MS Industrie: Positiver Trend setzt sich fort

Umsatz und Ergebnis von MS Industrie sind im ersten Halbjahr deutlich angestiegen. Die Zahlen haben die Erwartungen von Beobachtern übertroffen. Im Gespräch mit Cosmin Filker, Analyst bei GBC, erläutert Andreas Aufschnaiter, Vorstand der MS Industrie, die jüngsten Zahlen. Er spricht über die Entwicklungen im Bereich der Nutzfahrzeugbranche und über die Zukunft von Elektro-LKWs. Lieferengpässe sind ebenso ein Thema von Vorstand Aufschnaiter wie ein wichtiger Vertrag mit Daimler Trucks. Aufschnaiter geht auf die Investitionsstrategie von MS Industrie ein und spricht über kommende Dividenden.
Nach den Zahlen haben die Analysten von GBC ihre Kaufempfehlung für die Aktien von MS Industrie bestätigt. Das Kursziel wurde von 2,90 Euro auf 3,40 Euro angehoben.
GBC AG: In den ersten sechs Monaten hat die MS Industrie AG mit einem Umsatzanstieg in Höhe von 29,6 Prozent auf 125,78 Millionen Euro und einer Verbesserung des EBITDA um 34,0 Prozent auf 13,44 Millionen Euro eine hervorragende Entwicklung gezeigt. Was waren die ausschlaggebenden Faktoren?
Aufschnaiter: Die Grundlagen für diese positive Entwicklung in beiden Geschäftssegmenten waren schon im 2. Halbjahr des Vorjahres gelegt worden. Im größeren Segment MS XTEC (vormals: „MS Powertrain“) wurde die Entwicklung einerseits durch eine robust steigende Nachfrage bei bestehenden Kunden und andererseits durch den Anstieg (sog. „ramp-up“) der neu akquirierten Serienaufträge, z.B. für die Traton-Gruppe oder Liebherr, getragen. Im Segment MS Ultrasonic legten die Auftragseingänge ab Mitte 2022 stark zu und führten zu entsprechend hohen Auftragsbeständen zum 31.12.2022.
GBC AG: Demnach war die operative Entwicklung der MS Industrie AG auch von der Erholung in der Nutzfahrzeugbranche geprägt. Was waren die hierfür ausschlaggebenden Faktoren, im Gegensatz zum weiterhin von Schwierigkeiten geprägten PKW-Sektor?
Aufschnaiter: Bereits seit Mitte 2019 – also schon vor der Corona-Pandemie – sind die LKW-Verkaufszahlen zurückgegangen. Nun kam es durch die niedrigeren Zulassungszahlen der Jahre 2020 und 2021 zu einer deutlichen Erhöhung des Durchschnittsalters der LKW-Flotten, zumal die Fahrleistungen sich relativ rasch nach der ersten Pandemiewelle wieder normalisiert hatten. Im Ergebnis verspüren sämtliche LKW-Hersteller gleichzeitig die Kombination aus Nachholbedarf und wachsender Nachfrage. Die Veröffentlichungen der Auftragsbestände und Lieferzeiten von z.B. Daimler Trucks, Traton und Paccar bestätigen diesen Ausblick auch für das Jahr 2023 eindrücklich. Der Megatrend beruht unverändert auf dem weltweit stetig zunehmenden Warentransport, welcher im Schnitt zu 80 Prozent auf der Straße stattfindet.
GBC AG: Was ist Ihre Meinung zur Entwicklung von Elektro-LKW und welche Auswirkungen hätte dies auf das Geschäft der MS Industrie AG?
Aufschnaiter: Zunächst müssen wir zwischen den – von uns belieferten – schweren LKW einerseits und den leichten und mittelgroßen Nutzfahrzeugen andererseits unterscheiden. Bei Letzteren wird sich unserer Einschätzung nach der Elektrifizierungstrend fortsetzen, z.B. im innerstädtischen Verteilerverkehr. Bei den schweren LKW wird es unseres Erachtens einen sehr kleinen Elektro-Anteil für gewisse Nischenanwendungen geben, der durch das Marktwachstum wieder kompensiert wird, so dass wir entsprechende Fertigungskapazitäten einplanen müssen.
