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euromicron: „Wir müssen den Worten auch Taten folgen lassen“

02.04.2015 07:18 Uhr - Autor: Johannes Stoffels  auf twitter

euromicron-Vorstand Thomas Hoffmann im Interview mit der Redaktion von www.4investors.de

Vor wenigen Tagen hat euromicron den Markt geschockt. Es gab Bilanzierungsfehler in 2012 und 2013. Die Aktie stürzte in der Folge von rund 14 Euro auf 9 Euro ab. Im Interview mit der Redaktion von www.4investors.de nimmt euromicron-Vorstand Thomas Hoffmann zu den Vorfällen und den Konsequenzen ausführlich Stellung.


www.4investors.de: Seit dem 24. März ist bekannt, dass Sie Korrekturen an den Konzernabschlüssen für 2012 und 2013 vornehmen müssen. Wie wurden die darin enthaltenen Fehler entdeckt?

Hoffmann: Wir sind in der Vergangenheit durch Zukäufe sehr schnell gewachsen: Bis 2010 haben wir 30 kleinere Unternehmen gekauft und mit der telent GmbH im Jahr 2011 eine große Akquisition durchgeführt. Erforderliche Anpassungen in unserer Organisationsstruktur haben wir mit der 2012 ins Leben gerufenen und 2014 abgeschlossenen „Agenda 500“ erfolgreich umgesetzt. Eine Professionalisierung der Organisationsstruktur wurde beispielsweise dadurch erreicht, dass im vergangenen Jahr speziell ausgebildete Projektcontroller, Projektkaufleute ebenso wie Bauleiter eingestellt wurden und andere Mitarbeiter Schulungsmaßnahmen zu zertifizierten Projektleitern durchlaufen haben.

Unsere optimierten Strukturen waren maßgeblich dafür entscheidend, dass die Unregelmäßigkeiten nun im Zuge der Abschlusserstellung 2014 von uns identifiziert wurden. Das zeigt: Wir haben die richtigen Maßnahmen ergriffen, die neuen Projektstrukturen greifen.

www.4investors.de: Kann man definitiv ausschließen, dass es davor und danach weitere Fehler gibt, die bisher nicht entdeckt wurden? Und was geschieht, um solche Fehler künftig zu vermeiden?

Hoffmann: Wir arbeiten intensiv an der Aufarbeitung des gesamten Sachverhalts. Mittlerweile wurden alle Projekte seit 2012 – und das waren ca. 5.000 pro Jahr – einer durch unseren Wirtschaftsprüfer definierten Stichprobenprüfung unterzogen. Betroffen von den Bilanzierungsfehlern waren rund 25 Großprojekte in den Jahren 2012 und 2013 bei drei unserer Systemgesellschaften. Darüber hinaus wurden keine weiteren Unregelmäßigkeiten festgestellt. Wir können also weitere Fehler in der Bewertung unserer Projekte definitiv ausschließen.

Vorwiegend handelte es sich konkret z.B. um Kalkulationsfehler, fehlerhafte Aufmaßerstellungen und nicht dokumentierte Nachlaufkosten bei Projektkalkulationen. Möglich waren diese Fehler nach unserer Einschätzung nur, weil die Entwicklung unserer damaligen Strukturen nicht mit dem rasanten Unternehmenswachstum und den daraus resultierenden Anforderungen, wie z.B. große Bauprojekte, Schritt halten konnte. Heute ist euromicron jedoch organisatorisch und der Größe entsprechend so professionell aufgestellt, dass solche Fehler vermieden werden können.

www.4investors.de: Die Bilanzierungsfehler sollen eine Summe von 15 Millionen Euro umfassen. Bleibt es dabei?

