Stemmer Imaging: „Wir wollen 2022 erneut zweistellig wachsen“
Mit einem EBITDA von 17,4 Millionen Euro hat Stemmer Imaging nach vorläufigen Zahlen das Vorkrisenniveau 2019 deutlich übertroffen. Einer der Erfolgsfaktoren ist die starke Positionierung im Bereich Artificial Vision: „Wir freuen uns, dass sich unsere frühe Positionierung im nicht-industriellen Anwendungsbereich als führender Anbieter der Bildverarbeitung als so erfolgreich herausstellt. Bildgestützte Entertainment-Anwendungen skalieren viel stärker als klassische Industrieanwendungen“, erläutert Stemmer-Imaging-CEO Arne Dehn im Gespräch mit der Redaktion von www.4investors.de. Im Hinblick auf die Mittelfristziele sieht sich der Konzernlenker für 2022 „absolut im Plan“, wobei „auch M&A weiterhin in unserem Fokus bleibt“. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Thema Nachhaltigkeit.
www.4investors.de: Herr Dehn, Stemmer Imaging hat seine Guidance 2021 mehrfach angehoben und dennoch konnten Sie nach vorläufigen Berechnungen die zuletzt veröffentlichte Ergebnisprognose noch übertreffen. Was waren die wesentlichen Umsatz- und Ergebnistreiber im abgelaufenen Geschäftsjahr?
Dehn: Zunächst ist ja festzuhalten, dass wir unsere Prognose kontinuierlich über das Geschäftsjahr 2021 nach oben angepasst haben. Anders als noch zu Jahresanfang 2021 erwartet, hat sich die Marktdynamik über die gesamte Breite unserer wichtigsten Absatzmärkte sehr positiv entwickelt. Das hat uns natürlich zunehmenden Auftrieb über das Jahr gegeben. Gleichzeitig konnten wir uns mit vielen Maßnahmen gegen die globalen Lieferengpässe und die daraus resultierten Kostensteigerungen stemmen. Wir haben also nicht nur von der Marktdynamik profitiert, sondern uns auch gut geschlagen und sollten über dem Markt gewachsen sein.
www.4investors.de: Auf der Umsatzseite sind Sie mit 130,1 Millionen Euro im oberen Bereich der zuletzt gültigen Bandbreite von 123 Millionen Euro bis 131 Millionen Euro gelandet. Auf Basis der bisherigen Bilanzierungsvorschriften hätten Sie sogar 132,3 Millionen Euro ausgewiesen. Warum haben Sie diese Änderung vorgenommen?
Dehn: Die internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS) sind für unser Reporting maßgeblich und unterliegen Anpassungen, die wir als Unternehmen entsprechend in unsere Berichterstattung adaptieren müssen. Wir beteiligen uns nicht an der Debatte, ob diese Vorschriften immer die optimale Transparenz für Investoren und Aktionäre schaffen. Im vorliegenden Fall betrifft die Umsatzbewertung den reinen Handelsumsatz von Standardsoftware, also den Verkauf von Softwarelizenzen, die wir von Dritten beziehen und ohne Mehrwertdienstleistungen handeln. Unserem Verständnis nach ist das eine Bewertungsvorgabe ohne Interpretationsspielraum. Nachdem wir uns dem Grundsatz verschrieben haben, unsere Zahlen so transparent und nachvollziehbar wie möglich auszuweisen, zeigen wir entsprechend alle Daten auch rückwirkend nach alter und neuer Bewertungsmethode.
www.4investors.de: Sie sprechen von einer beschleunigten Transformation durch die Corona-Pandemie. Inwiefern hat sich dadurch Ihr Geschäft bzw. das Marktumfeld generell in den vergangenen beiden Jahren verändert?
Dehn: Unseres Erachtens hat die Corona-Pandemie eine Vielzahl von längst überfälligen Veränderungen schonungslos aufgedeckt und als Beschleuniger für tiefgreifende Transformationen gewirkt. Der jüngst beschiedene „Chips Act“ der EU, der Effizienzbedarf mittels weitergehender Digitalisierung der betrieblichen Prozesse, zusätzlich angeheizt durch den inflationsbedingt steigenden Kostendruck und den steigenden Fachkräftemangel sowie die sich immer deutlicher abzeichnenden konkreten Maßnahmen basierend auf den notwendigen Veränderungen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdebatte sind nur einige Beispiele. Bildverarbeitungstechnologie ist eine Schlüsseltechnologie für all die vorgenannten Themengebiete. Insofern sehen wir uns nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- bis langfristig herausragend positioniert und von einem großen Wachstumspotenzial angetrieben.
www.4investors.de: Sie haben die globalen Lieferengpässe bereits angesprochen. Wie haben Sie darauf reagiert? Erwarten Sie eine Entspannung in den nächsten Monaten?
Dehn: Wir sind gar nicht so sicher, ob die Leser das Thema noch interessiert. Es ist ein so flächendeckendes Problem für alle Industrien, dass wir hierzu nur eines sagen wollen: Die Liefersituation ist weiterhin angespannt und wird sich in ihrer Abhängigkeit und Komplexität nicht über Nacht auflösen. Wir haben es 2021 geschafft, zusammen mit unseren Kunden und Lieferanten in enger Partnerschaft optimale Lösungen für konkrete Herausforderungen zu finden und sind, nicht nur was unsere Finanzzahlen betrifft, bisher gut durch diese Phase gekommen. Fatalismus ist also nicht unsere Haltung, sondern Lösungen zu finden – auch wenn die Aufgaben komplex und länger andauernd sind.
www.4investors.de: Im Januar haben Sie einen Rekordauftrag im Bereich Artificial Vision im Volumen von 12 Millionen Euro gemeldet. Welche Rolle spielte dabei Ihr verstärktes Augenmerk auf Mehrwert-Dienstleistungen bzw. das Solution Business? Und welche Bedeutung hat der Bereich Sports & Entertainment inzwischen für Stemmer Imaging?