Darüber hinaus beobachten wir beim schweren LKW aus technischer Sicht die Tendenz hin zu einer „Warmverbrennung“ von Wasserstoff mit Hilfe der klassischen Verbrennungsmotoren, da die Stromerzeugung mittels „Kaltverbrennung“ über eine Brennstoffzelle Schwierigkeiten mit Spitzenlasten hat. Zusätzlich ist die Lebensdauer einer Brennstoffzelle deutlich geringer.
Zusammengefasst und weltweit betrachtet erwarten wir noch sehr viele Jahre des Einsatzes bestehender und neu angelaufener Serienteile (Stichwort Scania/Traton-Motor). Dem LKW-Transformationsprozess ist unsere Powertrain-Sparte dahingehend voraus, dass wir bereits heute einen Umsatzanteil von 30 Prozent mit „Off-road“-Teilen erzielen. Dieser Trend wird sich strategiekonform in den nächsten Jahren fortsetzen.
GBC AG: Auch im Ultraschallsegment wurden in den ersten sechs Monaten 2022 deutliche Wachstumsraten erzielt. Was war für die Entwicklung im Untersegment Serienmaschinen und Systeme und Komponenten entscheidend?
Aufschnaiter: Bei dem Untersegment der Ultraschall-Serienmaschinen setzt sich der positive Trend des Vorjahres, indem sich der Umsatz ja verdoppelt hatte, fort. Es sind insbesondere die technisch sehr anspruchsvollen Anwendungen, bei denen wir mit unseren Technologien (Stichwort: Schweißprozess mittels Servo-Antrieb) punkten können. Im Bereich Systeme & Komponenten verspüren wir – neben regelmäßigen Aufträgen für die Verpackungsindustrie – ein gesteigertes Interesse für das Verarbeiten von Vlies-Materialien („Nonwovens“) seit der Leitmesse INDEX in Genf. In unserem Kompetenzzentrum am Standort Ettlingen bei Karlsruhe werden eine Vielzahl von Labortests mit konkreten Kundenanforderungen durchgeführt. Bei erfolgreichem Abschluss der zeitintensiven Versuche und Probeläufe ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Beauftragung für komplexe Ultraschall-Rotationsschweißsysteme und Walzen zu erwarten.
GBC AG: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage bei den Ultraschall-Sondermaschinen ein und wie ist die Situation im Hinblick auf Lieferengpässe?
Aufschnaiter: Die Marktnachfrage für Sondermaschinen hat sich nach den schwierigen Jahren der weltweiten PKW-Modellumstellungen (ca. Mitte 2019 bis Mitte 2022) wieder deutlich erholt. Dieser Anstieg führte auch bei uns zu stark gestiegenen Lieferzeiten von teilweise bis zu einem Jahr. Erschwerend wirkten sich gleichzeitig die Lieferkettenprobleme bei Zukaufteilen aus, was zu Verzögerungen bei der Fertigstellung vieler Maschinen führte. Im ersten Halbjahr 2023 hat sich diese Situation nun schrittweise entspannt und es kam zu hohen Auslieferungen speziell im Monat Juni. Wir rechnen ab dem 3. Quartal dieses Jahres mit einer Normalisierung des Sondermaschinengeschäfts – sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Belieferungsseite.
GBC AG: In 2022 ist die Inflationsrate auf den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung Deutschlands angestiegen. Was bedeutet dies für Sie, auch im Hinblick auf die Energiekosten?
