ifo-Geschäftsklima: Im freien Fall Richtung Rezession - Nord LB Kolumne
Soeben hat das Münchner ifo-Institut aktuelle Zahlen zur Entwicklung des von ihm ermittelten Geschäftsklimas veröffentlicht. Demnach hat sich im Berichtsmonat August die Stimmung unter den rund 9.000 befragten Unternehmen in Deutschland nochmals deutlich verschlechtert. Der ifo Geschäftsklimaindex sackte auf 94,3 Punkte ab und markiert damit den niedrigsten Wert seit November 2012. Dies stellt trotz der ohnehin wenig optimistischen Schätzungen der zuvor von Bloomberg befragten Analysten und Volkswirte eine negative Überraschung dar.
Der fortgesetzte Einbruch des ifo Geschäftsklimas geht auf beide Teilkomponenten zurück. Die Geschäftserwartungen der Unternehmenslenker fallen mit 91,3 Punkten inzwischen so pessimistisch aus wie zuletzt in der Finanzkrise Mitte 2009. Im Vergleich zum Vormonat korrigierten die Umfrageteilnehmer jedoch besonders drastisch ihre Einschätzungen zur aktuelle Lage. Der entsprechende Teilindex sackte um 2,3 auf 97,3 Punkte ab. Dies bestätigt uns in der Einschätzung, dass der BIP-Rückgang im zweiten Quartal nicht nur ein Ausrutscher war. Vielmehr droht sich die seit einiger Zeit bestehende Malaise in der Industrie allmählich auch in andere Wirtschaftssektoren durchzufressen. Diesbezüglich lässt insbesondere der Einbruch des Geschäftsklimas im Dienstleistungssektor von 18,0 auf 13,0 Punkte die Sorgenfalten tiefer werden.
Die heutigen Umfragedaten stehen zudem in einer Reihe mit den meisten anderen Frühindikatoren für die deutsche Konjunktur. Bereits vorab deutete sich bei den Befragungen von Sentix und ZEW eine beschleunigte Eintrübung des Ausblicks für die deutsche Wirtschaft an. Einzig die leichte Stabilisierung der Markit Einkaufsmanagerindizes fügten sich nicht in dieses sonst sehr klare Bild ein.
Das deutsche Wirtschaftsmodell gerät angesichts der Risiken Handelskrieg und harter Brexit stark unter Druck. Insbesondere das zunehmend unberechenbare Agieren des US-Präsidenten Donald Trump belastet die Investitionsbereitschaft und das Sentiment nachhaltig. Deutschland ist durch den relativ hohen Industrieanteil an der Wertschöpfung, den hohen Offenheitsgrad der Volkswirtschaft sowie das hohe Gewicht der Auslandsmärkte USA, UK und China (bzw. Asien insgesamt) verwundbar. Die Zeichen deuten immer mehr in Richtung auf eine Rezession für Europas größte Volkswirtschaft. Zumindest an einer technischen Rezession führt wohl kaum noch ein Weg vorbei.
Die EZB wird vor diesem Hintergrund im September ein neues umfassendes Lockerungspaket auflegen, u.a. mit Zinssenkungen und einem neuen Assetankaufprogramm. Die Skepsis hinsichtlich der Effektivität neuer Maßnahmen der EZB teilen wir, vor allem bei einer längeren Rezession oder gar einer tiefen Krise wäre die Geldpolitik völlig überfordert. Angesichts des negativen Ausblicks und auch der ungebremsten Fallgeschwindigkeit muss die Fiskalpolitik – möglichst europäisch koordiniert – jetzt für den Fall einer weiteren Verschlechterung der Lage vorbauen und geeignete Maßnahmen für eine fiskalische Intervention vorbereiten. Der deutsche Staat hat angesichts einer geringen Schuldenlast und rekordniedriger Zinsen großen Spielraum.
Fazit: Der ifo-Geschäftsklimaindex markiert im Berichtsmonat August mit 94,3 Punkten den tiefsten Wert seit November 2012. Sowohl die Einschätzung der aktuellen Lage als auch die Geschäftserwartungen wurden deutlich nach unten korrigiert. Damit setzt sich die Erosion der Wirtschaftsstimmung in den deutschen Unternehmensetagen fort. Besorgniserregend ist dabei nicht nur die Fallgeschwindigkeit, sondern auch die zunehmenden Hinweise, dass sich die Malaise aus der Industrie in weitere Wirtschaftsbereiche durchzufressen scheint. Die EZB steht bereit, nur schwindet der Glaube an die Effektivität der Geldpolitik. Dies ist angesichts der hohen verbleibenden Risiken die Stunde der Fiskalpolitik.