EZB schätzt Wachstum schwächer ein, rechnet jedoch nicht mit einer Rezession - Commerzbank Kolumne
Die EZB sieht größere Risiken für das Wirtschaftswachstum im Euroraum als noch im Dezember. So betonte EZB-Chef Mario Draghi, dass der EZB-Rat die wirtschaftliche Entwicklung im Moment schwächer als erwartet einschätze. Dies liege vor allem am Rückgang der externen Nachfrage. Für die erhöhte Unsicherheit nannte er mehrere Ursachen wie die konjunkturelle Schwäche in China, den sich hinziehenden Brexit und den abnehmenden fiskalischen Impuls in den USA. Gleichwohl sei er zuversichtlich, dass das Wachstum im Euroraum anhalte. Dafür sprechen das hohe Beschäftigungswachstum, steigende Löhne sowie die niedrigeren Energiepreise. Deshalb gehe die EZB weiterhin davon aus, dass sich die Inflation in Richtung des EZB-Ziels entwickle. Draghi sagte aber auch, dass nicht alle EZB-Ratsmitglieder die Schwäche als temporär einstufen, einige Rats- Mitglieder hätten mehr Bedenken geäußert. Insgesamt sei man noch nicht zu einer abschließenden Beurteilung gekommen. Für die nächsten EZB-Projektionen im März sind die Daten im Februar von ausschlaggebender Bedeutung.
Wie die geldpolitische Reaktion aussehe, könne Draghi noch nicht sagen, dass hänge davon ab, ob die konjunkturelle Schwäche nur temporär sei oder länger anhielte. Auf die Frage, wie er zu den Zinsmärkten stehe, die eine erste Zinsanhebung erst im Frühjahr 2020 sehen, sagte er, dass die Märkte die EZB sehr gut verstanden hätten. Nach diesen Worten könnte die EZB im März bei schwacher Datenlage entscheiden, neue Langfristtender einzuführen oder die Forward Guidance für die Zinsen nach hinten zu verschieben. Im Laufe der Pressekonferenz konnte sich der Euro wieder erholen, der wegen der enttäuschenden Einkaufsmanagerindizes im Euroraum im Januar, die am Vormittag gemeldet wurden, nachgab. Die Bundrenditen gingen gestern jedoch deutlich zurück.
Anleihen
Deutschland: Ifo-Geschäftsklimaindex (Jan), 10:00 Uhr
Die Kurse am Rentenmarkt – insbesondere von deutschen Staatsanleihen – stiegen gestern an. Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen sanken dementsprechend deutlich von 0,23% auf teilweise unter 0,18%. Die Anleihen profitierten von schwachen Stimmungsindikatoren der europäischen Einkaufsmanager. So fiel der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor, der als zuverlässigstes Konjunkturbarometer für den Euroraum gilt, im Januar um weitere 0,4 Punkte auf 50,8 (Konsens: 51,5). Ausschlaggebend hierfür war der starke Rückgang des französischen Index, der um 1,5 Punkte auf 47,5 sank. Hier half auch nicht, dass die Stimmung unter den deutschen Dienstleistern ordentlich von 51,8 auf 53,1 Punkte anstieg. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe im Euroraum gab sogar um 0,9 Punkte auf 50,5 Punkte nach. Hier rutschte das deutsche produzierende Gewerbe unter die Expansionsschwelle (49,9 nach 51,5 Punkten). Die anhaltenden Schwierigkeiten im Automobilsektor, Sorgen wegen des Brexit, Handelsstreitigkeiten und die Proteste in Frankreich dürften im Januar erneut die Konjunktur gebremst haben. Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass die Wirtschaft des Euroraums nicht auf dem Weg in eine Rezession ist. Vor allem die jüngsten Maßnahmen in China zur Stützung der heimischen Wirtschaft sollten mittelfristig den europäischen Export beflügeln. Zudem normalisiert sich die deutsche Autoproduktion allmählich. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht größere Risiken für das Wirtschaftswachstum im Euroraum. EZB-Präsident Draghi sagte nach der Sitzung des EZB-Rats, dass die Unsicherheit über die künftige wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum gestiegen sei (siehe „Im Blickpunkt“). Weiter robust entwickelt sich der US-Arbeitsmarkt: In der vergangenen Woche ist die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren gefallen.
Aktien
Ericsson, Jahresergebnis
Die europäischen Aktienmärkte tendierten am gestrigen Handelstag uneinheitlich, wobei die Indexgewinne aber überwogen. Tagesgewinner war der italienische Leitindex mit einem Plus von 0,9%. Im Fokus des Interesses stand vor allem die Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank. Ihr Chef Draghi sagte u.a., dass die jüngsten Wirtschaftsdaten schwächer als erwartet ausgefallen seien, woraufhin der Euro gegenüber dem US-Dollar nachmittags spürbar abwertete. Zudem bestätigte er die unverändert expansive Geldpolitik. Fallende Zinsen (die 10jährige Rendite für die deutsche Staatsanleihe sank gestern erneut unter die Marke von 0,2%) wirkten sich zusammen mit den Äußerungen des EZB-Chefs vor allem negativ auf Bankaktien aus, wie man gestern sehr schön am Kursverlauf der Deutschen Bank-Aktie (-1,9%) ablesen konnte. Diese brach zum Zeitpunkt der EZB-Pressekonferenz spürbar ein, erholte sich dann aber wieder etwas. Tagesverlierer im Dax war aber die Notierung von Henkel, die nach einer abermaligen Votenherabstufung durch einen Broker um weitere 3,2% einbrach und seit Anfang des Jahres schon 12,5% an Wert verloren hat (zum Vergleich: Dax +5,4%; Wirecard als bester Dax-Einzelwert: +25,1%). Tagesgewinner im Dax war die Aktie von Infineon (+6,4%), nachdem Halbleiter-Firmen aus Übersee gute Quartalszahlen präsentiert hatten. In der zweiten Reihe legte die Aktie von Osram nach Vorlage von Geschäftszahlen eine imposante Kehrtwende hin und gewann 2,6% (Intraday: +6,8%). Auf europäischer Sektorenebene zählten IT-Werte (+2,2%) zu den größten Gewinnern. Telekomaktien büßten als Tagesverlierer im Schnitt 0,9% ein. Die US-Börsen tendierten uneinheitlich. Der Dow Jones-Index verlor 0,1%. Auf Sektorenebene waren v.a. IT-Werte (+0,9%) gefragt (Tagesverlierer: Verbrauchsgüteraktien -1,3%). Die Börsen in Asien tendierten zum Wochenschluss überwiegend freundlich.