Aufschnaiter: In beiden Geschäftssegmenten reichen wir die gestiegenen Kosten, insbesondere für Materialien und Energie, an unsere Kunden weiter. Dies gelingt in der Sparte MS XTEC aufgrund unserer Verträge und unserer Single-Source-Position auch recht gut und vor allem zeitnah. Im Ultraschall-Maschinenbau kann es zwischen Beauftragung und Auslieferung zu zeitlichen Verzögerungen bei der Weitergabe von Kostensteigerungen kommen. Dies war zwischen Ende 2021 und Mitte 2022, also nach dem Anspringen der Inflation und der Lieferengpässe infolge des Russland-Ukraine-Kriegs, der Fall. Mittlerweile sind diese Effekte in der Gewinn- und Verlustrechnung aber überstanden.
GBC AG: Der Großkunde Daimler hat mit der MS Industrie AG den Liefervertrag um zehn Jahre verlängert. Über diesen Zeitraum beträgt das Auftragsvolumen 1,3 Milliarden Euro. Können Sie dies für die Investoren näher einordnen?
Aufschnaiter: Die genannte Zahl reflektiert das addierte Vertragsvolumen aller Kunden der Sparte MS XTEC über die Formel: Erwartete Mengen x Preis x Vertragslaufzeit. Die Aufträge haben typischerweise eine Mindestlaufzeit von 3-5 Jahren. Die Verlängerung mit Daimler Trucks bis 2032 kam nun hinzu und hat die langfristige Auslastung und Visibilität unseres Geschäfts entsprechend deutlich erhöht.
GBC AG: Ihre Gesellschaft befindet sich am Ende eines mehrere Jahre andauernden Investitionszyklus. Womit stehen die Investitionen in Verbindung und welche Auswirkungen haben die Investitionen auf das MS-Geschäft bzw. auf die Rentabilität?
Aufschnaiter: Der Investitionszyklus der letzten Jahre betraf grundsätzlich beide Geschäftssegmente: Im Bereich MS XTEC aufgrund der auftragsbedingten Kapazitätserweiterung sowie der flexiblen Automatisierung insbesondere der Kleinteilefertigung; im Bereich MS Ultrasonic aufgrund des Umzugs in ein eigenes Gebäude in den USA, der Vervollständigung der maschinellen Ausstattung und des Aufbaus des Kompetenzzentrums in Ettlingen inkl. der dortigen Laboreinrichtungen. Während die Investitionsvorhaben im Bereich Ultraschall soweit abgeschlossen sind, wird sich der Abschluss der Automatisierung in der erweiterten Halle bei MS XTEC in Trossingen sowie die maschinelle Ausstattung des neu geplanten Standortes in North Carolina (USA) bis Ende 2023 / Anfang 2024 hinziehen. Als Ergebnis der Investitionszyklen rechnen wir einerseits mit Zusatzmargen aus neuen Geschäftsfeldern (MS Ultrasonic) und andererseits mit Steigerungen der operativen Rentabilität durch geringere Personalkosten, höhere Effizienz und verbesserte Qualitätskennzahlen (MS XTEC). Im Geschäftsjahr 2024 sollten sich demnach erste sichtbare Effekte aus all diesen nachhaltigen Maßnahmen zeigen.
GBC AG: Wo sehen Sie die MS Industrie in drei bis fünf Jahren?
Aufschnaiter: Die MS Industrie Gruppe wird mittelfristig organisch in Richtung 300 Millionen Euro Umsatz wachsen und die Profitabilität nach diversen Krisen, Umstrukturierungen und Neuproduktentwicklungen schrittweise und sichtbar steigern. Wir sind da auf einem sehr guten Weg, was unser erfreuliches Auftragsvolumen zeigt. Unser Ziel ist unverändert eine stetig dividendenzahlende Industriegruppe mit einer starken Marktposition in beiden Geschäftsbereichen.
Disclaimer: Der Text ist ein Beitrag der GBC AG. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!
Offenlegung möglicher Interessenskonflikte nach § 85 WpHG und Art. 20 MAR: Beim oben analysierten Unternehmen ist folgender möglicher Interessenkonflikt gegeben: (5a,7,11); Einen Katalog möglicher Interessenkonflikte finden Sie unter: GBC AG.