Nord LB – Deutsche Industrieproduktion im Juni ohne Brexit-Effekt
Soeben hat das Statistische Bundesamt aktuelle Zahlen zur Entwicklung der Industrieproduktion veröffentlicht. Demnach kam es im Berichtsmonat Juni erwartungsgemäß zu einer Gegenbewegung nach den Maizahlen, die trotz leichter Aufwärtsrevision recht schwach ausgefallen waren. Die Industrieproduktion legte im Juni saisonbereinigt um 0,8% M/M zu, die Jahresrate kletterte zudem wieder leicht über die Nulllinie auf 0,5% Y/Y. Die Ergebnisse liegen weitgehend im Rahmen der Erwartungen der zuvor von Bloomberg befragten Analysten und Volkswirte.
Das Plus darf nicht überinterpretiert werden. Zum einen ist die Zeitreihe der Industrieproduktion ohnehin sehr volatil, Rückgänge und Zuwächse wechseln sich hier häufig ab. Zudem hat im Mai offenbar ein Brückentageeffekt in einigen Bereichen des Verarbeitenden Gewerbes dämpfend auf die Erzeugung gewirkt. Hierauf deutete u.a. der temporäre Einbruch der Fahrzeugproduktion im Berichtsmonat Mai hin. Insofern hat sich die Produktion im Juni wieder normalisiert.
Dieser Normalisierungseffekt spiegelt sich auch in den Zahlen der Hersteller von Investitionsgütern wider. Der Einbruch von -3,4% M/M im Mai wurde im Juni wieder vollständig wettgemacht. Leicht rückläufig entwickelte sich hingegen erneut die Produktion von Vorleistungsgütern. Anders die Produzenten von Konsumgütern: Sie profitierten mit einem Zuwachs von +1,2% M/M offenbar auch im Juni von der anhaltend hohen Binnennachfrage. Insgesamt fällt das Plus im Verarbeitenden Gewerbe mit 1,5% M/M ordentlich aus. Bremsend hatten im Juni sowohl die Energieerzeugung (-2,7% M/M) als auch die Bauproduktion (-0,5% M/M) gewirkt.
Trotz der auf den ersten Blick recht positiven Junizahlen bleibt es für das gesamte zweite Quartal bei einer insgesamt schwachen Entwicklung. Zum durch Sondereffekte verzerrten Vorquartal verringerte sich der Output gar um -1,0%. Zudem zeugt der Zuwachs der Produktion im Juni sicher nicht von einer Trendumkehr. Die am Freitag veröffentlichten Junidaten zu den Auftragseingängen sprechen diesbezüglich eine eindeutige Sprache: Auch für die kommenden Monate ist nicht von einer spürbaren Beschleunigung der Industriekonjunktur auszugehen.
Andererseits lässt sich zumindest für den Juni feststellen, dass die Brexit-Sorgen nicht zu einer Produktionsdrosselung im Verarbeitenden Gewerbe geführt haben. Allerdings ist es hier für eine Entwarnung sicher noch viel zu früh. Die Märkte reagierten dennoch positiv, der DAX startete in die Woche oberhalb der Marke von 10.400 Punkten. Zudem scheint der Aktienmarkt noch ein wenig euphorisiert von den guten US-Arbeitsmarktdaten, die am Freitag veröffentlicht wurden.
Für das gesamte zweite Quartal zeichnet sich mit der schwachen Industrieproduktion und ungewöhnlich gedämpften Einzelhandelsumsätzen eine vergleichsweise mäßige Wirtschaftsentwicklung ab. Wir rechnen mit einer leicht positiven Wachstumsrate von 0,2% Q/Q. Für das erste Halbjahr ergäbe sich hiermit aber immerhin ein mittleres Quartalsplus von knapp 0,5% und somit eine Entwicklung oberhalb des Potenzialpfads. Ob dies so bleiben kann, hängt maßgeblich von den Folgen des Brexit-Votums ab. Das ifo-Geschäftsklima und das Verbrauchervertrauen machen Hoffnung, dass die unmittelbaren Effekte eher begrenzt bleiben dürften.
Fazit: Die Industrieproduktion in Deutschland hat sich im Juni erwartungsgemäß von der gedämpften Entwicklung im Mai erholt. Vor allem in den Zahlen des Verarbeitenden Gewerbes spiegeln sich die Verzerrungen durch übermäßig viele Brückentage im Mai wider. Insgesamt war die Entwicklung im Frühjahr schwach, das BIP-Wachstum erwarten wir daher mit 0,2% deutlich schwächer als im I. Quartal. Märkte und Unternehmen scheinen bereits den ersten Brexit-Schock verdaut zu haben: Nicht nur die meisten Julizahlen der Stimmungsindikatoren machen Hoffnung, dass zumindest der unmittelbare Effekt auf die deutsche Wirtschaft hieraus begrenzt bleiben dürfte.