ZEW-Umfrage: Stabilisierung trotz brisanter geopolitischer Konstellation - Nord LB Kolumne
Soeben hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim die Ergebnisse seiner monatlichen Umfrage unter rund 350 Volkswirten, Analysten und Fondsmanagern veröffentlicht. Im aktuellen Berichtsmonat März konnten sich die Konjunkturerwartungen für Deutschland demnach auf 12,8 Saldenpunkte stabilisieren. Die Konjunkturerwartungen für die Eurozone legten etwas deutlicher auf 25,6 Punkte zu. Diese Stimmungsindikatoren richten sich auf die Situation in sechs Monaten und eröffnen von daher schon einen vorsichtigen Blick in die Zukunft. Der hat sich – bei aller Unsicherheit – durch die Brille der vom ZEW befragten Finanzmarktexperten betrachtet zumindest nicht weiter eingetrübt.
Die brisante geopolitische Konstellation (Trump, Brexit, rechtspopulistische, euroskeptische Strömungen bei den Wahlen in den Niederlanden sowie in Frankreich, Erdogan und einiges mehr) konnte der nun nicht gerade euphorischen, mindestens aber hartnäckigen Zuversicht der Volkswirte und Analysten damit offensichtlich kaum etwas anhaben. In den heutigen Daten kommt immerhin zum Ausdruck, dass eine – wenn auch nicht allzu große – Mehrheit der Finanzmarktexperten optimistisch in die Zukunft blickt. Die schon am Montag vergangener Woche veröffentlichten Stimmungsindikatoren von sentix sowie die robuste Aktienmarktverfassung hatten bereits in diese Richtung gedeutet.
Da sich die Erwartungen für die USA (von allerdings hohem Niveau aus) und für Großbritannien (seit dem Brexit-Votum im Stimmungstief) den Angaben des ZEW zufolge gleichzeitig aber weiter eingetrübt haben, mag folgende Interpretation gestattet sein: Der deutschen und europäischen Wirtschaft wird zugetraut, dass sie den u. a. von dort drohenden Widrigkeiten und Unwägbarkeiten standhält.
Die Beurteilung der gegenwärtigen Lage verbesserte sich noch einmal leicht auf 77,3 Punkte. Dieser sehr hohe Wert dokumentiert die große Zufriedenheit angesichts der in Deutschland hervorragenden Arbeitsmarktentwicklung und der vor allem deshalb auch regen Binnennachfrage.
Wir sehen uns mit heutigen den Zahlen in unserer Prognose eines recht kräftigen Wirtschaftswachstums im laufenden I. Quartal bestätigt. Auch mit Blick auf den weiteren Jahresverlauf bleiben wir – ebenso wie die vom ZEW befragten Experten – per saldo optimistisch. Neben Trump und Brexit wird viel davon abhängen, ob morgen in den Niederlanden und ab dem 23. April in Frankreich eine politische Dominanz rechtspopulistischer und europafeindlicher Kräfte verhindert werden kann. Die Konjunkturerwartungen für Frankreich haben sich in der heutigen Umfrage jedenfalls von zuvor -2,6 auf nun 9,0 Saldenpunkte merklich erholt. Wenn das nicht wenigstens ein Hoffnungsschimmer ist.
Fazit: Die vom ZEW erhobenen Konjunkturerwartungen für Deutschland und die Eurozone haben sich im März immerhin stabilisiert. Die brisante geopolitische Konstellation konnte der nicht gerade euphorischen, mindestens aber hartnäckigen Zuversicht der Volkswirte und Analysten damit kaum etwas anhaben. Der deutschen und europäischen Wirtschaft wird offenbar zugetraut, dass sie den Widrigkeiten und Unwägbarkeiten standhält. Neben Trump und Brexit wird für den weiteren Verlauf viel davon abhängen, ob morgen in den Niederlanden und ab dem 23. April in Frankreich eine politische Dominanz rechtspopulistischer und europafeindlicher Kräfte verhindert werden kann.