Negativzinsen und ihre Wirkung auf die Menschen - Deutsche Bank Kolumne
22.08.2019 17:40 Uhr - Autor: Kolumnist auf twitter
Was soll der brave Bürger davon halten, wenn sein Finanzminister, ein hochrangiger Vertreter des Staates, prüfen lässt, ob er ihn vor den Handlungen eines anderen staatlichen Organs, der Zentralbank, schützen kann. Denn genau darauf läuft das vom bayerischen Ministerpräsidenten Söder geforderte Verbot von Negativzinsen für die Einlagen bei den Banken (bis zu einer gewissen Größenordnung) hinaus, dessen Realisierungschancen jetzt im Finanzministerium geprüft werden. Disclaimer: Der Text ist eine Kolumne der Deutschen Bank. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!
In der öffentlichen Debatte überwiegt die Ablehnung, die wir prinzipiell teilen. Ein solches Verbot stelle einen Eingriff in die privatrechtliche Vertragsfreiheit dar und überhaupt, dies wäre ein massiver Markteingriff und sei damit tabu, hört man von einigen, die plötzlich ihr ordoliberales Gewissen wiederentdecken. Die betroffene Bevölkerung dürfte dies wahrscheinlich anders sehen. Zudem dürften sich die Bürger wohl die Frage stellen, inwieweit es sich noch um einen funktionierenden Markt handelt, wenn ein Akteur das Angebot sowohl mengenmäßig (durch eine Verdreieinhalbfachung der Bilanz) als auch preismäßig (durch die Einführung negativer Einlagenzinsen) absolut dominiert und damit den Markt aus den Angeln gehoben hat. Auch der in ökonomischen Dingen weniger versierte Bürger dürfte sich fragen, wie es denn sein kann, dass er für seinen - ihm durch Evolution und Sozialisierung in die Wiege gelegten - Drang zur Zukunftsvorsorge, der bis dato einen hohen moralischen Wert besaß, nunmehr eine Strafsteuer aufgebrummt bekommt. Denn nichts anderes ist der negative Zins.
Aus der Sozialpsychologie wissen wir, dass eine derartige kognitive Dissonanz unser Selbstkonzept gefährdet und unseren Selbstwert bedroht, aber auch, dass der dann einsetzende Versuch der Dissonanzreduktion häufig zu Wahrnehmungs- und Denkfehlern führt. Dabei kann es zur Resignation kommen, man findet sich einfach mit der neuen Situation ab und versucht, das Beste daraus zu machen – eine Reaktion, die am Finanzmarkt mit seinem eher kurzfristigen Herdenverhalten vorzuherrschen scheint. Beim Bürger scheint dagegen, wie eine neue Forsa-Umfrage erneut zeigt, das Vertrauen in die staatlichen Institutionen immer mehr zu schwinden. Dies hat sicherlich auch noch andere Gründe. Aber man darf sich fragen, wie sich das Verhalten der Bürger generell ändern könnte, wenn ihm an dem Markt, wo Zukunft bewertet wird, signalisiert wird, dass sich eine Zukunftsorientierung – zumindest in Form von Ersparnisbildung – nicht mehr auszahlt. Der verunsicherte und nach Orientierung suchende Bürger könnte sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs noch mehr zurückziehen oder sich von den etablierten Parteien abwenden und sein Glück bei solchen suchen, die mit einfachen Erklärungen und Lösungen locken und vielleicht seine Vorurteile bedienen.
Der Historiker Yuval Noah Harari beschreibt in seinem Buch Sapiens, dass die moderne Gesellschaft erst durch den kollektiven Glauben an eine bessere Zukunft ermöglicht wurde. Dieser Glaube ermöglichte Unternehmern kreditfinanzierte Investitionen in der Gegenwart zu tätigen, die sich erst in der Zukunft auszahlen würden. Der Kredit kommt von den Sparern und Banken, die darauf vertrauten, dass ein Mehr an zukünftigen Ressourcen die Rückzahlung ermöglichte. Er beschreibt einen Tugendkreislauf, in dem Vertrauen in die Zukunft mehr Kredit ermöglicht, der wiederum zu mehr Wachstum führt und damit das Vertrauen stärkt. Dies Mehr an Wachstum erklärt die positiven Zinsen. Mit einem negativen Zinssatz könnte sich dieser Tugendkreislauf in einen Teufelskreislauf verwandeln. Die Sorge, dass mit dem Verschwinden des positiven Zinses auch das Vertrauen in die Zukunft zunehmend Schaden nimmt, ist daher nicht von der Hand zu weisen.
…und ja, man kann mir unterstellen, dass ich als Banken-Volkswirt (auch) im Sinne meines Arbeitgebers argumentiere. Schließlich müssen die deutschen Banken allein aufgrund des negativen Einlagenzinssatzes von -0,4% der EZB jährlich rund 2,3 Mrd. Euro überweisen.
Autor: Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland - Deutsche Bank.
Hinweis auf Interessenskonflikt(e): Der / die Autor(in) oder andere Personen aus der 4investors-Redaktion halten unmittelbar Positionen in Finanzinstrumenten / Derivate auf Finanzinstrumente von Unternehmen, die in diesem Beitrag thematisiert werden und deren Kurse durch die Berichterstattung beeinflusst werden könnten: Deutsche Bank.
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