Dehn: Wir freuen uns natürlich, dass sich unsere frühe Positionierung im nicht-industriellen Anwendungsbereich als führender Anbieter der Bildverarbeitung als so erfolgreich herausstellt. Der Bereich Sports & Entertainment ist inzwischen der zweitgrößte Endmarkt für Stemmer Imaging und bietet fantastisches Wachstumspotenzial. Der Grund liegt auf der Hand: Insbesondere bildgestützte Entertainment-Anwendungen finden sehr nah am Konsumenten statt und skalieren viel stärker als klassische Industrieanwendungen. Wir haben zwischenzeitlich eine ganze Reihe von Kunden mit verschiedensten Applikationen, die große Skaleneffekte aufweisen – das Potenzial beginnt hier also gerade erst zu entstehen.
www.4investors.de: Wie zufrieden sind Sie generell mit dem Start ins neue Geschäftsjahr und mit welchen Erwartungen blicken Sie auf die kommenden Monate?
Dehn: Die Marktnachfrage bleibt auch 2022 hoch. Unsere Kunden sind nicht nur mit dem Fertigstellen von Bestandsaufträgen beschäftigt, sondern arbeiten stark an neuen Projekten, die über 2022 hinausgehen. Derzeit scheint die allgemeine politische Weltwetterlage jedoch nicht nur Sonnenschein bereitzuhalten und insbesondere die steigenden Energiekosten und die massive Inflation werden sich letztendlich auf die Realwirtschaft auswirken müssen. Wollen wir hoffen, dass sich der Konflikt in der Ukraine bald befriedet und die derzeitige Marktunsicherheit sich wieder beruhigt.
www.4investors.de: Unabhängig von den globalen Unsicherheiten peilen Sie für das laufende Geschäftsjahr ein erneut zweistelliges Umsatzwachstum und ein Konzern-EBITDA von über 20 Millionen Euro an. Wie hoch ist Ihre Visibilität für die kommenden Quartale?
Dehn: Grundsätzlich ist unsere Visibilität viel besser als noch vor ein oder zwei Jahren. Natürlich hilft da der hohe Auftragsbestand und die weiterhin sehr gute Book-to-Bill-Ratio, also das Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz. Darüber hinaus sind wir gemäß unserer Unternehmensstrategie immer näher an die Endkunden herangerückt und sind viel dichter an den Absatzplanungen unserer Kunden – etwas, das sich insbesondere in diesen Zeiten mit anhaltenden Lieferengpässen als wirklich entscheidend herausstellt.
www.4investors.de: Wie ist es aktuell um Ihre Buy-and-Build-Strategie bestellt? Haben Sie schon passende Targets für die nächsten M&A-Aktivitäten identifiziert? Und wie wollen Sie diese finanzieren?
Dehn: M&A bleibt weiterhin in unserem Fokus. Es gibt spannende Bereiche wie den Food & Agriculture-Markt. Hier wollen wir sowohl unser Technologieangebot als auch unseren Marktzugang verbessern. Unsere Finanzstärke gibt uns einiges an Fire Power, aber natürlich schauen wir genau auf den strategischen Fit und die Bewertung. Dabei sind auch größere Targets nicht auszuschließen, wofür wir weitere Finanzierungskonzepte in Betracht ziehen.
www.4investors.de: Die Nachhaltigkeitsagenda von Stemmer Imaging liegt Ihnen besonders am Herzen. Was haben Sie im Zuge dieser Ausrichtung seit 2019 bereits erreicht und welche Ziele verfolgen Sie hier mittelfristig?
Dehn: Als mittelständisch geprägtes Unternehmen gehört Nachhaltigkeit zu unserem Selbstverständnis und wir sehen es als essenziell an, dass wir uns hier klar positionieren – den Herausforderungen alleine bei den Themen Klimawandel und Erderwärmung kann sich wohl niemand mehr entziehen und auch wir möchten hier unseren Beitrag leisten. Daher ist ein großes Ziel für uns die Klimaneutralität bis zum Jahr 2027. Hierfür erheben wir in diesem Jahr erstmals konzernweit unseren CO2-Fußabdruck. Konkret widmen wir uns Aspekten wie Energieverbrauch und Verpackung, aber auch Compliance und Mitarbeiterentwicklung. Was unser Geschäft betrifft, zielen wir darauf ab, mittelfristig 100 Prozent unserer Umsätze an den UN Sustainable Development Goals auszurichten. Wichtige Wachstumstreiber sehen wir hier sowohl im Bereich Food & Agriculture als auch im Bereich E-Mobilität, von denen wir bereits heute stark profitieren.
www.4investors.de: Im Oktober 2021 haben Sie Ihre Mittelfrist-Guidance konkretisiert bzw. angehoben. Diese sieht nun ein Umsatzwachstum auf 200 Millionen Euro bis 2024 und eine durchschnittliche EBITDA-Marge von 12 Prozent bis 14 Prozent vor. Sehen Sie sich hier im Zeitplan?
Dehn: Mit unserer im Jahr 2019 vorgestellten und im Jahr 2021 konkretisierten Mittelfrist-Guidance liegen wir absolut im Plan – insbesondere was die Ergebnisentwicklung betrifft. Unser Umsatzwachstum hat die Coronadelle im Jahr 2020 gut weggesteckt und wir werden schon im Jahr 2022 zeigen, dass wir erneut im zweistelligen Prozentbereich im Umsatz wachsen können.