Ifo Geschäftsklima: Vierte Welle verstärkt Gegenwind für deutsche Wirtschaft - Nord LB
Heute Vormittag hat das Münchner ifo-Institut aktuelle Ergebnisse seiner Konjunkturumfrage unter rund 9.000 deutschen Unternehmen veröffentlicht. Im Berichtsmonat November hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft spürbar verschlechtert. Das ifo-Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft reduzierte sich auf nur noch 96,5 Punkte und fiel damit fast auf das Vorkrisenniveau im Februar 2020 zurück. Die meisten zuvor befragten Analysten und Volkswirte hatten zwar mit einem Rücksetzer gerechnet, waren allerdings von einem geringeren Ausmaß ausgegangen.
Wie schon in den beiden Vormonaten werden sowohl die aktuelle Geschäftslage als auch die Geschäftserwartungen schlechter als im Vormonat beurteilt. Die Geschäftserwartungen reduzierten sich auf 94,2 Punkte. Die Zukunftsaussichten der Unternehmen sind damit so skeptisch wie seit dem Januar nicht mehr. Die Eintrübung der Erwartungen wiegt umso schwerer, da im November auch die aktuelle Situation deutlich schlechter beurteilt wird. Nachdem sich die Lagekomponente im Oktober noch überraschend robust gezeigt hatte, ging es im laufenden Monat nun deutlicher abwärts auf nur noch 99,0 Punkte. Der ifo-Geschäftsklimaindex folgt im November somit nicht den positiveren Vorgaben von den Umfragen von sentix und ZEW, auch die gestern gemeldeten Daten zu den Markit Einkaufsmanagerindizes waren noch einmal erstaunlich robust ausgefallen.
Wirklich überraschend ist die Stimmungseintrübung im deutschen Unternehmenssektor angesichts des aktuell sehr herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Umfelds nicht. Die Zahl der Belastungsfaktoren hat zuletzt sogar eher noch zugenommen. So ist im Herbst die Coronakrise mit Rekordinfektionszahlen zurückgekehrt, und zwar mit größerer Wucht als dies viele Optimisten für möglich gehalten hatten. Wegen der im Vergleich zu anderen europäischen Staaten viel zu geringen Impfbereitschaft müssen sich Länder wie Deutschland und Österreich auf deutliche Einschränkungen auch in diesem Winter einstellen müssen. Nicht nur aus Unternehmenssicht ist hieran besonders ärgerlich, dass diese Entwicklung mit geringem Aufwand zu vermeiden gewesen wäre.
Die vierte Corona-Welle trifft die Wirtschaft zudem in einer Schwächephase. Neben den hartnäckigen Liefer- und Materialengpässen, die weiterhin die Produktionsmöglichkeiten einschränken, belastet auch der Kostenschub durch den breiten Preisanstieg bei Energie und Rohstoffen die Unternehmen. Die vierte Welle hat sich vor allem auf das Sentiment im Dienstleistungssektor sowie im Handel negativ ausgewirkt. Auch das Verbrauchervertrauen hat sich in der Eurozone bereits wieder spürbar eingetrübt. Der konjunkturelle Aufholprozess gerät im laufenden Quartal somit erneut ins Stocken. Auch der deutsche Aktienmarkt spürt den zunehmenden Gegenwind, der DAX ging heute Vormittag in die Knie und rutschte zumindest zeitweise unter die Marke von 15.900 Punkten.
Für die EZB wird damit die Ausgangslage für die anstehenden Entscheidungen im Dezember nicht einfacher. Einerseits ist der Inflationsanstieg deutlich stärker und auch persistenter als die Projektionen im September auswiesen. Andererseits könnten die Tauben im Rat auf die nicht überwundene Pandemie und die damit verbundenen Abwärtsrisiken für die Konjunktur hinweisen. Dennoch dürfte die EZB nicht mehr von dem Ausstieg aus dem PEPP im kommenden Jahr abrücken.
Fazit: Die Stimmung in den deutschen Unternehmen hat sich im November weiter verschlechtert. Der ifo-Geschäftsklimaindex ging auf 96,5 Punkte zurück, sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen werden pessimistischer beurteilt. Besonders betroffen sind wegen der vierten Corona-Welle der Dienstleistungssektor und der Handel. Die deutsche Wirtschaft ist ohnehin durch Knappheiten und hohe Energiepreise unter Druck, durch die vierte Welle gerät der konjunkturelle Aufholprozess nun erneut vollends ins Stocken. Auch an den Aktienmärkten ist der zunehmende Gegenwind spürbar. Die EZB steht vor schwierigen Entscheidungen, wird aber wegen des hohen Inflationsdrucks das PEPP 2022 beenden.