung oder gar zu einer gestern ebenfalls diskutierten quantitativen Lockerung kommt, ist unwahrscheinlich, da jetzt wohl – wovon auch die EZB ausgeht – das Inflationstief erreicht ist. Sicher scheint indes: Die Leitzinsen werden noch sehr lange niedrig bleiben, da die schwach ausgelasteten Kapazitäten den Preisauftrieb deutlich unter der Toleranz-schwelle der EZB von 2% halten werden.
Zinsen und Anleihen
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern ihren Kurs zwar nicht geändert, aber Mario Draghi hat deutlicher als bislang vor den Gefahren gewarnt, die entstehen, wenn die Inflation für längere Zeit unerwünscht niedrig ist. Damit hat er die Hürde für künftige unkonventionelle Maßnahmen gesenkt. Bei der Betrachtung der Inflationsrate ist jedoch zu beachten, dass Sondereffekte diese im Februar auf nur noch 0,5% gedrückt haben. Ein rascher Wiederanstieg Richtung 0,8% wird nicht nur von der EZB erwartet. Sollte dies aber nicht eintreten, dann dürfte die EZB schon bald handeln. An den Finanzmärkten führten die Äußerungen des EZB-Präsidenten zu sinkenden Renditen und einer leichten Schwäche des Euro gegenüber dem US-Dollar. Im Licht der EZB-Entscheidung fanden die ohnehin eher zweitrangigen Konjunkturdaten gestern an den Märkten wenig Widerhall: In den USA erholte sich auch der ISM-Index für den Dienstleistungssektor von seiner winterbedingten Schwäche. Die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung stiegen im Vergleich zur Vorwoche zwar leicht an, der Vier-Wochen-Durchschnitt liegt aber so niedrig wie seit dem letzten September nicht mehr. Volkswirte erwarten im Durchschnitt für März einen Zuwachs von 200.000 Stellen. Angesichts der niedrigen Erstanträge könnte der Arbeitsmarktbericht heute sogar etwas besser ausfallen. Derzeit lassen sich kaum akute Beweggründe ausmachen, die die US-Notenbank von ihrem angekündigten Kurs abbringen könnten. Die EZB und die Fed haben aus gutem Grund ungleiche Positionen: Gemessen an der Arbeitslosenquote hat die konjunkturelle Erholung in den USA einen Vorsprung von mindestens vier Jahren. Die Schere zwischen den Renditen in den USA und im Euroraum dürfte sich daher weiter öffnen.
Aktien
Die europäischen Aktienmärkte tendierten bei unterdurchschnittlichen Umsätzen gestern seitwärts. Die Entscheidung der EZB, die Zinsen unverändert zu lassen, wurde anfänglich mit leichten Verlusten quittiert. Im Verlauf der Pressekonferenz sorgten Äußerungen von EZB-Chef Draghi, auch unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen nicht auszuschließen, für neuerliche Kursgewinne, die nicht bis zum Handelsschluss gehalten werden konnten. Von den US-Makrodaten kam keine Unterstützung, so dass Analystenkommentare (Deutsche Bank -1,1% nach Herabstufung) und Unternehmensmeldungen (Fresenius Medical Care +3,4%, positive Umsatzprognose) auf der Einzelwertebene für die stärksten Bewegungen sorgten. Die US-Märkte zeigten gestern einen uneinheitlichen Verlauf. Sie starteten mit Kursgewinnen (neues Rekordhoch!), rutschten aber zwischenzeitlich aufgrund eher enttäuschend ausgefallener Konjunkturdaten deutlich ins Minus, um sich dann zum Handelsschluss wieder zu erholen. So schlossen die Indizes letztendlich so gut wie unverändert. Lediglich der Nasdaq Comp. (-0,9%) gab stärker nach. Hier sorgten nach einer dreitägigen Rally Gewinnmitnahmen bei Biotechnologietiteln und bei Internetwerten wie Facebook (-5%, Abwärtstrend damit wieder aufgenommen) und Twitter (-3,7%) für den Kursrückgang. Die asiatischen Märkte notieren heute Morgen bei unterdurchschnittlichen Umsätzen uneinheitlich. Während die chinesischen Indizes noch von den (Mini-)Stimulusplänen der Regierung profitieren, geht es an den übrigen Märkten leicht abwärts. Eine Schwäche der zuvor stark geliebten Internetaktien zeigt sich auch in Hong Kong, wo Asiens größte gelistete Internetfirma Tencent (-4,5%) in den vergangenen vier Wochen rund. 17% an Wert verloren hat.