Hoffmann: Ja. Wir können die Bilanzierungsfehler auf eine Größenordnung von rund 15 Millionen EUR eingrenzen. Die Korrekturen für 2012/2013 werden gemäß IAS 8 in 2014 ergebnisneutral mit dem Eigenkapital des Konzerns verrechnet. Dies hat aber keine entscheidenden Auswirkungen auf unsere Finanz- und Liquiditätslage: Zum 30. September 2014 betrug unser Konzerneigenkapital rund 126 Millionen Euro; das entsprach einer Eigenkapitalquote von rund 40 Prozent. Die vorgenannten Korrekturen haben außerdem auch keinerlei negativen Auswirkungen auf die bestehende Liquidität von euromicron. Wir gehen weiterhin davon aus, dass wir die Jahresprognose 2014 für den Konzern einhalten werden. Das bedeutet den höchsten Umsatz der Unternehmensgeschichte zwischen 340 Millionen Euro und 360 Millionen Euro bei einer EBITDA-Marge zwischen 6 Prozent und 8 Prozent, auch wenn sich beides am unteren Ende der genannten Korridore bewegen wird.

www.4investors.de: Werden letztlich trotz der Probleme alle mit den Kreditinstituten vereinbarten Financial Covenants eingehalten?

Hoffmann: Wir werden auf Basis des Jahresabschluss 2014 alle Vereinbarungen mit unseren Kreditinstituten einhalten.

www.4investors.de: Gleichzeitig mit dem Aufdecken der Fehler ist der vormalige Vorstand Willibald Späth zurückgetreten. In der Mitteilung wurde er nicht mit diesen Fehler in Verbindung gebracht. Hat er die Fehler zu verantworten? Wusste er davon?

Hoffmann: Herr Dr. Späth verantwortete in seiner Funktion als Vorstand auch den Bereich Finanzen und hat im Zuge des Bekanntwerdens der Fehler sein Amt niedergelegt. In den vergangenen 15 Jahren hat Herr Dr. Späth sehr viel für euromicron bewirkt. Dafür möchte ich ihm im Namen des gesamten Unternehmens danken.

Wichtig ist aber vor allem, dass wir jetzt nach vorne blicken. Mit der Benennung von Frau Bettina Meyer und Herrn Jürgen Hansjosten als weitere Mitglieder des Vorstands haben wir bereits einen ersten und sehr wichtigen Schritt getan. Frau Meyer war bislang Leiterin der Rechtsabteilung der euromicron AG und wird künftig die Bereiche Finanzen, Recht, Personal, Compliance und Revision verantworten. Herr Hansjosten war bisher Geschäftsführer der euromicron networks GmbH und übernimmt künftig die Verantwortung für den Bereich Operations.

Für euromicron, als einen der führenden deutschen Anbieter von intelligenten und sicheren Netzwerkinfrastrukturen, bieten sich durch die zunehmende Digitalisierung im privaten wie auch im beruflichen Bereich immense Chancen. Schon heute verfügen wir über eine gute Expertise und realisierte Lösungen im Sinn von Industrie 4.0. Ebenso verfügen wir über ein Labor mit Demoinstallationen, in dem unseren Kunden konkrete Lösungen präsentiert werden. Gleichzeitig birgt diese Entwicklung aber auch Herausforderungen für uns. Entscheidend daher ist, dass wir auch zukünftig ein tatkräftiges Vorstands-Team haben, das euromicron und die Branche sehr gut kennt und das Unternehmen weiter auf Erfolgskurs ausrichtet.

www.4investors.de: euromicron hat viel Vertrauen verloren. Wie wollen Sie dieses zurückgewinnen?

Hoffmann: Hier kommen mehrere Faktoren zusammen. Die Grundvoraussetzung für Vertrauen ist meiner Meinung nach ein offener und ehrlicher Dialog zwischen uns und unseren Investoren. Aktuell überprüfen wir die Konzernstrategie und damit auch die Konzernplanung für 2015 sowie die strategischen Planungen für die folgenden Jahre. Unsere Strategie muss für Investoren nachvollziehbar und schlüssig sein. Worte nützen aber natürlich nur, wenn sie substanziell sind, das heißt, wir müssen den Worten auch Taten folgen lassen und das liefern, was wir ankündigen. Wenn wir das schaffen – und davon bin ich überzeugt – dann wird sich der Erfolg auch in den Zahlen widerspiegeln und wir können das Vertrauen am Kapitalmarkt wieder zurückgewinnen.

www.4investors.de: Sie prüfen jetzt ihre Konzernstrategie. In welche Richtungen denken Sie dabei?

