Rückkehr des Optimismus unter den Finanzexperten - Nord LB Kolumne

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hat soeben die Ergebnisse seiner monatlichen Umfrage unter gut 200 Volkswirten, Analysten und Fondsmanagern veröffentlicht. Demnach stiegen die Konjunkturerwartungen für Deutschland zum Jahresauftakt überraschend deutlich auf 26,7 Saldenpunkte an. Dies ist immerhin der höchste Wert seit Juli 2015 und liegt leicht oberhalb des langjährigen Durchschnitts. Damit weist hier der Trend nun ebenso eindeutig aufwärts wie bei dem Konjunkturindex von sentix. Parallel beurteilten die Umfrageteilnehmer auch die aktuelle Lage deutlich besser als im Vormonat, die Lagekomponente bleibt mit -9,5 Punkten jedoch zumindest im Monat Januar noch leicht im negativen Bereich. Auch für die Eurozone hellte sich die Stimmung im Januar auf. Die Erwartungskomponente kletterte auf 25,6 Saldenpunkte, während die Lagekomponente trotz eines leichten Anstiegs auf -9,9 Punkte ebenfalls noch nicht das negative Terrain verlassen konnte.
Insgesamt fielen die heutigen Zahlen noch etwas besser aus als von den im Vorfeld von Bloomberg und Thomson Reuters befragten Analysten erwartet worden war. Die positiven Nachrichten von der Konjunkturfront gaben dem deutschen Aktienindex DAX um 11 Uhr etwas Rückenwind, so dass sich das Kursbarometer nach einem schwachen Start in den Handelstag zumindest wieder an die psychologisch wichtige Marke von 13.500 Punkten etwas herantasten konnte. Das Allzeithoch von knapp 13.600 Punkten bleibt damit in Reichweite.
Bei den umfragebasierten Frühindikatoren kehrt der Optimismus mit Macht zurück. Hierzu haben gleich mehrere Faktoren in den vergangenen Wochen einen Beitrag geleistet. Neben der guten Aktienmarktentwicklung ist hier vor allem die Linderung bei den beiden Hauptrisikofaktoren Brexit und Handelskrieg zu nennen. Zumindest stehen die Zeichen mit dem Phase-1-Deal zwischen den USA und China vorerst nicht mehr auf Eskalation, wenngleich wir auf eine stärkere Rücknahme der belastenden Zollerhöhungen aus den vergangenen zwei Jahren bereits in dieser ersten Waffenstillstandsvereinbarung gehofft hatten. Dennoch: Über den Stimmungskanal kam im vergangenen Jahr ein Gutteil der Belastung für die Konjunktur und nun verdichten sich die Signale, dass mit der Linderung der Risiken 2020 eine etwas höhere weltwirtschaftliche Dynamik möglich ist.
Allerdings mahnen die anhaltend schwachen harten Konjunkturdaten aus dem Industriesektor noch zur Vorsicht. Die nach wie vor gedämpfte Industrieproduktion und der Rückgang der Auftragseingänge – wenngleich vor allem durch die Entwicklung der Großaufträge bedingt – belegen die hohe Fragilität der konjunkturellen Entwicklung. Zumindest ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal trotz der anhaltenden Industrierezession erneut leicht gewachsen. Im Gesamtjahr 2019 hatte die deutsche Wirtschaftsleistung zwar nur um 0,6% expandiert, für das Jahr 2020 rechnen wir aber mit einer höheren Wachstumsrate von 1,1%. Eine Veränderung der EZB-Geldpolitik erwarten wir vor dem Hintergrund geringerer Risiken weder in die eine noch in die andere Richtung. Der EZB-Rat kann sich somit voll und ganz auf die Strategiedebatte konzentrieren.
Fazit: Das ZEW hat zum Jahresauftakt eine eindrucksvolle Rückkehr des Optimismus unter den Finanzmarktexperten festgestellt. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Konjunkturerwartungen werden zum wiederholten Male deutlich positiver als im Vormonat beurteilt. Letztere liegen nun über dem langjährigen Durchschnitt und markieren den höchsten Stand seit Juli 2015. Gleichwohl ist die konjunkturelle Lage wegen der Schwäche in der Industrie noch fragil. Auch bei den Risikofaktoren ist zwar eine Linderung festzustellen, eine Lösung steht jedoch sowohl beim Brexit als auch bei den Handelskonflikten noch aus. Dennoch: Im Jahr 2020 erwarten wir für Deutschland ein etwas höheres reales BIP-Wachstum von 1,1%.