Großbritannien: Robuste Wirtschaft macht den Weg für Zinsschritt frei - Nord LB Kolumne
Das Office for National Statistics (ONS) in London hat soeben erste Vorausschätzungen zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Vereinigten Königreich im zurückliegenden III. Quartal veröffentlicht. Demnach hat sich die britische Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorquartal preis- und saisonbereinigt um 0,4% Q/Q ausgeweitet, das Vorjahresniveau wurde um 1,5% Y/Y übertroffen. Nach der im ersten Halbjahr recht schwachen Wachstumsdynamik sind dies erstaunlich robuste Zahlen zur wirtschaftlichen Verfassung des Inselreichs im Vorfeld des Austritts aus der Europäischen Union.
Die ersten noch sehr vorläufigen Berechnungen des Londoner Statistikamtes weisen stets nur eine hochaggregierte entstehungsseitige Aufgliederung aus. Aus dieser Perspektive wurde das Wirtschaftswachstum wie schon im Vorquartal von einer Ausweitung der Aktivitäten in den Dienstleistungssektoren gestützt. Auch die Industrieproduktion (+1,0% Q/Q) trug maßgeblich zum Anstieg des Bruttoinlandsprodukts bei. Das ist zweifellos eine gute Nachricht. In der Bauwirtschaft verringerte sich die Wertschöpfung hingegen gegenüber der Vorperiode um -0,7% Q/Q, nachdem hier schon im II. Quartal ein Rückgang um -0,5% Q/Q vermeldet wurde.
Diese ersten Vorausschätzungen sind üblicherweise recht revisionsanfällig. Zum jetzigen Zeitpunkt der heutigen Erstveröffentlichung hat das ONS noch nicht einmal die Hälfte der für die Berechnungen eigentlich benötigten Daten beisammen. Es bleibt also abzuwarten, wie sich das Konjunkturbild präsentiert, wenn weitere Informationen vorliegen. Für den Moment lässt sich aber schon feststellen, dass sich die britische Wirtschaft in einem Umfeld von politischer Orientierungslosigkeit, stockenden Brexit-Verhandlungen, einem schwachen Pfund und hohen Inflationsraten als überaus widerstandsfähig erwiesen hat.
Wir bleiben dennoch skeptisch mit Blick auf die weiteren Perspektiven. Die enormen Unsicherheiten über den Verlauf der Brexit-Verhandlungen, in denen die britische Delegation konzeptlos agiert, lasten auf der wirtschaftlichen Aktivität. Hinzu kommt, dass die real verfügbaren Haushaltseinkommen – und damit der private Verbrauch – von den hohen Inflationsraten regelrecht eingeschnürt werden.
Die Bank of England hatte in ihrer Erklärung nach der letzten Sitzung des Monetary Policy Committee darauf hingewiesen, dass eine Straffung der Geldpolitik gerechtfertigt sein könne, sofern sich die Wirtschaft so wie in den im August vorgestellten Projektionen entwickelt. Die Notenbank wird am „Super Thursday“ nächster Woche einen aktualisierten Inflation Report vorstellen und über ihre geldpolitische Strategie entscheiden. Die heutigen Zahlen machen den Weg frei für eine Anhebung der Bank Rate um 25 Basispunkte. Die erste geldpolitische Straffung seit ziemlich genau zehn Jahren soll einer weiteren Abwertung des Pfund und einem noch stärkeren Überschießen der Inflationsraten entgegenstehen. Ob das gelingt, mag fraglich bleiben. Die gegenwärtig noch recht robuste wirtschaftliche Verfassung lässt eine Leitzinsanhebung aber immerhin zu.
Fazit: Nach vorläufigen Berechnungen konnte die britische Wirtschaftsleistung im III. Quartal um 0,4% Q/Q zulegen. Damit hat sich die britische Wirtschaft in einem Umfeld von politischer Orientierungslosigkeit, stockenden Brexit-Verhandlungen, einem schwachen Pfund und hohen Inflationsraten als überaus widerstandsfähig erwiesen. Die heutigen Zahlen machen den Weg frei für eine Leitzinsanhebung der Bank of England um 25 Basispunkte am kommenden Donnerstag. Die erste geldpolitische Straffung seit zehn Jahren soll einer weiteren Abwertung des Pfund und einem noch stärkeren Überschießen der Inflationsraten entgegenstehen. Ob das gelingt, mag fraglich bleiben. Die gegenwärtig noch recht robuste wirtschaftliche Verfassung lässt diesen Schritt aber immerhin zu.