ZEW-Konjunkturerwartungen steigen trotz neuer Lockdown-Verschärfung - Nord LB Kolumne
Heute Vormittag hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aktuelle Ergebnisse seiner monatlichen Konjunkturumfrage unter Volkswirten, Analysten und Fondsmanagern veröffentlicht. Im Januar hat sich demnach die Stimmung unter den befragten Finanzmarktexperten weiter aufgehellt. Im Vergleich zum Vormonat verbesserten sich die Konjunkturerwartungen für Deutschland von 55,0 auf 61,8 Saldenpunkte. Gemessen an den Prognosen der zuvor befragten Analysten und Volkswirte stellen die heutigen Zahlen keine Überraschung dar.
Praktisch unverändert zum Vormonat wird die aktuelle gesamtwirtschaftliche Situation eingeschätzt. Die Lagekomponente verbesserte sich nur marginal auf -66,4 Saldenpunkte. Angesichts der noch immer grassierenden zweiten Infektionswelle wäre alles andere als eine weiterhin klar negative Einschätzung der aktuellen Konjunkturlage eine faustdicke Überraschung gewesen. Die deutsche Wirtschaftsleistung stagnierte zum Jahresende. Angesichts des auch im Dezember bereits verschärften Lockdowns zeugt dies jedoch von einer fast schon erstaunlich robusten Verfassung der deutschen Volkswirtschaft. Die mit den gestarteten Impfkampagnen verbundenen Hoffnungen nähren ganz offensichtlich weiterhin den Optimismus der Finanzmarktexperten.
Allerdings ist am aktuellen Rand mit zunehmenden Belastungen zu rechnen. Die Infektionslage hat sich im Lockdown bislang offenbar nur stabilisiert bis leicht verbessert. Zusätzlich alarmieren neue aggressivere und ansteckendere Virusmutanten, die zunächst vor allem in Großbritannien, Südafrika und Brasilien verbreitet waren. Vor diesem Hintergrund ist in den auf heute vorgezogenen Gesprächen zwischen der Bundeskanzlerin sowie den Regierungschefs der Länder mit einer nochmaligen Ausweitung der Eindämmungsmaßnahmen zu rechnen. Wir warnen seit einiger Zeit, dass die Wahrscheinlichkeit für einen harten Lockdown über den gesamten Winter sehr hoch ist.
Dies wird sich auch in den Wirtschaftsdaten für das erste Quartal niederschlagen. Beim realen BIP ist mit einem Rückgang gegenüber dem Vorquartal zu rechnen, der allerdings nicht vergleichbar mit dem Absturz im letzten Frühjahr sein wird. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es sehr auf die Einzelmaßnahmen und die Begleitumstände ankommt, wie stark die Wirtschaftsleistung im Lockdown abgebremst wird. Maßnahmen wie eine verschärfte Maskenpflicht und eine nochmalige Ausweitung von Home Office, wo es möglich ist, bremsen die Wirtschaft nicht aus. Damit der Start ins Jahr aus konjunktureller Sicht halbwegs glimpflich verläuft sind aber einige Bedingungen zu nennen: Kein Lockdown für die Industrie, weiterhin offene Grenzen für einen reibungslosen Außenhandel und stabile Wertschöpfungsketten. Mit der Dauer von Schulschließungen werden die negativen Folgen spürbar zunehmen – bildungspolitisch, sozial, aber auch ökonomisch. Die Erfordernisse eines Home Schooling sind nicht mit einer Vollerwerbstätigkeit (auch nicht im Home Office) der Eltern vereinbar. Es braucht daher dringend Konzepte für einen sicheren Präsenzunterricht.
Die mit den gestarteten Impfkampagnen verbundenen Hoffnungen nähren ganz offensichtlich weiterhin den Optimismus der Finanzmarktexperten. Gleichwohl haben die Aktienmärkte nach der Rekordjagd seit November zuletzt eine Verschnaufpause eingelegt. Ab dem Frühjahr ist eine kräftige wirtschaftliche Erholung zu erwarten, für 2021 rechnen wir mit einem BIP-Wachstum von 3,5%.
Fazit: Die Stimmung der Finanzexperten hat sich im Januar nochmals verbessert. Die ZEW Konjunkturerwartungen legten auf 61,8 Saldenpunkte zu, trotz der sich andeutenden neuerlichen Ausweitung des Lockdowns. Die robuste Entwicklung im vierten Quartal belegt, dass es hierbei sehr auf die Einzelmaßnahmen ankommt. Um nicht einen neuerlichen Absturz zu riskieren, sind einige Bedingungen einzuhalten. Aber: Auch aus ökonomischer Sicht muss die Zahl der Infektionen sinken. Der Erfolg der Impfkampagne darf nicht gefährdet werden!