ZEW-Umfrage: Erwartete Zinswende verleiht Flügel - Nord LB
Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland haben im März nach bereits kontinuierlichen Zuwächsen in den letzten Monaten einen überraschenden Hochsprung hingelegt, womit der Index von 19,9 Punkten im Februar mit nunmehr 31,7 auf den höchsten Stand seit zwei Jahren gesprungen ist. Im Euroraum präsentieren sich die Geschäftserwartungen mit sechs Monaten Perspektive ebenfalls deutlich freundlicher. Die aus Sicht der befragten Finanzmarktexperten kaum verändert schwache Lagebeurteilung in der deutschen Wirtschaft relativiert die Daten hingegen ein wenig, mit -80,5 Punkten verharrt sie mehr oder weniger auf einem der niedrigsten Stände seit Mitte 2020.
Im Vorfeld befragte Ökonomen hatten den aktuellen Ergebnissen der ZEW-Umfrage deutlich weniger Dynamik zugetraut. Das Stimmungsbild wichtiger monatlich berichteter Stimmungsindikatoren hatte vorab auch konträre Indikationen geliefert. Mit Vorlaufeigenschaften für den ZEW-Index hatte der Sentix bereits zu Märzbeginn eine Stimmungseintrübung sowohl in der Lage- als auch Erwartungskomponente geliefert. Der ifo-Index hingegen präsentierte sich im Februar zwar wieder etwas freundlicher, womit jedoch der überraschend deutliche Rücksetzer im Januar nur teilweise kompensiert wurde.
Vielmehr liefert seit einiger Zeit eindeutig eine andere Entwicklung die größten Erklärungsanteile: Die seit Mitte 2023 zu verzeichnende Erholungsdynamik in der Erwartungskomponente wird vor allem von episodenhaft offensiven Erwartungen an Zinssenkungen der beiden wichtigsten Notenbanken getrieben. Die Signale von der letzten turnusmäßigen EZB-Sitzung, wonach den derzeitigen Markterwartungen hinsichtlich Zinssenkungen ab Juni mittlerweile offenbar ein gewisses Maß an Realismus abgewonnen werden konnte, lösten offenbar eine regelrechte Schubwirkung bei der aktuellen ZEW-Umfrage aus. Mit Blick auf die hingegen anhaltend schwache Entwicklung der Lagebewertung lassen sich seit Mitte 2023 zunehmende Entkoppelungstendenzen von den Erwartungen beobachten, die auf der Interpretationsebene für einen Aufschub der wirtschaftlichen Erholung vor allem ins kommende Jahr spiegeln.
Ein tiefergehender Blick auf die Details der Umfrageergebnisse zeigt, dass als positive Faktoren vor allem optimistischere Aussichten für zinssensitive Sektoren wie die Bauwirtschaft eingehen. Zudem erwarten mittlerweile mehr als 80% der Befragten Zinssenkungen innerhalb der nächsten sechs Monate im Euroraum und von der US-Notenbank. Aber auch gestiegene Konjunkturerwartungen an China und die USA haben sich positiv auf die Stimmung im Exportsektor ausgewirkt.
Die EZB hat auf ihrer März-Sitzung die Leitzinsen erwartungsgemäß nicht angepasst. Die vierteljährlichen Projektionen hingegen wurden um das vorab insgesamt erwartete Maß nach unten revidiert, die Inflationsprogose sogar recht deutlich. Außerdem wurde mit der seit Beginn des Zinserhöhungszyklus explizit erstmaligen Befassung des Rates mit einer Rücknahme der restriktiven Ausrichtung der Weg für die kommenden Sitzungen vorgezeichnet. Die EZB will zunächst noch wichtige Lohndaten im April abwarten – ab Jahresmitte öffnen sich dann Zeitfenster für eine graduelle Rückführung der Leitzinsen.
Fazit
Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland haben im März nach bereits kontinuierlichen Zuwächsen in den letzten Monaten einen überraschenden Hochsprung hingelegt, womit der Index von 19,9 Punkten im Februar mit nunmehr 31,7 auf den höchsten Stand seit zwei Jahren gesprungen ist. Für den Euroraum haben die Erwartungen ebenfalls kräftig zugelegt. Besonders deutlich haben sich in den aktuellen Daten erneut die Zinssenkungserwartungen der Befragten niedergeschlagen. Die Signale von der letzten turnusmäßigen EZB-Sitzung, wonach den derzeitigen Markterwartungen hinsichtlich Zinssenkungen ab Juni mittlerweile offenbar ein gewisses Maß an Realismus abgewonnen werden konnte, hat die Erwartungskomponente in dieser Befragungsrunde sichtlich beflügelt. Mehr als 80% der Befragten gehen nunmehr von Leitzinssenkungen im Euroraum und den USA innerhalb der nächsten sechs Monate aus!
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