Hörmann Industries: „Extreme Nachholeffekte in der Nutzfahrzeugindustrie“
Zum vierten Mal bringt Hörmann Industries eine Anleihe an den Markt. Bis zum 30. Juni können Investoren die neue Anleihe noch zeichnen. Das Papier hat ein Maximalvolumen von 50 Millionen Euro bei einer fünfjährigen Laufzeit. Der genaue Zinssatz muss noch festgelegt werden, die Zinsspanne liegt bei 6,5 Prozent bis 7,5 Prozent.
Johann Schmid-Davis, CFO von Hörmann, erklärt im Interview mit unserer Redaktion, wie man das frische Geld nutzen will. Er sieht seine Gesellschaft als einen etablierten und verlässlichen Emittenten an, bei dem die finanzielle Stabilität das A und O ist. Schmid-Davis spricht über die Vorteile von Schengen und über die aktuelle Situation bei den Lieferketten. Mögliche Akquisitionen sind ebenso ein Thema im Gespräch mit dem Vorstand wie das Wachstumspotenzial von Hörmann. Die Auftragslage wertet der CFO als sehr gut, er blickt mit viel Zuversicht auf die weitere Geschäftsentwicklung.
4investors.de: Sie begeben inzwischen ihre vierte Anleihe. Kehrt da eine Art Routine bei Ihnen ein?
Schmid-Davis: Ich war tatsächlich 2013 bei unserer Debütanleihe schon dabei, damals noch in der Funktion als Head of Corporate Finance. Dennoch ist eine Anleiheemission auch nach zehn Jahren noch eine spannende Situation und man hofft, dass alles wie geplant funktioniert. Aber eine gewisse Routine stellt sich natürlich ein. Zudem haben wir die Emission mit unseren Partnern professionell vorbereitet und sind uns sicher, dass wir als etablierter und verlässlicher Emittent unsere Anlegerinnen und Anleger mit unserem Angebot überzeugen.
4investors.de: Sie wollen mit der neuen Anleihe vor allem eine im Juni 2024 auslaufende Anleihe refinanzieren. Ist das nicht etwas früh?
Schmid-Davis: Das denke ich nicht. Für meine Vorstandskollegen und insbesondere für mich als CFO ist die finanzielle Stabilität der Gruppe das A und O. Das sind wir insbesondere unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch allen anderen Stakeholdern von Hörmann schuldig. Seit 2013 hat sich die Anleihe als verlässliche Sockelfinanzierung bewährt. Das gilt nach wie vor, auch wenn wir unsere Finanzierung neben unseren Hausbanken durch einen Konsortialrahmenkredit sowie einen KfW-Unternehmerkredit weiter diversifiziert haben. Insofern ist für uns eine frühzeitige Refinanzierung und damit frühzeitige Sicherheit sehr wichtig. Wir würden nie die gesicherte Finanzierung der Gruppe riskieren, nur um möglicherweise ein paar Basispunkte beim Kupon zu sparen – zumal die weitere Zinsentwicklung auch alles andere als sicher ist. Die letzten Male, 2016 und 2019, haben wir sogar zwei Jahre vor dem Laufzeitende refinanziert.
4investors.de: Ihre Anleihe soll im Frankfurter Freiverkehr gelistet werden und zudem im Nordic ABM der Börse Oslo. Warum gehen Sie erneut auch nach Norwegen?
Schmid-Davis: Wir haben in den letzten vier Jahren gute Erfahrungen mit der Struktur eines Nordic Bonds gemacht – unser Partner Pareto war ja auch schon 2019 dabei. Dazu zählt auch die stärkere Regulierung, die uns beispielsweise eine vierteljährliche Berichterstattung auch in englischer Sprache vorschreibt. Diese Transparenz wollen wir auch zukünftig unseren Investoren bieten. Darüber hinaus ist für uns insbesondere positiv, dass wir eine breite Investorenbasis ansprechen können. Neben internationalen institutionellen Investoren – für die der Nordic Bond ein etabliertes Kapitalmarktinstrument ist – zählen dazu aber auch bewusst wieder Privatanleger in Deutschland.
