EZB öffnet Geldschleusen: Mit der Bazooka gegen die Unsicherheit - Nord LB Kolumne
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer heutigen Sitzung wie erwartet ein neues, umfangreiches Stimuluspaket beschlossen. So wurde der Einlagesatz um 10 Basispunkte auf das neue Rekordtief von -0,50% gesenkt. Der Hauptrefinanzierungssatz und der Zins für die Spitzenrefinanzierungsfazilität blieben mit 0,00% bzw. 0,25% unverändert. Zur Abmilderung der direkten negativen Effekte für Banken wurde ein zweistufiges Einlagesatzsystem beschlossen. Demnach wird ein Teil der Überschussliquidität zukünftig von dem Strafzins freigestellt. Erwartungsgemäß wurde auch die Attraktivität der TLTRO III-Geschäfte (Laufzeit, Konditionen, Kündbarkeit) erhöht.
Zudem hat der Rat eine Wiederaufnahme von Nettoankäufen von Vermögenswerten im Volumen von monatlich EUR 20 Mrd. ab November beschlossen. Dieses relativ moderate Ankauftempo wird allerdings dadurch relativiert, dass die Ankäufe so lang wie notwendig laufen und erst kurz vor der ersten Zinserhöhung eingestellt werden. Dies hat schon fast Ewigkeitscharakter und etabliert Assetankäufe endgültig als Standardinstrument der europäischen Geldpolitik. Trotz der geringen anfänglichen Ankaufsumme darf die expansive Wirkung daher nicht unterschätzt werden.
Weitreichend waren zudem die parallel beschlossenen Änderungen der Forward Guidance zu den Leitzinsen. Zur zukünftigen Entwicklung der Leitzinsen wird nun nicht mehr explizit ein Datum als Orientierungsgröße genannt. Der EZB-Rat erwartet vielmehr, dass die Leitzinsen auf dem gegenwärtigen oder einem niedrigeren Niveau verharren, bis sich der Inflationsausblick nachhaltig in Richtung des EZB-Zielwertes von unter aber nahe 2% verbessert. Die Forward Guidance ist somit eine wichtige Ergänzung der Beschlüsse zu Leitzinsen und APP.
Im Vorfeld hatten sich mehrere Ratsmitglieder gegen eine Neuauflage des QE-Programms ausgesprochen. Dennoch spiegele laut Draghi der APP-Beschluss einen „breiten Konsens“ im Rat, was angesichts der strukturellen Mehrheit der geldpolitischen Tauben im Rat wenig überrascht. Die Projektionen für Wachstum und Inflation der Eurozone wurde teils deutlich für die nächsten Jahre gesenkt. Draghi sieht noch keine Rezession, die Gefahr habe zuletzt aber zugenommen.
Mit den heutigen Beschlüssen hat sich die Fraktion der Tauben auf ganzer Linie durchgesetzt. Mit der deutlich expansiveren Ausrichtung der EZB-Geldpolitik steigt aber auch die Gefahr, dass die Eurozone ins Visier von US-Präsident Donald Trump gerät. So kritisierte dieser kurz nach den Beschlüssen via Twitter, die EZB schwäche bewusst den Euro zum US-Dollar – übrigens der gleiche Präsident, der zuvor von der Fed eine Zinssenkung auf 0,00% gefordert hatte.
Die heutigen Maßnahmen sind nicht unbedingt der letzte Schuss der EZB – wir erwarten mindestens eine weitere Senkung des Einlagesatzes auf -0,60%. Allerdings machte Draghi deutlich, dass nun endgültig der Ball im Feld der Fiskalpolitik liege. Ohne eine entsprechende Kehrtwende der Fiskalpolitik wird der realwirtschaftliche Effekt begrenzt bleiben und das extreme Niedrigzinsniveau auf Jahre zementiert werden. Die negativen Nebeneffekte der Negativzinsen werden sich weiter verstärken und früher oder später wirtschaftspolitische Reaktionen provozieren.
Fazit: Die EZB hat auf ihrer heutigen Ratssitzung ein umfangreiches Stimuluspaket aus Einlagezinssenkung, TLTRO III, Forward Guidance und Ankaufprogramm beschlossen. Die Währungshüter stemmen sich mit der Bazooka gegen die anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten, was auch in den nochmal gesenkten Projektionen zum Ausdruck kommt. Aus ökonomischer Sicht bekommen die Einzelinstrumente vor allem in Kombination mit der Stärkung der Forward Guidance mehr Gewicht. Dennoch stößt die Geldpolitik an ihre Grenzen und spielt daher zurecht den Ball ins Feld der Fiskalpolitik. Ohne ein Wachstumsprogramm bleibt jede Kritik aus der Politik an der EZB wohlfeil.