Deutsche Inflation: Energiepreisdruck bleibt hoch - es wird kompliziert für die EZB! - Nord LB
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat soeben aktuelle Zahlen zur Verbraucherpreisentwicklung in Deutschland veröffentlicht. Nach vorläufigen Daten blieb der Inflationsdruck im Berichtsmonat Januar deutlich höher als erwartet. Der nationale Verbraucherpreisindex (VPI) legte zum Vormonat um 0,4% M/M zu, die Jahresrate reduzierte sich daher nur leicht von 5,3% Y/Y im Dezember auf nun 4,9% Y/Y. Bei dem für europäische Zwecke harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) ging es im Vormonatsvergleich um 0,9% M/M aufwärts, wodurch die Jahresrate mit 5,1% Y/Y oberhalb der 5,0%-Marke verharrte. Gegenüber den Schätzungen der zuvor von Bloomberg befragten Volkswirte sind die heute gemeldeten Zahlen zweifelsohne eine negative Überraschung.
Der nur leichte Rückgang der Inflation gegenüber dem Dezember ist bemerkenswert, da die Basiseffekte durch unterschiedliche Mehrwertsteuersätze im zweiten Halbjahr 2020 und 2021 herausgefallen sind und auch bei den Energiepreisen die Vergleichsbasis deutlich höher liegt als im Jahr 2020. Wesentlicher Preistreiber waren im Januar dennoch erneut die Energiepreise, die Jahresrate kletterte sogar weiter von 18,3% Y/Y auf 20,1% Y/Y. Bei den Warenpreisen (7,2% Y/Y) spiegeln sich zudem die Knappheitsprobleme und der Preisdruck auf vorgelagerten Preisstufen wider. Zudem bleibt die Teuerung bei Nahrungsmitteln mit 5,0% ebenfalls deutlich erhöht.
Wie schon im Jahr 2021 wurde auch für 2022 bei der Aktualisierung des HVPI-Wägungsschemas von der sonst üblichen Vorgehensweise abgewichen, um den stärkeren Verschiebungen bei den Konsumgewohnheiten besser Rechnung zu tragen. So wurden für die neuen Gewichte die Konsumgewohnheiten des Jahres 2021 (statt 2020) verwendet.
Der aktuelle Preisschub lässt sich zwar weiterhin teilweise durch die Folgen der Corona-Pandemie erklären, allerdings sind nun einige gewichtige Argumente für die Lesart des transitorischen Inflationsschubs weggefallen. Da auch in anderen Ländern der Eurozone der Preisdruck offenbar recht persistent geblieben ist, wird die übermorgen zur Veröffentlichung anstehende HVPI-Schnellschätzung von Eurostat wohl kaum einen nennenswerten Rückgang ergeben.
Für die Tauben im EZB-Rat wird es nun kompliziert, das bisherige Narrativ aufrecht zu erhalten. Zwar ist kurzfristig noch nicht mit einem Zinsschritt zu rechnen, die EZB wird aber die Kommunikation anpassen und schneller die Voraussetzungen für eine Zinserhöhung schaffen müssen. Die Aufstockung des APP bis Ende des dritten Quartals zur Flankierung des PEPP-Ausstiegs erscheint als zu üppig und unangemessen. Die Märkte preisen bereits einen Zinsschritt für Ende 2022 ein.
Die nächsten EZB-Inflationsprojektionen im März dürften es in sich haben, da diese wohl erneut signifikant angehoben werden müssen. Richtig ist, dass die EZB die globalen Energiepreise nicht steuern kann. Richtig ist aber auch, dass die Gefahr von Zweitrunden in diesem Umfeld nicht mehr länger unterschätzt werden darf. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis der Kaufkraftverlust der Jahre 2021 und 2022 stärker Eingang in Lohn- und andere Vertragsverhandlungen finden wird.
Fazit: Die Inflationsrate ist in Deutschland im Januar nach vorläufigen Daten zwar leicht gesunken, jedoch deutlich weniger als erwartet. Die Jahresrate bleibt mit 4,9% Y/Y (VPI) bzw. 5,1% Y/Y (HVPI) zu hoch, vor allem Preissteigerungen bei Energie, Waren und Nahrungsmitteln erhöhen noch einmal den Druck auf die EZB. Im März ist auf die aktuellen Projektionen zu achten, hier deutet sich die nächste Aufwärtsrevision an. Kurzfristig ist ein Zinsschritt zwar wenig wahrscheinlich, der Exitpfad dürfte nun aber deutlich steiler werden. Das Beispiel der Fed, die deutlich hinter die Kurve gerutscht ist und nun früher und drastischer gegensteuern muss, sollte den Ratsmitgliedern eine Mahnung sein!
Autor: Christian Lips, Chefvolkswirt