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Compleo: Übernahme kann zum „Game-Changer“ werden

17.11.2021 07:21 Uhr - Autor: Johannes Stoffels  auf twitter

Compleos CO-CEO und CFO Georg Griesemann. Bild und Copyright: Compleo.

Ziemlich begeistert klingt Georg Griesemann, Co-CEO von Compleo, wenn man ihn zur Übernahme von innogy eMobility Solutions befragt. Im Interview mit der Redaktion von www.4investors.de erläutert er die Hintergründe des Deals und erklärt, welche Auswirkungen dies auf Compleo haben wird. Er spricht über die aktuellen Quartalszahlen, über wichtige Meilensteine und über die jüngst publizierte Gewinnwarnung. Auskunft gibt Griesemann zur künftigen M&A Strategie von Compleo sowie zu den Plänen für 2022. Dabei spielt eine Ausschreibung des Verkehrsministeriums eine wichtige Rolle.


www.4investors.de: Vor wenigen Wochen gab es eine Gewinnwarnung von Compleo, jetzt bringen sie die Zahlen für die ersten drei Quartale. Die passen irgendwie ins Bild, oder?

Griesemann:
In unseren 9-Monats-Zahlen 2021 zeigt sich das immense Wachstumstempo der Compleo-Gruppe und das Potenzial des Marktes – ungeachtet der Prognoseanpassung, die wir vorgenommen haben. Wir sind mit keinem geringeren Anspruch angetreten als der führende Anbieter von Ladelösungen für Elektrofahrzeuge in Europa zu sein. Dementsprechend ambitioniert sind auch unsere Erwartungen an unsere Umsatz- und Ergebnisentwicklung, die jedoch auch unter anderem externen Faktoren unterliegen, die wir nicht kontrollieren können. Dennoch haben wir in den ersten neun Monaten 2021 unseren Umsatz um rund 57 Prozent auf 37,6 Millionen Euro erhöht. Haupttreiber des enormen Wachstums waren die AC-Ladestationen mit einem Plus von rund 137 Prozent. Hier spiegelt sich auch die sehr erfolgreiche Übernahme und Integration der ehemaligen wallbe GmbH wider, die als neue Unternehmenstochter Compleo Connect GmbH einen entscheidenden Anteil hierzu geleistet hat.

www.4investors.de: Manche Analysten sagen, dass die Gewinnwarnung nicht nur auf externe Probleme zurückzuführen war. Stimmen Sie dem zu?

Griesemann:
Solche Entwicklungen beruhen in der Regel immer auf mehreren Faktoren. So auch bei uns. Adverse Bedingungen am Beschaffungsmarkt für Elektronikkomponenten etwa führten zu deutlichen Lieferverspätungen in der Produktion und unerwartete Veränderungen des Abrufverhaltens einzelner Kunden führten teilweise zu temporären Volumenrückgängen. Daneben mussten wir aber auch den für das 1. Quartal vorgesehene Launch der neuen SOLO-Wallboxen aufgrund von fortgeführten Optimierungsmaßnahmen und durch den Mangel an Halbleitern sowie durch global unterbrochene Lieferketten auf Anfang Oktober verschieben. Die ersten Produktvarianten SOLO Smart für den Privatbereich und SOLO Advanced für den halböffentlichen gewerblich-industriellen Bereich sind nun aber ab sofort in hohen Stückzahlen lieferbar. Die SOLO Premium-Linie wird sogar ISO 15118-ready sein und in naher Zukunft Features wie die Installation von Plug&Charge-Funktionen per Softwareupdate ermöglichen. Besonders positiv hervorzuheben ist dabei, dass wir ja bereits über einen Rahmenvertrag mit einem großen Energieversorger mit internationalen Strukturen verfügen, der die SOLO in signifikanten Mengen abnehmen wird.

www.4investors.de: Können die immer weiter steigenden Rohstoff- und Logistikkosten die Prognose noch einmal durcheinanderwirbeln?

Griesemann:
Nein, nach aktuellem Stand sehen wir dieses Risiko für die Prognose 2021 nicht und sehen uns auf dem besten Wege, auch in diesem Jahr wieder deutlich wachsen zu können.

www.4investors.de: Im Oktober haben sie die Übernahme von innogy eMobility Solutions angekündigt. Was ändert sich dadurch bei Compleo?

Griesemann:
Die Übernahme von 100 Prozent der innogy eMobility Solutions GmbH könnte für Compleo zum „Game-Changer“ werden. Denn durch die Übernahme entsteht am Standort Dortmund einer der führenden Komplettanbieter für Ladetechnologie in Europa – Ladestationen, Software-Services und Onsite-Services für Großprojekte. Wir stärken unser bestehendes Portfolio also weiter, indem wir unsere zukunftsweisenden Ladelösungen um wertvolle Expertise sowie leistungsstarke Ladestationen und Software-Services ergänzen. Vor allem der Bereich der Software-Services wird durch das führende Backend-System von innogy eMobility Solutions deutlich verstärkt. Deren eMobility-Backend vernetzt schon heute weltweit rund 200.000 Ladepunkte. Wir positionieren Compleo damit sowohl im Bereich SaaS als auch im transaktionsbasierten Ladegeschäft als führender Anbieter. Den Abschluss der Transaktion erwarten wir bis zum Jahreswechsel 2021 / 2022.

www.4investors.de: Im März haben sie wallbe gekauft, jetzt übernehmen sie die innogy-Tochter. Wie sieht das mit der Integration der Neulinge aus? Und mit den Synergien?

