ifo-Geschäftsklima: Zehnter Rückgang in elf Monaten – EZB ist nun am Zug! - Nord LB Kolumne
Das vom Münchner ifo-Institut erhobene Geschäftsklima hat sich im Juli erneut – diesmal um fast zwei Punkte – verschlechtert. Sowohl die Erwartungskomponente als auch die Beurteilung der aktuellen Lage ging zurück. In der Summe fiel der ifo-Geschäftsklimaindex den mittlerweile vierten Monat in Folge auf nun 95,7 Punkte, den tiefsten Stand seit Frühjahr 2013. Rückblickend verzeichnete der weltweit beachtete Index in jeweils zehn der letzten elf Monate Rückgänge!
Bereits vorab deutete sich bei den Umfragen vom Sentix und vom ZEW eine zunehmend eingetrübte Stimmung für die deutsche Wirtschaft an. Dies galt sowohl für die jeweiligen Lage- wie auch die Erwartungskomponenten. Die ZEW Lagebeurteilung ist sogar so niedrig wie zuletzt im Frühjahr 2010 und indiziert mit dem negativen Vorzeichen die Möglichkeit einer Rezession.
Weiterhin hängen die Damoklesschwerter wie Brexit und Handelskrieg über der Weltwirtschaft – und damit ganz besonders auch über der stark exportorientierten deutschen Ökonomie. Dass die zunehmend kritisch zu betrachtenden Entwicklungen im Persischen Golf für eine weitere Stimmungsverschlechterung sorgen können, ist auch noch zu befürchten.
Immerhin konnte Ende Juni auf dem G20-Treffen eine weitere Eskalation zwischen den USA und China vermieden werden. So vereinbarte man weitere Gespräche – zuletzt scheint dabei eine weitere Verhandlungsbereitschaft zu erkennen gewesen zu sein. So richtig überzeugend sind die Ergebnisse aber noch nicht. Gleiches gilt für den „Waffenstillstand" zwischen den USA und Europa in Sachen Fahrzeugzölle. Diesem besonders für Deutschland enorm wichtigen Sektor droht in den kommenden Monaten also auch noch Ungemach à la Trump! Hinzu kommen Umstellungen wie der Elektromotor. Ein Downside Risiko für die europäische Konjunktur und – damit Deutschland – besteht auch beim Thema Brexit: Mit Boris Johnson werden sich die Verhandlungen zu einem geordneten Brexit nicht einfacher gestalten – ein harter Brexit ist eine klare Option für den neuen PM.
Die heutigen Zahlen lassen ein Rezessionsszenario in Deutschland wahrscheinlicher werden. Zumindest im II. Quartal ist ohnehin von einem Negativwachstum des BIP (-0,3% Q/Q erw.) auszugehen. Ob im III. Quartal der Umschwung kommt? Wohl kaum! Zwar zog die Wirtschaftsleistung im I. Quartal um 0,4% Q/Q an, doch beim Blick auf die Vorquartale mit einer Stagnation (Q4/18) bzw. -0,2% (Q3/18) wird der Ernst der Lage bewusst – die Dynamik ist am Boden (und darunter).
Die Notenbanken haben bereits ein baldiges Eingreifen signalisiert: Die Federal Reserve dürfte am 31. Juli die erste Zinssenkung seit über zehn Jahren vornehmen, die EZB könnte sogar bereits heute reagieren. Eine Zinssenkung wäre denkbar, ist aber eher unwahrscheinlich. Zunächst sollte es wohl Ankündigungen und Neuerungen in der Forward Guidance geben. Es wird spannend!
Als Reaktion fielen die Renditen (10J Bund bis -0,40%) und der Euro (unter 1,1130 USD). Der Dax hielt sich recht passabel (bei 12.500 Punkten) – den Zinssenkungsspekulationen sei Dank!
Fazit: Wie erwartet ist der deutsche ifo-Geschäftsklimaindex gefallen – allerdings deutlicher als befürchtet auf 95,7. Dies zeugt von einer sich rasant verdüsternden Stimmung in der deutschen Wirtschaft. Sentix und ZEW deuteten die Tendenz an. Die Damoklesschwerter wie Handelskonflikte und Brexit hängen auch ganz konkret über Deutschland. Auch die Geschehnisse im Persischen Golf verunsichern. Die Dynamik ist am Boden, mit einem Negativwachstum im II. Quartal ist zu rechnen. Insofern müssen Impulse her, sonst könnte sich die deutsche Wirtschaft im Herbst bereits in einer (technischen) Rezession befinden. Die Notenbanken haben bereits ein Eingreifen signalisiert – heute wird die EZB im Anschluss an die Sitzung verkünden, wie sie plant zu reagieren. Die Spannung darauf steigt nun!