DAX: Liebesgrüße aus Washington - Nord LB
14.07.2025 14:33 Uhr - Autor: Kolumnist auf twitter
Zum Start der neuen Woche zeigen sich beim DAX gewisse Belastungen durch den nun vom Weißen Haus nach Brüssel versandten „Liebesbrief aus Washington“. In diesem Schreiben wird der EU ein Zollsatz von 30% ab dem 1. August angedroht. Der Brief stellt eigentlich keine größere Überraschung dar. Donald Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett betonte, dass das Weiße Haus bei den bisherigen Angeboten vieler Handelspartner für einen „Deal“ bisher noch größere Spielräume für ein weiteres Entgegenkommen sieht. Entsprechend will man in Washington nun offenkundig den Druck erhöhen.
Nach der Rekordjagd der jüngeren Vergangenheit preist der DAX mittlerweile grundsätzlich sehr positive zukünftige Entwicklungen ein. Entsprechen zeigte sich nach den neuen Zollandrohungen aus Washington ein gewisser Druck auf den deutschen Blue-Chip-Aktienindex. In konkreten Zahlen ausgedrückt fiel der DAX mit der Börsenöffnung um mehr als 200 Punkte, konnte sich damit aber immerhin oberhalb der psychologisch wichtigen Marke von 24.000 Zählern halten. Die aktuelle Nachrichtenlage hat einige Anleger offenbar zu Gewinnmitnahmen veranlasst. Vor allem für exportorientierte Branchen in der EU wäre das Ausbleiben eines Deals mit Washington ein Problem.
Grundsätzlich scheinen die Marktteilnehmer aber weiterhin auf eine Einigung im Handelsstreit zu setzen. Donald Trumps Brief wird von den Anlegern aktuell in der Tat weitgehend als Teil der Verhandlungsstrategie des Weißen Hauses angesehen. Diese Auffassung scheint durchaus gut nachvollziehbar zu sein. Allerdings steigt mit dem „Drohbrief“ die Gefahr einer Konfrontation natürlich in gewissem Umfang, was ein Grund für die Gewinnmitnahmen sein dürfte. In der Tat hat sich mit Elon Musk ein zentraler Gegner von zusätzlichen Handelshemmnissen inzwischen aus dem Beraterstab Donald Trumps verabschiedet. Zudem werden die Meldungen über die unerwartet hohen Zolleinnahmen vom Weißen Haus momentan regerecht gefeiert. Noch in dieser Woche dürften die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der US-Konsumentenpreise aber erstmalig ziemlich klar die Auswirkungen der neuen Handelspolitik Washingtons auf die Inflationsentwicklung offenbaren. Zudem passt die Rolle Donald Trumps als Aggressor im Handelskonflikt nicht wirklich zu seinen Plänen, perspektivisch auch Friedensnobelpreisträger zu werden; positive Nachrichten zu Handelsdeals mit größeren Nationen oder Ländergruppen wären auch grundsätzlich hilfreich für sein Image. Die EU scheint in jedem Fall weiterhin an einer einvernehmlichen Lösung interessiert zu sein. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Sonntag, dass die angedrohten Gegenmaßnahmen Brüssels trotz des Briefes aus Washington zunächst ausgesetzt bleiben würden. Auch der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz gab zu Protokoll, er wolle sich nun intensiv für eine Verhandlungslösung einsetzen.
Besonders spannend ist an dieser Stelle auch ein Blick auf das FX-Segment. Der US-Dollar notiert gegenüber der Gemeinschaftswährung vom Main inzwischen wieder unterhalb der Marke von 1,17 USD pro EUR und konnte in der Tat eher von den neuen Zollandrohungen Donald Trumps profitieren. Diese Beobachtung passt nicht wirklich zu der Auffassung, der US-Dollar habe den Status als „sicherer Hafen“ am Devisenmarkt mittlerweile verloren.
Fazit: Der neue „Liebesbrief aus Washington“ an den extrem wichtigen Handelspartner Brüssel hat den deutschen Blue-Chip-Aktienindex DAX in gewissem Umfang belastet. Die internationalen Aktienmärkte scheinen mit Blick auf den noch ausstehenden Handelsdeal der USA mit der EU eine recht ambitionierte Erwartungshaltung zu haben. Diese Einschätzung ist durchaus gut nachvollziehbar. Mit der neuen Post von Donald Trump erhöhen sich nun aber die Risiken für ein Scheitern der Gespräche. Folglich können auch gewisse Gewinnmitnahmen der Anleger als angemessene Strategie bezeichnet werden. Der Blick der Marktteilnehmer ruht nun auf den neuen Zahlen zur Entwicklung der US-Konsumentenpreise im Juni, welche wohl erste klare Hinweise auf durch die Zölle verschärfte Inflationsgefahren in den Vereinigten Staaten liefern werden.
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