ifo-Geschäftsklima: Talsohle durchschritten, Konjunktur läuft 2020 besser - Nord LB Kolumne
Vor wenigen Minuten hat das Münchner ifo-Institut aktuelle Zahlen zur Entwicklung des von ihm ermittelten Geschäftsklimas veröffentlicht. Demnach hat sich zum Jahresende die Stimmung unter den rund 9.000 befragten Unternehmen in Deutschland erheblich aufgehellt. Der ifo-Geschäftsklimaindex kletterte im Berichtsmonat Dezember auf 96,3 Punkte. Zuletzt notierte der Indikator im Juni höher. Wir hatten zwar ähnlich wie die meisten der zuvor von Bloomberg befragten Analysten einen deutlichen Anstieg prognostiziert, das Ausmaß der Verbesserung ist aber überraschend.
Besonders positiv ist die Tatsache, dass der Anstieg auf beide Teilkomponenten zurückgeht. So haben sich kurz vor Weihnachten zum einen die Geschäftserwartungen der befragten Unternehmen recht deutlich auf 93,8 Punkte verbessert. Zugleich beurteilten die Unternehmenslenker auch die aktuelle Lage mit 98,8 Punkten besser als im Vormonat. Nach einem verkorksten Frühjahr und Sommer blicken die Unternehmen wieder zuversichtlicher ins neue Jahr.
In sektoraler Betrachtung ergibt sich ein heterogenes Bild. Im verarbeitenden Gewerbe hat der Pessimismus mit Blick auf die Geschäftsentwicklung in sechs Monaten deutlich abgenommen. Allerdings wird die aktuelle Lage nochmals etwas schlechter als zuvor beurteilt, die Industrierezession setzt sich somit im Winterhalbjahr noch fort. Gute Stimmung herrscht im Dienstleistungssektor vor, während der Handel etwas geringere Erwartungen an die Entwicklung in den kommenden Monaten hat. Die Stimmung im Bauhauptgewerbe ist weiterhin geprägt von der Bau-Sonderkonjunktur.
Die Frühindikatoren von sentix und dem ZEW hatten im laufenden Monat bereits ähnliche Hinweise gegeben. Hintergrund ist die in der Wahrnehmung vieler Marktteilnehmer deutliche Entspannung bei den beiden großen politischen Unruheherden Brexit und Handelskonflikt. Nach den Wahlen zum Unterhaus in Großbritannien besitzt Premier Boris Johnson eine satte parlamentarische Mehrheit zur Umsetzung seines Deals. Allerdings beginnt dann erst die Übergangsperiode, in der ein Folgeabkommen ausgehandelt werden muss. Es erscheint wegen der sehr unterschiedlichen Positionen von EU und UK utopisch, dass eine Einigung bis Ende 2020 erzielt werden kann. Umso bedenklicher ist es, dass Boris Johnson offenbar die ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit einer Verlängerung der Übergangsperiode gesetzlich ausschließen will, was wieder zu Verhandlungen unter Zeitdruck und dem Risiko eines Rückfalls auf WTO-Standard bei Nichteinigung führt.
Auch Donald Trump könnte mit dem Impeachment im Nacken und ersten Schmauchspuren seiner Handelspolitik in den US-Wirtschaftsdaten wie ein angeschlagener Boxer noch unberechenbarer agieren. Daher sind wir bezüglich der Markteuphorie der vergangenen Wochen vorsichtig. Für die deutsche Konjunktur verfestigt sich nach den heutigen Zahlen des ifo-Instituts aber das Bild, dass die Talsohle durchschritten ist. Zwar bleibt die Lage in der Industrie vorerst angespannt, die Binnenwirtschaft wird aber das BIP-Wachstum 2020 wieder über die Marke von 1% heben. Die EZB kann sich somit im kommenden Jahr voll und ganz auf die Strategieüberprüfung konzentrieren.
Fazit: Die Stimmung der deutschen Unternehmen hat sich zum Jahresende deutlich verbessert. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist im Dezember auf 96,3 Punkte geklettert. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Geschäftserwartungen wurden positiver als im Vormonat beurteilt. Allerdings steht sowohl beim Brexit als auch bei den Handelskonflikten eine endgültige Lösung noch aus und der industrielle Strukturwandel bleibt herausfordernd. Dennoch: Zum Jahresende scheint die Talsohle endlich durchschritten und der Konjunkturhimmel für Deutschland hellt sich trotz fortbestehender Belastungen auf. Für das Jahr 2020 ist dank einer soliden Binnennachfrage mit einem BIP-Wachstum von mehr als 1% zu rechnen.