Hoffmann: Generell ist es keine grundlegende Abkehr von unserer bisherigen Strategie, eher eine Konkretisierung und Anpassung in Richtung zukünftiger, technologisch getriebener Anforderungen. Wir leben in einer Zeit, in der der ständige Austausch von Daten nahezu alle Lebensbereiche durchdringt. Der Erfolg des Internets und die allgegenwärtigen Smartphones und Tablets haben bereits unser Alltagsleben revolutioniert – die übertragenen Datenmengen werden immer größer und fast jeder ist mobil online. Dieser Trend zur Digitalisierung wird kontinuierlich weiter zunehmen. Das betrifft auch die Industrie, die hier noch ganz am Anfang steht, und erfordert eine leistungsfähige intelligente Netzwerk-Infrastruktur. Unser Ziel ist es, mit euromicron die Potenziale, die sich hieraus ergeben, auf Basis unserer Expertise zu nutzen und diese sukzessive auszubauen. Aktuell ist es aber noch zu früh, um über Details zu sprechen.

www.4investors.de: Künftig liegt der Fokus bei euromicron somit eher auf Profitabiliät als auf Wachstum?

Hoffmann: Für mich ist die Aussage “Wachstum versus Profitabilität“ zu kurz gedacht. Unser primäres Ziel ist es, euromicron für die Themen der Zukunft weiterzuentwickeln, wobei die strategischen Treiber „Innovation und Effizienz“ heißen. Zukunftsthemen, die ich meine, sind beispielsweise smart solutions, die wir in Unternehmen, Fabriken, in Städten, ja in vielen Lebensbereichen sehen werden. In Fabriken werden Maschinen von morgen selbst Nachschub bestellen, Wartungstechniker herbeirufen oder vor Problemen in der eigenen Technik und Infrastruktur warnen. Das bedeutet einen Strukturwandel, in dem die Grenzen zwischen einzelnen Branchen verschwimmen und sich viele Prozesse und ganze Geschäftsmodelle verändern. Entscheidende Erfolgsfaktoren werden vor allem die Sicherheit und die kontinuierliche Verfügbarkeit der Daten im Rahmen digitaler Prozesse sein. Auf diese Entwicklung wollen wir euromicron noch stärker ausrichten und für die Zukunft wettbewerbsfähig machen.

www.4investors.de: Wann können die angepeilten Margen von 8 Prozent bis 11 Prozent Realität werden?

Hoffmann: Grundsätzlich halten wir auch an unserem Ziel, die EBIT-Marge weiter zu verbessern, fest. Mit der Entscheidung, eine große Akquisition bis auf weiteres zurückzustellen, und dem angesprochenen Strategiereview ist es aber auch hier für Details aktuell noch zu früh. Mögliche Maßnahmen werden wir im Rahmen der Strategieüberprüfung ebenfalls diskutieren und unsere Ergebnisse dann zu gegebener Zeit kommunizieren.

www.4investors.de: Können Sie derzeit schon eine Prognose für 2015 abgeben?

Hoffmann: Eine Prognose für 2015 werden wir mit der Veröffentlichung des Geschäftsberichts 2014 vornehmen. Nur so viel: Wir planen derzeit keine Volumensteigerung, sondern eine weitere Verbesserung der EBIT-Qualität.

www.4investors.de: Bei unserem letzten Interview im Januar sagten Sie, dass für die kommenden zwei Jahre Zukäufe im Bereich Herstellerbetriebe geplant seien – bleibt es dabei?

Hoffmann: Wie bereits ausgeführt, im Zuge der Strategieüberprüfung haben wir beschlossen, die in der Vergangenheit kommunizierte Akquisition eines größeren Unternehmens zur Erreichung eines Konzernumsatzes von 500 Millionen Euro aktuell zurückzustellen. Dies schließt kleinere Zukäufe im Herstellerbereich nicht aus, soweit diese das Portfolio der euromicron innovativ ergänzen können.

www.4investors.de: Kommt 2015 eine Kapitalerhöhung?

Hoffmann: Wir sehen aktuell keinen Anlass für eine Kapitalerhöhung.

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