4investors.de: Bei einem früheren Interview mit mir sagten Sie, dass innereuropäisch offene Grenzen für Hörmann Industries wichtig seien. Jetzt haben wir auf der einen Seite des Kontinents den Brexit gehabt, auf der anderen Seite des Kontinents tobt ein Krieg. Welche Folgen hat dies für Hörmann?
Schmid-Davis: Wir haben insbesondere im letzten Jahr die Auswirkungen des schrecklichen Krieges in Form von mehrwöchigen Stilllegungen der Produktionskapazitäten großer OEM- Kunden zu spüren bekommen. Abgesehen davon waren wir glücklicherweise nicht betroffen. Grundsätzlich ist aber klar, dass wir einen möglichst barrierefreien Handel innerhalb Europas unterstützen und bekennen uns nicht erst seit der Gründung unseres Produktionswerks in Bánovce in der Slowakei zu den Vorzügen des Schengenraums.
4investors.de: Spüren Sie noch Nachwirkungen der Pandemie? Inwiefern profitieren sie vom Nachholbedarf Ihrer Kunden nach der Pandemie?
Schmid-Davis: Die Auswirkungen der Pandemie haben wir schon im Jahr 2020 geschafft einzugrenzen, trotz Produktionsstillständen in unserem Automotive-Bereich. Im Geschäftsjahr 2021 haben wir dann sogar die beste Ertragsmarge in der Unternehmensgeschichte erwirtschaftet. Im laufenden Jahr 2023 sehen wir jetzt extreme Nachholeffekte in der Nutzfahrzeugindustrie mit entsprechend hohen Umsätzen in unserem Automotive-Bereich. Der Communication-Bereich – in den letzten drei Jahren dank staatlicher Konjunkturprogramme, u.a. in die Bahninfrastruktur, einer der Gewinner – hat sich wieder auf ein normales Geschäftsniveau eingependelt, aber mit immer noch sehr guten wirtschaftlichen Kennzahlen. Bei Intralogistics sind wir mit sehr hohen Auftragsbüchern in dieses Jahr gestartet, so dass wir auch hier ein starkes Wachstumsjahr sehen.
4investors.de: Sie sprachen zuletzt von stabilen Lieferketten. Setzt sich dies fort?
Schmid-Davis: Stand heute gehen wir davon aus, dass wir die Probleme, die sich bis in die zweite Jahreshälfte 2022 gezogen haben, hinter uns gelassen haben. So haben sich ab September 2022 die Abrufaufträge insbesondere im Lkw-Segment sprunghaft erhöht und auch im bisherigen Jahresverlauf haben sich die Prognosen der wichtigen Hauptkunden in der LKW-Produktion erfüllt.
4investors.de: Sie sind aktuell in vier Geschäftsbereiche (Automotive, Communication, Intralogistics und Engineering) aufgeteilt. Bleibt es bei dieser Konstruktion?
Schmid-Davis: Ja, gerade die vergangenen drei Jahre mit einem herausfordernden Marktumfeld haben deutlich gezeigt, dass unsere breite Diversifizierung mit unseren vier Geschäftsbereichen uns eine hohe Resilienz und Stabilität verleiht. Und die vergangenen Jahre haben wir gezielt genutzt, um neue Wachstumsfelder zu besetzen und unsere Ertragskraft weiter nachhaltig zu steigern. Damit verfügen wir derzeit über ein sehr stabiles Fundament, dass wir weiter ausbauen wollen. Wir verfolgen also weiterhin konsequent die Neuausrichtung der Hörmann Gruppe auf zukunftsfähige Geschäftsfelder, die ein hohes Wachstumspotenzial und eine gute Ertragskraft erwarten lassen.
4investors.de: Der Bereich Automotive trägt rund 60 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Soll es bei diesem „Ungleichgewicht“ bleiben?
Schmid-Davis: Unser Ziel ist es, mittelfristig einen inflationsbereinigten Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro und eine nachhaltige EBIT-Marge von 5 Prozent zu erreichen. Hierbei wollen wir mit unseren drei anderen Geschäftsbereichen Communication, Intralogistics und Engineering zusammen rund die Hälfte unseres Gesamtumsatzes erzielen.
4investors.de: Geplant ist der Ausbau der Bereiche Communication und Intralogistics. Wie soll dies geschehen?
