EZB-Ratssitzung – Ultragradueller Ausstieg aus ultraexpansiver Geldpolitik - Commerzbank-Kolumne
Große Überraschungen gab es bei der gestrigen EZB-Ratssitzung keine. Vielmehr nahm die EZB graduelle Änderungen in ihrer Botschaft vor, auf die sie die Märkte schon seit Wochen vorbereitet hatte. So sieht die EZB die Konjunkturrisiken jetzt nicht mehr „abwärtsgerichtet”, sondern „weitgehend ausgewogen”. Der Strom unerwartet günstiger Konjunkturdaten seit Jahresanfang ließ der EZB praktisch keine Wahl, das Offensichtliche zu konzedieren, das auch in einer moderaten Aufwärtsrevision ihrer BIP-Projektionen für dieses und die beiden nächsten Jahre um je 0,1%-Punkte Niederschlag fand. Eine Veränderung gab es auch bei der „Forward Guidance„ zur Zinspolitik. Die EZB rechnet jetzt „nur„ noch mit einer langen Phase unveränderter Leitzinsen; bislang hatte sie von „unveränderten oder niedrigeren Leitzinsen„ gesprochen. Sie begründete diese Änderung mit dem gesunkenen Restrisiko einer Deflation. Doch ist die EZB weiterhin mit der Inflationsentwicklung unzufrieden; am Gesamtbefund habe sich materiell kaum etwas verändert, so der EZB-Chef. Die Inflationsrate nähert sich dem EZB-Ziel von „unter, aber nahe 2%” zu langsam und die Abwärtskorrektur der Inflationsprojektion von 1,7% auf 1,5% (2017) und 1,6% auf 1,3% (2018) nimmt die EZB als Rechtfertigung, den monetären Stimulus unvermindert beizubehalten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die EZB weiterhin Bereitschaft signalisiert, die Anleihekäufe nochmals aufzustocken oder zu verlängern, falls sich die Inflation langsamer als erwartet auf den Zielwert zubewegt. Als Fazit drängt sich auf: Der Ausstieg aus der ultraexpansiven EZB-Geldpolitik wird ultragraduell verlaufen. In 2018 wird die EZB die Anleihekäufe schrittweise zurückfahren und erst in 2019 steht eine Leitzinsanhebung zur Debatte.
Zinsen und Anleihen
Deutschland: Exporte (April), 8:00 Uhr
Frankreich: Industrieproduktion (April), 8:45 Uhr
Großbritannien: Industrieproduktion (April), 10:30 Uhr
In Großbritannien haben die Konservativen unter der Führung von Theresa May die absolute Mehrheit und damit den gewünschten Rückhalt für ihre Politik verloren. Das Regieren wird für May jetzt schwieriger. Das Pfund verlor 2%. Trotz der überwiegend guten Konjunkturdaten behält die Europäische Zentralbank ihren Kurs bei. Eine Zinswende ist unverändert in weiter Ferne. Die Notenbank hat ihre Wachstumsprojektionen für die nächsten drei Jahre zwar leicht – um jeweils ein Zehntel – angehoben, zugleich aber die Inflationsprojektionen gesenkt (vgl. „Im Blickpunkt“). Am Rentenmarkt führte die Haltung der EZB zu einem Rückgang der Renditen für Bundesanleihen. Besonders deutlich fielen die Renditen für italienische Staatsanleihen. Hier sorgten Meldungen, nach denen die geplante Änderung des Wahlrechts keine Parlamentsmehrheit hat, für Aufatmen, da befürchtet wurde, dass im Fall von frühen Neuwahlen die europa- bzw. die marktfreundlichen Parteien keine Mehrheit erzielen würden. Nach unserer Ansicht wäre die Einführung eines Wahlrechts nach deutschem Vorbild aber ein Schritt in die richtige Richtung. Aus Deutschland wurden gute Konjunkturdaten gemeldet: Die Industrieproduktion stieg im April um 0,8% – stärker als von den Analysten erwartet wurde. Zudem wurden die Vormonatsdaten um 0,3 Prozentpunkte nach oben korrigiert. Auch der Zuwachs beim Export war mit +0,9% zum Vormonat stärker als erwartet. Deutsche Unternehmen profitieren weiterhin von der anziehenden globalen Nachfrage. Die realen Konjunkturdaten folgen mithin den Frühindikatoren, wie z.B. dem Ifo-Geschäftsklimaindex. Die am Mittwoch gemeldeten eher schwachen Auftragseingänge dürften daher den üblichen Schwankungen von Monat zu Monat geschuldet sein.
Aktien
Heute keine relevanten Unternehmenstermine
Die europäischen Aktienmärkte tendierten am gestrigen Handelstag uneinheitlich. Die Leitindizes wiesen eine deutliche Spreizung der Performance auf. Während der Leitindex in Italien um 1,5% zulegen konnte, verlor der SMI-Index in der Schweiz 0,7%. Insgesamt herrschte vor der Sitzung der Europäischen Zentralbank, deren Beschlüsse insgesamt keine signifikanten Auswirkungen auf die Märkte hatten sowie der bevorstehenden Wahl in Großbritannien eine eher abwartende Haltung vor. In diesem Umfeld gewann der Dax 0,3%. Tagesgewinner waren neben Versorgeraktien (Eon: +4,2%; RWE: +2,3%), die nach wie vor von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die Brennelementesteuer profitieren konnten, auch die Aktie von ThyssenKrupp mit einem satten Aufschlag von 3,6%. Unter Druck standen dagegen Automobilwerte. Insbesondere bei Volkswagen (-0,7%) setzte sich der jüngste Abwärtstrend fort. Auf europäischer Sektorenebene waren am gestrigen Handelstag insbesondere Werte aus der Rohstoffbranche gefragt, die im Schnitt um 1,2% zulegen konnten. Dagegen verloren Titel aus dem Sektor Nahrungsmittel & Getränke im Schnitt 1,6%.
Die Börsen in den USA tendierten nahezu unverändert. Die Anhörung von Ex-FBI-Chef James Comey in Bezug auf die sogenannte Russland-Affäre um Präsident Donald Trump hatte keine spürbaren Auswirkungen auf die Aktienmärkte. Auf Sektorenebene waren vor allem Finanzaktien gefragt, die im Schnitt um 1,1% zulegten. Dagegen wiesen Versorgeraktien durchschnittliche Verluste von 0,9% auf. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich. Der Nikkei 225-Index gewann v.a. aufgrund des etwas schwächeren Yen 0,5%. Die Wahl in Großbritannien, bei der keine Partei eine absolute Mehrheit im Parlament erringen konnte, hatte kaum Auswirkungen auf das Geschehen in Asien. Das britische Pfund büßte heute Morgen ggü. dem USD jedoch rd. 2% ein.