„Schöne“ neue Welt? - Commerzbank Kolumne
Wenn man diese Tage einen Supermarkt besucht, gewinnt man fast den Eindruck von einer neuen Normalität. Langsam füllen sich die Regale wieder mit heißbegehrtem Toilettenpapier, Nudeln und Mehl. Auch scheint der ein oder andere Wachmann abgezogen zu sein. Eine gewisse Katastrophenroutine hält Einzug. So ist das fast immer nach außerordentlichen Ereignissen, und doch sind wir mit dem Thema Corona noch längst nicht am Ende. Die Lebensmittelhandel gehörte ohnehin zu den vergleichsweise „glücklichen“ Branchen - ungeachtet der Herausforderungen, die sich ihm entgegen stellten. Aber auch hier dürfte es nach den Panikkäufen ruhiger werden, denn die Vorräte müssen nun ja langsam abgebaut bzw. dürften kaum weiter aufgestockt werden. Das Einkaufsverhalten wird damit sehr sprunghaft.
Als weiterer Effekt mit der zu erwartenden konjunkturellen Abschwächung dürften eine höhere Arbeitslosigkeit und Verunsicherung einhergehen. Das wird voraussichtlich nochmals die Einzelhändler, die ohnehin von den Zwangsschließungen betroffen waren und sind, treffen. Es droht eine Pleitewelle, die die Innenstädte verändern könnte.
Nach einer aktuellen ifo-Umfrage sehen sich die Einzelhändler massiv bedroht, 45% der Unternehmen könnten infolge der Schließungen max. 3 Monate durchhalten, über 63% würden höchstens ein halbes Jahr überstehen. Dementsprechend warnt der Einzelhandelsverband HDE vor einer Pleitewelle, die 50.000 Geschäfte (darunter weniger Lebensmittelhandel) treffen könnte. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband sieht 70.000 Betriebe in Gefahr.
Die Branchenriesen, die über Zugang zum Kapitalmarkt verfügen, nutzen Skalenvorteile und sind vor allem durch das Internetgeschäft im Vorteil. Damit dürfte sie Konzentration weitergehen.
Anleihen
Deutschland: Auftragseingänge (März), 08:00 Uhr
Euroraum: Einkaufsm., Dienstl. (April), 10:00 Uhr
USA: ADP-Arbeitsmarktbericht (April), 14:15 Uhr
Die Quarantänemaßnahmen werden in Deutschland weiter gelockert. Beim Schulunterricht schreitet Hessen voran: Für viele Kinder soll am 18. Mai der Unterricht in den Schulen wiederbeginnen. Damit kehrt ein weiteres Stück Alltag zurück. Die Normalisierung des Welthandels klemmt jedoch noch: Die Neuinfektionen in den USA sind weiterhin hoch, in einigen Ländern wie Indien beginnt die Infektionswelle erst. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank wirkt auf den ersten Blick irritierend. Doch die Forderung des Gerichts, die Verhältnismäßigkeit der Anleihekäufe sei zu prüfen, stellt für die EZB mit ihren Heerscharen von Volkswirten und Juristen keine Hürde dar. Die EZB erklärte nach dem Urteil, die Geldpolitik diene dem Ziel der Preisstabilität und man handle im Einklang mit dem Mandat der Zentralbank. Das Urteil zeigt aber auf, dass die europäische Geld- und Fiskalpolitik insgesamt auf den Prüfstand gehört – nicht zuletzt, um die Krisenbekämpfung effektiver zu machen. In Deutschland sind die Auftragseingänge in der Industrie im März kräftig um 15,6% zum Vormonat zurückgegangen. Der Rückgang lag zwar über den Erwartungen der Analysten, spiegelt aber den allgemeinen Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten. In ihrer Funktion als Frühindikator wurden die Auftragseingänge freilich durch die Coronafallzahlen abgelöst. Dem US-Dienstleistungsfirmen geht es quarantänebedingt sehr schlecht. Der ISM-Index zum Servicebereich ist im April weiter abgefallen. Der Index liegt zwar noch bei 41,8 Punkten – bei wichtigen Unterkomponenten, z.B. Beschäftigung, war der Rückgang jedoch deutlich stärker. Dies wäre im Einklang zu einem landesweiten Produktionseinbruch um etwa 13%.
Aktien
Deutschland: BMW, FMC, Fresenius, Lanxess,
Fraport, Hannover Rück, Morphosys, Norma, Qiagen,
Rational, Schäffler, Telefonica Deutschland
Europa: Enel, Novo Nordisk, Société Générale
USA: General Motors
Nach zwei schwächeren Tagen konnten sich die europäischen Aktienmärkte gestern spürbar erholen. Entscheidender Faktor war der weiter positive Trend in Richtung eines Abflauens der Corona-Pandemie in Europa und die Hoffnung auf fortgesetzte Lockerungen und damit eine wieder einsetzende Wirtschaftsaktivität. Dies gab auch dem Ölpreis mit der Hoffnung auf zulegende Absätze kräftigen Rückenwind. Der DAX legte um 2,5% zu, der Euro Stoxx 50 gewann wie die meisten europäischen Indizes 2,1%. Der Detailblick in Deutschland zeigte MTU (+10,3%) – zuletzt großer Verlierer – als Anführer der Gegenbewegung. Bei Vonovia (+6,8%) gab es praktisch keinen Kriseneinfluss. Auch andere Titel überraschten positiv mit ihren Zahlen: so Infineon (+6,8%) im DAX oder aus der zweiten Reihe HelloFresh (+9,9%) und Siemens Healtineers (+6,6%). Enttäuschung brachten dagegen die Zahlen von Beiersdorf (-2,9%) als größtem Verlierer im DAX. Auch in den USA trug die Lockerungsphantasie die Erholung, gegen Handelsende verlor sie aber etwas an Schwung. Der Dow Jones legte noch 0,6% zu, beim S&P 500 blieben +0,9% und an der Nasdaq 1,1% Kursgewinn übrig. Stärkster Sektor war Gesundheit (+1,9%) gefolgt von Versorgern (+0,8%). Die Finanztitel lagen mit einem Minus von 0,2% am Ende. Bester Titel im Dow war Pfizer (+2,4%) aufgrund Fortschritten bei Corona-Impfforschung beim deutschen Partner Biontech (+9,2%). In Asien notieren die Märkte heute freundlich, Japan feiert weiter die Golden Week. Für Europa werden zur Eröffnung etwas leichtere Kurse erwartet.