Weshalb die Börse nicht immer effizient ist und wie man als Anleger davon profitieren kann - ARTS Kolumne
Die Frage, ob aktives Investieren dem passiven Investieren überlegen ist, beherrscht seit Jahren die Diskussion in der Finanzbranche. Anhänger des passiven Investierens halten den aktiven Fondsmanagern vor, dass diese es nur selten schaffen, die Benchmark ihrer Fonds zu schlagen. Jedoch machen aktive Fonds noch immer den Großteil des verwalteten Vermögens weltweit aus. Sie stehen also weiter in der Gunst der Anleger.
Börseneinbrüche, wie wir ihn dieses Jahr erlebt haben, offenbaren die Achillesverse des passiven Investierens. Denn ein ETF kann sich nur so gut oder schlecht entwickeln wie der Markt. Wer sein Geld in ETFs investiert hat, muss womöglich lange Durststrecken verkraften, bis der jeweilige ETF den Verlust durch den Börsencrash wieder eingeholt hat. So hat der EuroStoxx50-Index im Jahr 2000 nach dem Platzen der Dotcom-Blase 67 Prozent an Wert eingebüßt, aber auch 20 Jahre später den Einbruch noch nicht wieder vollständig aufgeholt.
Die Theorie der effizienten Märkte
Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Eugene F. Fama veröffentlichte im Jahr 1970 seine Markteffizienzhypothese, laut derer die Börse einem effizienten Markt sehr nahe kommt, da diese transparent ist und Informationen in Sekundenschnelle in den Preisen verarbeitet werden. Dabei kann es sich bei den Informationen um Vergangenheitsdaten, öffentliche Informationen oder sogar Insiderinformationen handeln. Gemäß dieser Theorie sind Überrenditen durch aktives Fondsmanagement nicht zu erreichen, da niemand schlauer sein kann als der Markt.
Der irrationale Anleger
Der Forschungszweig der Behavioral Finance hat die Theorie der effizienten Märkte und die Vorstellung vom Homo Oeconomicus ins Wanken gebracht. So wird vor allem die Grundannahme angezweifelt, dass Menschen Informationen vollkommen rational wahrnehmen und verarbeiten. Vielmehr wurde durch die Verhaltensökonomie aufgezeigt, dass der menschliche Anleger systematischen Fehlurteilen unterliegt. Zum Beispiel führt der Herdentrieb dazu, dass Anleger sich am Verhalten von anderen Anlegern oder Finanzexperten orientieren, was dann zu Unter- oder Überbewertungen an den Aktienmärkten führen kann. Die selektive Wahrnehmung führt wiederum dazu, dass wir Informationen individuell auffassen: Diejenigen Informationen, die zur bestehenden Meinung passen, werden am ehesten berücksichtigt.
Aktives Momentum-Trading: Marktanomalie von kurzfristigen Trends ausnutzen
Mit ihrer Forschungsarbeit „Returns to Buying Winners and Selling Losers: Implications for Stock Market Efficiency“ von 1993 haben Narasimhan Jegadeesh und Sheridan Titman den Momentum-Effekt nachgewiesen. Dieser besteht darin, dass Aktien, die in der Vergangenheit am stärksten gestiegen sind, die Tendenz dazu haben, auch in der nahen Zukunft in einem Zeitfenster von drei bis 12 Monaten weiterhin zu steigen. Ein Erklärungsansatz der Forscher ist, dass die Marktteilnehmer auf langfristige Unternehmensnachrichten stärker reagieren als auf kurzfristige Nachrichten wie Gewinnprognosen.
Weder Märkte noch menschlicher Fondsmanager sind rational
Der Momentum-Effekt wurde durch weitere Forscher zusätzlich empirisch belegt. Dabei erklärt die Behavioral Finance diese Marktanomalie mit einer Unter- oder Überreaktion der Marktteilnehmer, die wiederum psychologische Ursachen haben sollen. Bei der Unterreaktion reagieren die Marktteilnehmer verzögert auf geänderte Fundamentaldaten der Unternehmen, was einen längeren Anpassungsprozess und Trend an den Märkten auslöst. Eine mögliche psychologische Erklärung für diese Marktanomalie ist der Dispositionseffekt: Dieser beschreibt die Neigung der Anleger, an im Wert gestiegenen Aktien zu kurz und an Aktien mit Wertverlust zu lange festzuhalten. Der Dispositionseffekt ist wiederum der Verlustaversion der Anleger zuzuschreiben, die Verluste doppelt so stark empfinden wie einen Gewinn. Die Überreaktion an den Märkten, das heißt der überzogene Kauf oder Verkauf von Aktien in Relation zu den tatsächlichen Fundamentaldaten, wird wiederum unter anderem durch die Overconfidence Bias erklärt, bei der Anleger ihre eigenen Fähigkeiten als Anleger überschätzen.
Die empirische Wirtschaftsforschung hat mit der Behavioral Finance aufgezeigt, warum Märkte nicht effizient sind, was auf eine nicht vollkommen rationale Informationsverarbeitung der Marktteilnehmer zurückzuführen ist. Durch die Momentum-Strategie können Anleger kurz- bis mittelfristige Preistrends und damit die besten temporären Einstiegsmöglichkeiten an der Börse identifizieren. Infolge des quantitativen Ansatzes werden Emotionen bei der Geldanlage ausgeschlossen. Dies unterscheidet den quantitativen Momentum-Strategen auch vom aktiven Fundamental-orientierten Fondsmanager: Während letzterer ebenfalls kognitiven Verzerrungen anheimfällt und nur einen begrenzten Teil des Marktes im Blick hat, orientiert sich der Momentum-Stratege allein an den Kursbewegungen der Märkte. Im Falle eines Börsencrashs kann der Momentum-Stratege durch eine flexible Aktienquote das Portfolio systematisch absichern.
Zum Autor: Leo Willert ist Gründer und Head of Trading bei ARTS Asset Management.