DAX: Aktienmärkte im Bann von Ukrainekrieg und Zinssteigerungen - Nord LB

Der Ukrainekrieg läuft mittlerweile fast vier Monate. Nach wie vor ist ein Ende dieses Konfliktes nicht absehbar. Der Aggression Russlands begegnet der Westen mit Sanktionen einerseits, humanitärer Hilfe und der Lieferung von Waffen an die Ukraine andererseits. Russland führt seine Destabilisierungspolitik fort und droht wiederum mit der Einstellung von Gas- und Öllieferungen. So werden seit einigen Tagen Gaslieferungen nach Deutschland (über Nordstream 1) oder Italien gedrosselt. Die Regierungen Europas sehen sich enormen Herausforderungen ausgesetzt, die ohnehin angestrebte Energiewende zu forcieren, um die bestehenden Abhängigkeiten von Russland zügig zu reduzieren und dabei gleichzeitig die Konjunkturlokomotive am Laufen zu halten.

Befürchtete und teilweise tatsächliche Engpässe bei Energielieferungen (insbesondere Erdgas, Öl), gestörte Lieferketten- und Produktionsstörungen (u.a. durch Pandemie-bedingte Lockdown-Maßnahmen in China) und rarer, durch den demographischen Wandel verursachte Personalressourcen führten und führen zu einer erheblichen Angebotsverknappung. Unternehmen versuchen sich kurzfristig mit stärkerer Lagerhaltung, langfristig durch die Reduktion zu hoher Produktions- und Lieferabhängigkeiten und die Erschließung neuer Lieferwege für die Zukunft resilienter aufzustellen. All das ist seit einigen Monaten mit erheblichen inflatorischen Tendenzen verbunden. So stiegen die Inflationsraten (CPI) jüngst in Deutschland (+7,9% Y/Y) und den USA (+8,6% Y/Y) so stark an wie seit den frühen 1980er Jahren nicht mehr, was die Notenbanken weltweit unter Zugzwang setzt. Die Fed reagierte mit einem historisch deutlichen Zinsschritt von 75 Basispunkten, der so auch von der Höhe her von den Märkten erwartet worden war. Weitere Zinsschritte müssten demnächst folgen. Die EZB dürfte nun ihre zögerliche Haltung aufgeben und ebenfalls die Zinswende in Kürze einleiten.

Die europäischen Aktienmärkte bewegten sich seit unserer letzten Kommentierung Ende April in einer volatilen Seitwärtsbewegung. Beim DAX lag die Range zwischen 13.000 – 14.600 Punkten. Allerdings verlor der deutsche Leitindex seit Anfang Juni deutlich an Boden, was wir – neben den fundamentalen Faktoren – vor allem auf den beschleunigten, über den bisherigen Erwartungen liegenden Zinsanstieg zurückführen. Die Volatilität stieg auf Werte von > 30. Insbesondere Technologiewerte mit traditionell höheren Verschuldungskennziffern, aber auch Immobilienwerte mussten z.T. erhebliche Kursabschläge hinnehmen. Nachdem die Dividendensaison nun vorüber ist, richten sich die Blicke langsam auf die Mitte Juli beginnende Berichtssaison. Bis dahin dürften die charttechnisch angeschlagenen Aktienmärkte in einer fortgesetzten volatilen Seitwärtsbewegung nach Orientierung suchen. Der aktuelle Zinsanstieg ist zwar ein nachhaltiger Belastungsfaktor für DAX & Co., ab einem bestimmten und wahrscheinlich nicht mehr ganz so fernen Zeitpunkt dürften die Börsen die momentane geldpolitische Neuausrichtung in vielen Währungsräumen dann allerdings auch angemessen einpreisen.

Fazit: Die durch Pandemie und Ukrainekrieg verursachten Angebotsverengungen führten zu einer signifikanten inflationären Dynamik. Die Inflationsraten stiegen auf lange nicht mehr für möglich gehaltene Werte. Die Notenbanken versuchen durch deutliche Zinserhöhungen entgegenzuwirken, wobei die Fed durch einen historischen Zinsschritt von 75 Basispunkten und die Ankündigung weiterer Anhebungen den Ernst der Lage unterstrich. Die EZB hinkt dieser Entwicklung noch hinterher, dürfte allerdings in Kürze ebenfalls die Zinswende einleiten. Insofern bleibt die Notenbankpolitik zunächst im Spannungsfeld von Inflationseindämmung und Abwürgen der Konjunktur gefangen. Für die charttechnisch angeschlagenen Aktienmärkte erwarten wir erst mit Beginn der Berichtssaison neue Impulse. Bei einer prognostizierten volatilen Seitwärtsbewegung dürften bis dahin die Blicke vieler Marktteilnehmer auf den Newsflow der Notenbanken gerichtet sein.

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