ZEW-Umfrage: Licht und Schatten im August - Nord LB Kolumne
Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat heute in Mannheim die Ergebnisse seiner Konjunkturumfrage unter Analysten, Fondsmanagern und Volkswirten veröffentlicht. Im Berichtsmonat August zeigt sich Licht und Schatten bei der Stimmung der Befragungsteilnehmer. Während die Konjunkturerwartungen für Deutschland am aktuellen Rand überraschend deutlich auf beachtliche 71,5 Punkte zulegen konnten, gab die Lagebeurteilung sogar leicht nach. Diese Zeitreihe notiert nun bei lediglich -81,3 Zählern, was wohl schon als negative Überraschung zu bewerten ist.
Die Umfrageteilnehmer blicken also mit sehr großer Skepsis auf die aktuelle konjunkturelle Situation in Deutschland. Die Verunsicherung durch die Coronavirus-Krise hält folglich an und belastet das Sentiment der Akteure an den Finanzmärkten. Ausgehend von dieser negativen Einschätzung der momentanen Lage erwartet aber eine überwiegende Mehrheit der Befragungsteilnehmer eine perspektivische Besserung der ökonomischen Situation in Deutschland. Dies ist natürlich eine positive Nachricht; allerdings darf bei der Interpretation dieser Meldung der Referenzpunkt nicht aus dem Auge verloren werden. Angesichts der am aktuellen Rand diagnostizierten ausgeprägten Schwäche dürfte es vielen Umfrageteilnehmern sehr leicht gefallen sein, in den nächsten 6 Monaten spürbare Besserungstendenzen zu sehen.
Mit Blick auf Euroland zeigt sich ein ähnliches Bild. Hier ist die Lagebeurteilung im August auf nur noch -89,8 Punkte gefallen. Die Erwartungen legten zudem nicht sonderlich deutlich zu und notieren nun bei 64,0 Zählern. Diese Zahlen zeigen, dass Deutschland eindeutig nicht im Zentrum der Krise steht.
Die an der Umfrage teilnehmenden Analysten, Fondsmanager und Volkswirte blicken also schon mit einer gewissen Zuversicht in die nähere Zukunft. Dieses Bild passt gut zu den Entwicklungen am Aktienmarkt. So ist beim deutschen Blue-Chip-Index DAX mittlerweile sogar wieder die Marke von 13.000 Punkten in den Fokus gerückt und Optimisten hoffen – trotz der noch immer belastenden Coronavirus-Krise – auch auf neue Allzeithochs. Nach einem flüchtigen Blick auf die aktuellen ZEW Konjunkturerwartungen für Deutschland mag man schon einen weiteren Grund für optimistische DAX-Prognosen sehen. Allerdings muss bedacht werden, dass die erwartete Erholung auch (und vielleicht sogar vor allem) ein Resultat der Schwäche am aktuellen Rand sein dürfte. Es mag nach Auffassung vieler Teilnehmer an der Umfrage der Wirtschaftsforscher aus Mannheim einfach kaum mehr schlechter werden können. Insofern ist die Stärke der Erwartungskomponente kein wirklich nachhaltig positives Signal – wenn man zu einem guten Freund sagt, er wäre im Vergleich zum Teufel wirklich ein sehr netter Zeitgenosse, ist dies sicherlich auch kein uneingeschränktes Lob!
Fazit: Die aktuellen Zahlen zu den Stimmungsindikatoren des ZEW zeigen Licht und Schatten. Zwar konnten die Konjunkturerwartungen für Deutschland im August deutlich anziehen, die Lagebeurteilung gab aber leicht nach. Da an den Finanzmärkten vor allem zukünftige Entwicklungen eine Rolle spielen, könnte man sagen, dass das Licht überwiegt. Allerdings relativiert die von den Umfrageteilnehmern am aktuellen Rand diagnostizierte ökonomische Schwäche natürlich auch die erhofften Tendenzen zu einer Besserung der Lage in der Zukunft.