Commerzbank Börsencompass: EZB wartet ab - Leitzinssenkung im März nicht vom Tisch
Wie weithin erwartet, traf die EZB gestern keine neuen geldpolitischen Entscheidungen. Doch deutete der EZB-Chef auch nicht mit der Deutlichkeit, die manche anscheinend erhofft hatten, die nächsten Schritte an. Vielmehr unterstrich er, dass die Lage derzeit sehr komplex sei, da viele Faktoren in die Beurteilung einflössen und die EZB daher weitere Informationen abwarten wolle. Noch immer überwögen im Euroraum die Abwärtsrisiken, die Erholung sei fragil und ungleichmäßig. Relativ ausführlich erläuterte er die Deflationsthematik. Dabei machte er klar, dass der aktuell sehr geringe Preisauftrieb zu einem guten Teil auf die Entspannung bei Nahrungsmittel- und Energiepreisen zurückzuführen sei; dazu komme in den Peripherieländern Abwärtsdruck durch Reformen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit. Der geringe Preisauftrieb erhöhe zwar die reale Schuldenlast, entlaste er aber auch die Verbraucher. Einen Vergleich mit Japan, das in den 90-er Jahren in eine Deflation schlitterte, sieht der EZB-Chef weit hergeholt. Doch konzedierte er auch, dass eine für lange Zeit sehr niedrige Inflation im Euroraum Risiken eigener Art beinhalte, die man beobachten müsse. So wird es für die unter Anpassungsdruck stehenden Länder schwieriger, Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen, ohne das Preisniveau insgesamt abzusenken. Fazit: Die EZB hat sich alle Optionen offengehalten. Wenn im März ihre Projektionen zu Wachstum und Inflation vorliegen (der Inflationsausblick wird wohl merklich abgesenkt werden), dürfte sie dies zum Anlass für eine weitere Reduzierung des Reposatzes nehmen, um den latenten Deflationsrisiken vorzubeugen.
Konjunktur und Rentenmärkte
Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), sendete gestern keine klaren Signale in Richtung einer erneuten Lockerung der Geldpolitik. Dass die EZB schon gestern handeln würde, war ohnehin unwahrscheinlich. Eine Lockerung im März ist damit aber nicht vom Tisch: Denn im Rahmen ihrer nächsten Sitzung wird die Zentralbank u.a. neue Inflationsprojektionen vorlegen. Da der Preisauftrieb fast völlig abgeflaut ist, könnte sie die neuen Schätzungen zum Anlass nehmen, ihre Geldpolitik zu lockern. Zumal auch die Erholung im Euroraum nach Draghis Worten noch sehr „fragil“ sei (vgl. Topthema). Die Marktteilnehmer hatten sich klarere Lockerungssignale erhofft. In der Folge stiegen die Renditen von Bundesanleihen an und der Euro wertete gegenüber dem US-Dollar deutlich auf. Die Aktienkurse tendierten trotz der leichten Enttäuschung dennoch fester. Man darf dies auch als Vertrauen (der Aktienhändler) in die Politik der EZB werten: Einer glaubwürdigen Notenbank wird gemeinhin unterstellt, dass sie besonders gute Informationen über die konjunkturelle Lage hat. Entsprechend ist es als ein positives Signal zu werten, dass sie gestern gelassen auf die jüngsten Währungsturbulenzen reagiert hat. Aus Deutschland wurden am Vormittag von der Industrie Auftragseingänge gemeldet, die auf den ersten Blick leicht enttäuschten (-0,5% ggü. November). Der Rückgang war aber den schwankungsanfälligen Branchen geschuldet; der unter-liegende Trend ist bei den Bestellungen weiterhin klar aufwärts gerichtet.
Aktienmärkte
Die europäischen Aktienmärkte tendierten gestern sehr freundlich. Die Leitindizes gewannen um bis zu 2,3% (Italien). Die Entscheidung der EZB, den Leitzins unverändert zu belassen, sorgte nur kurzfristig für etwas Abgabedruck. Kursbeflügelnd wirkten neben einer Beruhigung an der Währungsfront der Schwellenländer vor allem solide Quartalszahlen. So überzeugten insbesondere die Geschäftszahlen und der zuversichtliche Ausblick von Daimler (+2,6%). Auch die Aktionäre von Sky Deutschland (+8,6%) konnten sich über optimistische Geschäftsprognosen freuen. Dagegen fiel die Notierung von Gea nach enttäuschenden Zahlen um 2,4%. In diesem Umfeld gewann der Dax 1,5%. Auf europäischer Sektorebene legten die Bereiche Bau (+2,4%) und Automobile (+2,2%) am stärksten zu. Pharmawerte gewannen dagegen als Tagesverlierer im Schnitt nur 0,2%. Die US-Börsen legten u.a. aufgrund guter Makrodaten und einiger robuster Quartalsergebnisse um 1,2% zu. Star des Tages war die Aktie von Disney, die nach Vorlage starker Quartalsergebnisse 5,3% gewann. Ein Kursdesaster erlebte dagegen Twitter; die Aktie verlor fast ein Viertel ihres Wertes, da die Geschäftszahlen die Börsianer nicht überzeugen konnten. Auf Sektorebene (S&P 500) verzeichneten Gebrauchsgüter (+2,1%) den zweiten Tag in Folge die größten Zugewinne. Telekomwerte legten dagegen im Schnitt nur um 0,1% zu. Die Börsen in Asien tendierten infolge der guten Vorgaben aus Übersee ebenfalls freundlich. Während der Nikkei 225 u.a. wegen eines schwächeren Yen um 2,2% zulegte, gewann der südkoreanische Leitindex KOSPI 0,8%. Die Börsen in China vermeldeten am ersten Handelstag nach der Feiertagspause ebenfalls Gewinne.