ZEW-Umfrage: Ist das schon Optimismus? - Nord LB Kolumne
Die heutigen Angaben zu den Indikatoren des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim zeigen für den Berichtsmonat September auf den ersten Blick keine ganz klaren Tendenzen an, was nach der generellen Schwäche im Vormonat wohl sogar schon als positive Entwicklung bezeichnet werden kann. Die Konjunkturerwartungen für Deutschland, die ganz besonders stark im Mittelpunkt des Interesses der Finanzmärkte stehen, haben sich am aktuellen Rand in der Tat sogar recht deutlich verbessert. Diese Zeitreihe konnte von zuvor -44,1 Punkte auf nun immerhin schon -22,4 Zähler anziehen. Der Pessimismus scheint also im Rückzug begriffen zu sein. Dabei ist aber auch zu bedenken, dass sich die Lagebeurteilung in Deutschland im September etwas abgeschwächt hat. In Zahlen gesprochen wurde hier ein Wert von -19,9 Punkten gemeldet. Die aktuellen Diskussionen um die Gefahr einer technischen Rezession in Deutschland hinterlassen also schon Spuren bei der Gemütslage der befragten Fondsmanager, Analysten und Volkswirte und sorgen für einen etwas skeptischeren Blick auf die aktuelle ökonomische Situation in Europas größter Volkswirtschaft.
Auch in der Euro-Zone haben sich die Konjunkturaussichten am aktuellen Rand verbessert. Der entsprechende Index nimmt im September immerhin einen Wert von -22,4 Zählern an. In Euroland hat sich die Lagebeurteilung ebenfalls abgeschwächt – aber nur leicht. Der entsprechende Indikator ist von -14,5 Punkte auf nun -15,6 Zähler gefallen.
Mit Blick auf Großbritannien bleibt ein Brexit-Effekt offenkundig von Relevanz. Die deutsche Finanzwirtschaft scheint den EU-Austritt Großbritanniens ohne Scheidungsvertrag immer konkreter zu fürchten. Entsprechend ist die Lagebeurteilung im September weiter auf nun nur noch -53,9 Punkte gefallen. Die Aussichten für die britische Wirtschaft haben sich dagegen etwas verbessert. Mit -68,8 Zählern notiert dieser Stimmungsindikator für das Vereinigte Königreich aber natürlich auch weiterhin auf einem unerfreulichen Niveau. Angesichts der immer deutlicheren Verschlechterung der Beurteilung der aktuellen Situation scheinen den Befragungsteilnehmern allerdings langsam die Phantasien auszugehen, die es erlauben, mit noch größere Skepsis in die nähere Zukunft zu blicken. Insofern haben selbst die jüngsten politischen Turbulenzen, die von manchen Beobachtern schon als regelrechte Verfassungskrise gewertet werden, nicht zu einer weiteren Belastung der Erwartungskomponente für Britannien geführt. Ob diese Nachricht positiv zu bewerten ist, dürfte allerdings im Auge des Betrachters liegen.
Gegen den Trend kann sich die Beurteilung der ökonomischen Lage in den USA verbessern. Der entsprechende Indikator zog immerhin auf 39,0 Punkte an und signalisiert damit einen fast schon bemerkenswerten konjunkturellen Optimismus der deutschen Finanzwirtschaft beim Blick nach Nordamerika. Auch die Konjunkturerwartungen konnten im September etwas zulegen, bleiben mit lediglich -41,2 Zählern aber auch weiterhin klar negativ.
Fazit: Die vom ZEW befragten deutschen Finanzmarktakteure blicken inzwischen etwas weniger skeptisch in die nähere Zukunft, was aber natürlich auch an einer generell gesprochen pessimistischen Einschätzung der aktuellen Lage zu liegen scheint. Der weiterhin drohende harte Brexit belastet die Stimmung noch immer. Positive Nachrichten zu den Entwicklungen im Handelsstreit zwischen Washington und Peking, die die Kursen an den internationalen Aktienmärkten jüngst steigen lassen haben, werden von den Stimmungsindikatoren des ZEW dagegen vielleicht noch nicht vollumfänglich reflektiert. In der Summe sind die heutigen Zahlen daher wohl positiv zu beurteilen.