Schmid-Davis: In diesen beiden Wachstumsbereichen sehen wir derzeit die größte Dynamik, angetrieben von den Megatrends Digitalisierung, Urbanisierung und Mobilität. Daher wollen wir speziell hier organisch und – wenn es Sinn macht – auch anorganisch wachsen.
4investors.de: Wo sind für Sie Akquisitionen derzeit besonders interessant?
Schmid-Davis: Im Bereich Communication haben wir uns erst kürzlich durch eine Akquisition in Polen über unsere Tochtergesellschaft Funkwerk AG verstärkt, mit der wir unsere internationale Stellung bei Mobilfunksystemen für den Zugverkehr weiter ausbauen. Auch im Bereich Intralogistics allokieren wir unsere Investitionen. Opportunistische Akquisitionen sind entsprechend immer ein Thema. Wichtig ist es daher für uns, unsere finanzielle Flexibilität zu bewahren, um dann auch schnell reagieren zu können, wenn sich eine Chance auftut.
4investors.de: Und wie viel Geld haben Sie für weitere Zukäufe in der Kriegskasse ?
Schmid-Davis: Mit einem Nettofinanzmittelbestand von rund 59 Millionen Euro und frei verfügbaren Kreditlinien von rund 41 Millionen Euro zum Bilanzstichtag 31. März 2023 verfügen wir über eine sehr solide Liquiditätslage. Aber auch hier gilt, dass wir alle Investitionen mit Bedacht tätigen und die Stabilität der Gruppe nicht aufs Spiel setzen werden.
4investors.de: Sie haben den Auftragsbestand im ersten Quartal um fast 94 Millionen Euro auf 555 Millionen Euro steigern können. Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Schmid-Davis: Unsere Auftragslage ist in allen vier Geschäftsbereichen sehr gut. Dabei halten unsere projektorientierten Geschäftsbereiche Communication, Intralogistics und Engineering einen Auftragsvorlauf von über einem Jahresumsatz vor. Und in unserem Automotive-Bereich sehen wir – wie bereits gesagt – extreme Nachholeffekte in der Nutzfahrzeugindustrie. Hier nehmen wir von den bestehenden mehrjährigen Rahmenverträgen nur die avisierten Abrufaufträge von durchschnittlich zehn Wochen in den Bestand auf. Wir sind entsprechend recht zuversichtlich für unsere weitere Geschäftsentwicklung.
4investors.de: Welche großen Investitionen stehen 2023 bei Hörmann an?
Schmid-Davis: Eine wichtige Investition in diesem Jahr war der bereits angesprochene Zukauf der Funkwerk AG in Polen für unseren Geschäftsbereich Communication. Zudem haben wir für Funkwerk ein neues Fabrik- und Verwaltungsgebäude in Kölleda gebaut, von dem speziell die Bereiche Zugfunk und Informationssysteme profitieren werden. Im Bereich Automotive liegt der Fokus der Investitionstätigkeit auf ersatz- unf autragsbezogene Investitionen in den Maschinenpark mit dem Ziel der weiteren Erhöhung des Automatisierungsgrades. Und dann haben wir ja bereits darüber gesprochen, dass für uns auch anorganisches Wachstum Sinn machen kann. Schauen wir mal, ob sich im laufenden Jahr noch eine Opportunität in den Bereichen Communication oder Intralogistics ergibt.
4investors.de: Bei unserem Gespräch vor vier Jahren standen sie einem künftigen Börsengang grundsätzlich positiv gegenüber. Eine Erstnotiz hat es seitdem aber nicht gegeben. Bleibt es dennoch beim IPO-Interesse?
Schmid-Davis: Wir sind seit 68 Jahren als traditionsreiches Familienunternehmen am Markt und aktuell sehr solide finanziert. Neben der derzeitigen Emission unserer vierten Unternehmensanleihe haben wir daher aktuell keine Pläne für einen Börsengang. Wir haben aber sowohl mit unserer börsennotierten Tochter Funkwerk AG als auch mit unseren bisherigen drei Anleiheemissionen in den vergangenen zehn Jahren sehr positive Erfahrungen am Kapitalmarkt gesammelt und uns als verlässlicher sowie anerkannter Kapitalmarktteilnehmer etabliert. Daher schließen wir ein mögliches IPO für die Zukunft auch nicht kategorisch aus: Man sollte niemals nie sagen.