Christine Lagarde soll EZB-Präsidentin werden - VP Bank Kolumne
Der Job-Poker fand gestern ein überraschendes Ende. Ursula von der Leyen soll neue EU-Kommissionspräsidentin werden. Im Gegenzug wird die Europäische Zentralbank (EZB) zukünftig von der derzeitigen Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde geführt. Diese Personalkonstellation ist vorbehaltlich einer Bestätigung Ursula von der Leyens durch das EU-Parlament. Eine Zustimmung der Abgeordneten ist bislang nicht gesichert und das Brüsseler Schachspiel deshalb noch nicht in trockenen Tüchern.
Was wäre nun aber von einer Christine Lagarde als zukünftige Vorsitzende der EZB zu halten? Die derzeitige IWF-Chefin hat einen reichen Erfahrungsschatz. Auf internationalem Parket weiss sich die Juristen bestens zu bewegen. Wirtschafts- und finanzpolitische Fragen sind ihr vertraut. Allerdings ist Christine Lagarde auch ehemalige Politikerin und damit stellt sich berechtigter Weise die Frage nach der Unabhängigkeit der EZB. Die Französin war in ihrem Land unter anderem vier Jahre Ministerin für Wirtschaft und Finanzen. Während ihrer Amtszeit wurde ein Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet. Wie unabhängig sie zukünftig gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten handeln wird, bleibt abzuwarten. Die EZB hat bereits unter Mario Draghi ihr geldpolitisches Mandat de facto weit überschritten. Mit einem gut gefüllten Speicher an Staatsanleihen übernimmt eine vormalige Politikerin nun das Ruder. Ohne Böses unterstellen zu wollen, aber allein der Lebenslauf von Christine Lagarde spräche gegen eine Nominierung als Vorsitzende einer Notenbank.
Die Frage nach der politischen Unabhängigkeit der grossen Notenbanken stellt sich gerade in diesen Tagen vehement. In den USA wettert Donald Trump in Regelmässigkeit gegen den Notenbankpräsidenten Jerome Powell. Das Weisse Haus hat laut Medienberichten gar die rechtliche Möglichkeit für eine Absetzung von Powell geprüft. In Europa kommt derweil eine ehemalige Politikerin zum Handkuss für den EZB-Chefposten. Diese Personalpolitik löst bei Volkswirten ein dumpfes Gefühl in der Magengegend aus. Schön wäre, wenn ausgewiesene Geldpolitiker auf den Chefsesseln der Notenbanken sitzen würden. Aber vermutlich ist das mittlerweile eine romantische Vorstellung.