EZB traut der Nachhaltigkeit des Preisauftriebs nicht - Commerzbank-Kolumne

Neue Maßnahmen hatte nach der im Dezember beschlossenen Verlängerung des Anleihekaufprogramms ohnehin niemand von der gestrigen EZB-Ratssitzung erwartet. Vielmehr ging es darum, einen Eindruck davon zu gewinnen, wie die seither bekanntgewordenen Konjunktur- und Inflationsdaten ins Denken und Wägen des EZB-Rates eingeflossen sind. Der EZB-Chef zeigte sich erfreut über die verbesserten und positiv überraschenden Konjunkturdaten. Er wertet sie zu einem guten Teil als Erfolg der von der EZB seit Mitte 2014 eingeleiteten ultraexpansiven Geldpolitik; auch seien die Wachstumsunterschiede zwischen den Teilnehmerländern kleiner geworden. Unter dem Strich sieht die EZB indes für den Ausblick unverändert mehr Abwärts- als Aufwärtsrisiken.
Die Aussagekraft der jüngsten Inflationsbeschleunigung spielte der EZB-Chef so gut es ging herunter. Berechtigterweise verwies er auf den ölpreisbedingten Basiseffekt, durch den die EZB „hindurchzuschauen“ beschlossen habe. Bislang gehe man davon aus, daraus keine „Zweitrundeneffekte“ erwüchsen und die Kernrate (Inflationsrate ohne Berücksichtigung von Energie- und Nahrungsmittelpreisen) weiter auf der Stelle trete. Vom Inflationsziel von knapp 2% sei man daher noch weit entfernt; noch sei nicht zu sehen, dass dieses ohne anhaltende geldpolitische Akkommodierung dauerhaft zu erreichen sei. Als die Inflationsrate freilich ölpreisbedingt am Sinken war, fürchtete die EZB Zweitrundeneffekte – und lockerte weiter. Aber wenigstens sieht sie jetzt die Deflationsrisiken so gut wie gebannt. Was heißt das für den Ausblick? Die EZB hat nach Kräften argumentativen Flankenschutz für ein planmäßiges Durchziehen der Anleihekäufe geliefert, von dem wir auch ausgehen. Bemerkenswert kurz war Draghis Antwort auf die Frage, wie wohl manche Eurostaaten ohne die Anleihekäufe der EZB zurechtkämen.
Zinsen und Anleihen
Großbritannien: Einzelhandelsumsatz (Dez), 10:30 Uhr
Am Rentenmarkt setzte sich der Renditeanstieg fort. Den durch die Äußerungen von Fed-Chefin Yellen ausgelösten massiven Anstieg der US-Treasury-Renditen (gestern in der Spitze bei 2,49%) folgten auch die Renditen im Euroraum. Die zehnjährige Bundesanleihe verzinste sich in der Spitze bei 0,40% – so hoch wie zuletzt im Januar 2016. Unterstützend wirkte gestern hier zum einen die EZB: In der Pressekonferenz nach der Notenbanksitzung erklärte EZB-Chef Mario Draghi, dass es wiederum keinerlei Diskussion um ein Zurückführen des Anleihekaufprogramms („Tapering“) gegeben habe. Das Gremium werde sich erst zum gegebenen Zeitpunkt mit diesem Thema auseinandersetzen, aber aktuell sei der Moment noch nicht gekommen (siehe auch „Im Blickpunkt“). Zum anderen überraschten eine Reihe sehr positiver Wirtschaftsdaten aus den USA: So sank die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der letzten Woche auf 234.000 Anträge und erreichte damit fast das 40-Jahres-Tief vom November letzten Jahres (233.000). Die Zahl der Baubeginne stieg im Dezember gegenüber dem Vormonat um 11,3% auf annualisiert 1,226 Mio. Einheiten. Enttäuscht haben aber die Baugenehmigungen; sie fielen im Monatsvergleich um 0,2% auf annualisiert 1,21 Mio. Einheiten. Positiv wiederum entwickelte sich das Geschäftsklima in der Region Philadelphia; hier stieg der sogenannte „Philly-Fed-Index“ auf den höchsten Stand seit 2014. In China ist das BIP im vierten Quartal 2016 um 6,8% J/J angestiegen und damit etwas mehr als erwartet. Im Gesamtjahr 2016 lag das Wachstum demnach bei 6,7%. Chinas Wirtschaft steht aktuell vor großen Herausforderungen: Eine hohe Abhängigkeit von der staatlichen Nachfrage, hohe Schulden, ein schwacher Außenhandel sowie drohende Handelsstreitigkeiten mit den USA.
Aktien
General Electric, Ergebnis Q4
Schlumberger, Ergebnis Q4
Am gestrigen Handelstag bröckelten die Kurse nach einem recht freundlichen Start rasch ab und tendierten zum Mittag und schließlich auch zum Handelsschluss weitgehend leicht im Minus. Die uneinheitlichen Vorgaben aus Asien reichten nicht aus, um die Märkte weiter zu beflügeln. Vor der Sitzung der Europäischen Zentralbank herrschte eine abwartende Haltung vor, wobei die Mehrheit der Marktteilnehmer nicht mit substanziellen Änderungen der EZB-Politik rechnete, was dann auch der Fall war. Die Aussagen von Fed-Chefin Janet Yellen zum unverändert robusten Zustand der US-Konjunktur sowie zur Absicht, den US-Leitzins einige Male im Jahr 2017 anzuheben, festigte den US-Dollar und schwächte den Euro. In diesem Umfeld notierte der Dax nahezu unverändert. Bankaktien wie die Commerzbank (+4,3%) und die Deutsche Bank (+0,8%) profitierten u.a. von der deutlich gestiegenen Rendite für die 10-jährige Bundesanleihe. Während die Aktie von SAP (+0,5%) von einer Heraufstufung durch einen Broker profitierte, büßte die Notierung von ThyssenKrupp nach einer Votenherabstufung rd. 1,6% an Wert ein. In der zweiten Reihe litt auch Aurubis (-3,7%) unter einem skeptischen Analystenkommentar. Auf europäischer Sektorebene erzielte gestern der Bereich Einzelhandel (+0,9%) den größten Gewinn. Am Ende der Performancerangliste notierten Aktien aus dem Sektor Immobilien (-1,6%), die u.a. unter den steigenden Zinsen litten. Die US-Börsen tendierten leichter. Der Dow Jones-Index verlor 0,4%. Die Aktie von Netflix gewann nach Vorlage von Geschäftszahlen rd. 3,9%. Auf Sektorebene (S&P 500) standen v.a. Werte aus dem Bereich Industrie (+0,6%) ganz oben auf der Kaufliste. Tagesverlierer waren hingegen Aktien aus dem Sektor Immobilien, die im Schnitt 1% verloren. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich. Der Nikkei 225-Index gewann 0,3%.