Griesemann:
Unsere anorganische Wachstumsstrategie funktioniert und wir haben im dritten Quartal wichtige Meilensteine erreicht. Die Integration der Compleo Connect, vormals wallbe, haben wir Ende September erfolgreich abgeschlossen. Wir haben uns damit mit rund 70 Mitarbeitenden verstärkt, die insbesondere Expertise im Bereich Bezahlsysteme und AC-Wallboxen mitbringen. Durch den Erwerb von innogy eMobility werden über 100 weitere neue Kolleginnen und Kollegen hinzukommen. Mit der Integration werden wir nach Abschluss der Transaktion beginnen, hier stehen sowohl die Weiterentwicklung der Hard- und Softwareprodukte, als auch die Hebung signifikanter Synergiepotenziale im Fokus. Dabei helfen uns der kulturelle Fit beider in Dortmund ansässigen Gesellschaften sowie die in den letzten Jahren erlangte Industrieführerschaft und Markenstärke der innogy eMobility.

www.4investors.de: Welche Auswirkungen werden die Übernahmen auf die Margenentwicklung haben?

Griesemann:
Die Nutzung von Synergien zwischen den jeweiligen Einzelgesellschaften soll sich selbstverständlich zukünftig positiv auf Umsatz und Profitabilität der gesamten Compleo Gruppe auswirken. Und auch mit Blick auf die innogy eMobility Solutions sehen wir zahlreiche Vorteile für die Gruppe. So gewinnen wir weiter an Gewicht im Markt, indem wir unsere Marktpräsenz, Umsatz und Produktionskapazitäten ausbauen. Zudem erwarten wir, dass Compleo wie auch innogy eMobility Solutions sich einiges von den jeweiligen Produktionsprozessen des anderen abschauen kann, was großes Potenzial für die Steigerung der Produktivität und damit einhergehend der Senkung der Produktionskosten bietet. Darüber hinaus sehen wir aber auch Synergiepotenziale in der Verwaltung, im Einkauf und im Service.

www.4investors.de: Ist damit ihre Kauflust beendet?

Griesemann:
Um weitere Marktanteile zu gewinnen, unsere Expansion in der EU weiter voranzutreiben, uns im F&E-Bereich weiter zu verbessern oder um unser Produkt-, Dienstleistungs- und Softwareportfolio zu erweitern, werden wir weiterhin eine aktive M&A-Strategie verfolgen. Daher planen wir, auch in Zukunft weitere geeignete Akquisitionsziele zu identifizieren, rasch nach der Übernahme in die Compleo Gruppe zu integrieren und so Synergien auf allen Ebenen zu heben. Da sich der Markt für EV-Ladeinfrastrukturen noch immer in einer frühen Entwicklungsphase befindet, wollen wir uns als Konsolidierer und attraktiver Käufer positionieren. Wir glauben, durch eine disziplinierte M&A-Strategie in Verbindung mit effizienten Refinanzierungsmaßnahmen den Unternehmenswert im Sinne aller Aktionäre von Compleo steigern zu können. Doch jetzt machen wir erst einmal den nächsten Schritt mit der innogy eMobility Akquisition.

www.4investors.de: Wie sehen die Planungen für den Jahresanfang aus?

Griesemann:
Zum einen werden wir Anfang kommenden Jahres mit dem geplanten Abschluss der innogy eMobility-Übernahme mit der Integration beginnen. Daneben planen wir einiges auf der Produktseite. So ist, nach geplantem Produktlaunch im vierten Quartal 2021, für das erste Quartal 2022 beispielsweise die Serienproduktion der ISO 15118-fähigen Wallbox „Solo Premiumlinie“ vorgesehen, ebenso wie ein Relaunch der modularen Ladestationscontroller. Daneben werden wir unseren Partnern und Resellern die Möglichkeit bieten, an persönlichen und digitalen Schulungen in der "Compleo Academy" teilzunehmen.

Ein besonderes Highlight ist für uns zudem die noch in der Entwicklung befindliche Schnellladestation, die unser Produktangebot im Bereich des High Power Charging ergänzt und nach aktueller Planung noch im vierten Quartal 2022 an den Markt gehen soll. Mit dieser werden wir an der Ausschreibung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur für das sogenannte „Deutschlandnetz“ teilnehmen. Wir sehen hier eine einmalige Gelegenheit, in den wachsenden deutschen HPC-Markt einzusteigen. Dies ist mit Sicherheit auch ein Projekt, das uns zu Beginn des kommenden Jahres beschäftigen wird.

www.4investors.de: Gibt es Neues zu den europäischen Expansionsplänen?

