Euroland: Konjunkturaufschwung gewinnt zum Jahresende an Dynamik - Nord LB Kolumne
Vor wenigen Minuten hat die europäische Statistikbehörde Eurostat ihre erste Schätzung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone im IV. Quartal 2016 veröffentlicht. Demnach setzte sich der Konjunkturaufschwung wie erwartet fort. Das preis- und saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte um 0,5% im Vergleich zum Vorquartal zu. Dies entspricht den Erwartungen der Analysten. Im Gesamtjahr 2016 wuchs das BIP um 1,7%.
Bei den bereits bekannten Ergebnissen aus den Ländern sticht erneut Spanien heraus, das seinen dynamischen zyklischen Aufschwung (+0,7% Q/Q) fortgesetzt hat. Auch Österreichs Wirtschaft expandierte mit 0,6% Q/Q erneut sehr kräftig im Herbst. Ein solides Wachstum mit jeweils +0,4% zum Vorquartal wiesen auch Belgien und Frankreich aus. In Frankreich fasste die Wirtschaft nach zwei schwachen Quartalen wieder Tritt. Neben einer Wiederbelebung des privaten Konsums (+0,6% Q/Q) trugen auch Investitionen und der Außenbeitrag zum Wachstum bei.
Für Deutschland wird die erste Schätzung erst in 14 Tagen veröffentlicht. Wir prognostizieren eine spürbare Beschleunigung des Aufschwungs auf mindestens +0,5% Q/Q im Schlussquartal 2016. So ist neben dem starken Konsum diesmal wieder ein kräftiges Wachstumsplus von den Nettoexporten zu erwarten. Auch die Investitionen dürften im IV. Quartal einen positiven Beitrag geleistet haben. Vor allem die anziehende Industriedynamik mit stärker gefüllten Auftragsbüchern macht Hoffnung auf einen anhaltend dynamischen Konjunkturverlauf im Winterhalbjahr.
Der Arbeitsmarkt in Deutschland boomt vor diesem Hintergrund weiter, im Januar sank die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt um 26.000, die gesamtdeutsche Arbeitslosenquote in Abgrenzung der Bundesagentur für Arbeit unterschritt erstmals die Marke von 6,0%. Auch in der Eurozone setzt sich die kontinuierliche Verbesserung am Arbeitsmarkt fort. Nach ILO-Definition sank die Rate im Dezember auf 9,6% (Deutschland: 3,9%!), den niedrigsten Stand seit Mai 2009.
Der Konjunkturmotor in der Eurozone läuft rund, sowohl Brexit als auch die Wahl Trumps hatten kurzfristig keine messbaren negativen Auswirkungen. Für 2017 erwarten wir eine ähnlich dynamische Entwicklung wie im Vorjahr, bei allerdings erhöhten Risiken. So könnte insbesondere die Politik des neuen US-Präsidenten mittelfristig wie Sand im Getriebe wirken. Vor allem seine Angriffe auf den Freihandel könnten die globale Dynamik dämpfen und insbesondere das deutsche Wachstumsmodell in Schwierigkeiten bringen. Die Hoffnung liegt darauf, dass durch die viel beschworenen „checks and balances“ Trump bald in etwas gemäßigtere Bahnen gelenkt wird.
Für die EZB ergibt sich das Bild eines soliden Konjunkturaufschwungs. Eine zügige Abkehr von der expansiven Geldpolitik ist zwar unwahrscheinlich. Die Kerninflation ist mit 0,9% Y/Y extrem niedrig und trotz der guten Arbeitsmarktentwicklung ist keine beschleunigte Lohndynamik festzustellen. In einigen Ländern hat es im Januar aber einen überraschend kräftigen Schub für die Gesamtinflation gegeben, so dass eurolandweit mit 1,8% Y/Y das EZB-Ziel zumindest kurzfristig erreicht wird. Daher erwarten wir für die Phase nach den Wahlen in Frankreich den Beginn einer intensiven Debatte über eine sukzessive Verringerung des monetären Impulses.
Fazit: Der Konjunkturaufschwung in der Eurozone hat zum Jahresende 2016 an Dynamik gewonnen. Mit einer BIP-Wachstumsrate von 0,5% Q/Q erwies sich die europäische Wirtschaft robust gegenüber externen Einflüssen (Brexit, Wahl Trumps). Frankreichs und Deutschlands Wachstum haben sich im IV. Quartal spürbar erhöht. Die konjunkturelle Dynamik treibt jedoch noch nicht die Kerninflation an. Daher wird die EZB durch den aktuellen temporären Inflationsschub durchsehen wollen. Sollten sich die zweifelsfrei hohen politischen Risiken nicht materialisieren, steht der EZB aber Mitte des Jahres eine intensive Debatte über die allmähliche Rückführung der geldpolitischen Stimuli ins Haus.