Griesemann:
Wir waren 2021 sehr aktiv und haben unsere Aktivitäten über starke Kooperationen in zahlreichen Ländern ausgebaut. Bereits Anfang 2021 haben wir die Expansionsstrategie mit strategischen Kooperationen in Österreich, Polen und in der Schweiz sowie der Gründung einer Tochtergesellschaft in Österreich erfolgreich fortgesetzt. Seit Juli arbeiten wir zudem mit unserem langjährigen dänischen Partner Clever noch intensiver zusammen. Gemeinsam mit dem führenden dänischen Ladeinfrastrukturanbieter bauen wir mehr als 2.000 öffentliche Ladepunkte im Land auf. Auf die Lieferung einer ersten Charge von 400 Ladesäulen im ersten Halbjahr folgen bis Jahresende weitere 500 Säulen mit je zwei Ladepunkten. Clever verfügt nach eigenen Angaben über 60 Prozent der Ladeinfrastruktur in Dänemark; Compleo liefert 40 Prozent der Ladesäulen dafür. Ein weiterer wichtiger Schritt war zudem der Ausbau der bewährte Zusammenarbeit mit unserem langjährigen Partner E.ON. E.ON bietet seit August europaweit das komplette Compleo-AC-Produktportfolio über seine Vertriebsgesellschaften an. Unsere smarten, eichrechtskonformen und mit dynamischem Lastmanagement ausgestatteten Ladesäulen sind nun auch über diesen Vertriebskanal verfügbar.

www.4investors.de: Am Wochenende endete in Glasgow die Weltklimakonferenz. Wie bewerten sie die dort gefassten Beschlüsse für ihre Branche?

Griesemann:
Eine Bewertung der Beschlüsse im Detail möchte ich gar nicht vornehmen, da gibt es wie immer unterschiedliche Ansichten, je nachdem wen man fragt. Was jedoch aus meiner Sicht die Konferenz auf jeden Fall noch einmal ganz klar vor Augen geführt hat, ist die Dringlichkeit, mit der sich alle Regierungen mit konkreten Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels beschäftigen müssen - und ein wesentlicher Baustein hier ist die Mobilitätswende. In Deutschland und Europa ist dieses Thema bereits seit vielen Jahren auf der politischen Agenda und hat in der jüngsten Vergangenheit enorm an Fahrt gewonnen. Um die öffentliche Ladeinfrastruktur in Europa zu verbessern, stellen die Regierungen entsprechend auch erhebliche rechtliche und finanzielle Unterstützung bereit. In Deutschland wurde so seit 2015 ein Finanzierungsvolumen von rund 4,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, etwa im Rahmen des Förderprogramms Ladeinfrastruktur oder auch der Förderung von wallboxen oder der Ladeinfrastruktur vor Ort. Insgesamt sehe ich darin ein sehr gutes Umfeld für uns, um unsere Wachstumsstrategie umsetzen und unsere Erfolgsgeschichte auch in der Zukunft fortführen zu können.

www.4investors.de: Wie viele Autos werden in Deutschland 2030 mit einem E- oder Hybrid-Motor unterwegs sein?

Griesemann:
Die Elektromobilität steht in Europa und Deutschland noch am Anfang und die E-Mobilitätswelle rollt überall erst richtig an. Hierfür ist die Ladeinfrastruktur entscheidend und entsprechend ehrgeizig sind auch die Ziele: Zum 1. Oktober waren ca. 48.000 Ladepunkte an die Bundesnetzagentur gemeldet. Ziel der Bundesregierung ist es, bis zum Jahr 2030 im öffentlichen Raum 1 Million Ladepunkte zu installieren. Einen ähnlichen Weg schlägt die E-Mobilität überall in Europa, auf unseren Märkten, ein.

www.4investors.de: Analysten von Berenberg sehen das Kursziel für ihre Aktie bei 105,00 Euro. Das ist bei aktuellen Kursen um die 75 Euro noch ein weiter Weg. Sind die Experten zu optimistisch?

Griesemann:
Das Kursniveau hatte die Compleo-Aktie zwischenzeitlich schon einmal erreicht, ganz abwegig scheint der Kapitalmarkt die Kursziele also nicht zu finden. Gerade mit Blick auf andere Peers wie Chargepoint aus den USA oder Alfen aus den Niederlanden werden aber auch noch ganz andere Multiples aufgerufen. Wir stehen, wie gerade beschrieben, in Sachen Elektromobilität und Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur erst ganz am Anfang. Das ist ein Megatrend, der uns vermutlich noch die kommenden Jahrzehnte intensiv begleiten wird und enormes Potenzial bietet, das wir nutzen möchten. Hiervon können dann Compleo wie auch die Aktionärinnen und Aktionäre von Compleo profitieren.

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