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Deutsche Börse: Europa muss Rückstände aufholen

07.08.2015 15:15 Uhr - Autor: Kolumnist  auf twitter

Eric Leupold, Leiter Issuer und Primary Market Relations der Deutschen Börse, im Gespräch mit der Redaktion des BondInvestor. Foto und Copyright: Deutsche Börse AG.

Acht Börsengänge gab es im bisherigen Jahresverlauf im Prime Standard in Frankfurt. Wenn es nach Eric Leupold, Leiter Issuer und Primary Market Relations der Deutschen Börse, geht, dürften es bis zum Jahresende noch ein paar mehr IPOs geben. Im Exklusivinterview mit unserer Redaktion macht sich Leupold Gedanken, wie man das Interesse an Börsengängen fördern könne. Er sinniert darüber, wie die Politik dabei helfen kann und spricht sich für eine EU-Initiative aus. Deutliche Worte findet Leupold zur Zukunft des Anleihenmarktes.


BondInvestor: Die Krise in Griechenland hat zuletzt zu einigen IPO-Absagen geführt. Wie bewerten sie derzeit die Stimmung für Neuemissionen?

Leupold:
Nicht nur die Griechenland-Krise sondern auch die Geld- und Zinspolitik in Europa und den USA stehen aktuell im Fokus des Kapitalmarktes und führen zu Unsicherheiten am Primärmarkt. Eine konkrete Aussage der US-Notenbank Federal Reserve bezüglich des Zeitpunkts von Zinserhöhungen wurde noch nicht getroffen. Trotz der Unsicherheiten am Kapitalmarkt war das Klima für IPOs bisher freundlich. Ein Grund hierfür waren sicher auch die hohen Bewertungen, der DAX stieg teilweise über 12.000 Punkte. Rückblickend verzeichnete der Markt für Börsengänge in Deutschland in diesem Jahr eine solide Entwicklung. Insgesamt wurden bisher acht Neuemissionen im Prime Standard mit einem Gesamtvolumen von 3 Milliarden Euro emittiert. Mit einem Emissionserlös von rund 1,16 Milliarden Euro (inkl. Greenshoe) war der Börsengang der Deutsche Pfandbriefbank AG bisher der größte Börsengang im Jahr 2015 an der Frankfurter Wertpapierbörse.

BondInvestor: Wie viele Börsengänge wird es nach der Sommerpause bis zum Jahresende möglicherweise geben?

Leupold:
Hier eine verlässliche Prognose abzugeben, ist sehr schwierig. Wie viele IPOs wir in diesem Jahr noch sehen werden, hängt vor allem davon ab, wie volatil das Marktumfeld ist. Wir sind aber zuversichtlich, in diesem Jahr noch einige neue Unternehmen in Frankfurt zu begrüßen.

BondInvestor: Was kann die Börse tun, um das Interesse an weiteren IPOs zu fördern?

Leupold:
In Deutschland werden überwiegend etablierte Unternehmen an den Kapitalmarkt gebracht. Die Anzahl kleiner und junger Wachstumsunternehmen, die den Gang aufs Parkett wagen, ist bisher noch gering. Mit dem im Juni 2015 gestarteten Deutsche Börse Venture Network möchten wir dazu beitragen, die Rahmenbedingungen – insbesondere die spätere Wachstumsfinanzierung - für junge Wachstumsunternehmen zu verbessern. Damit sollen Kapitalmaßnahmen sowie Börsengänge erleichtert werden. Das Deutsche Börse Venture Network bietet den Unternehmen nicht nur den Zugang zu einem nationalen und internationalen Investorennetzwerk, es bereitet sie auch durch gezielte Trainingsprogramme auf die Anforderungen des Kapitalmarktes vor.

Ungleichgewichte bei Fremdkapital und Eigenkapital beseitigen

BondInvestor: Sie sprechen es an: Seit Juni unterhält die Deutsche Börse ein Matchmaking-Portal für Jungunternehmen und Investoren. Wie sind ihre ersten Erfahrungen?

Leupold:
Das Deutsche Börse Venture Network bringt junge und wachstumsstarke Unternehmen mit internationalen Investoren zusammen, um ihnen eine effektive Finanzierung ihres Wachstums zu ermöglichen und ein umfassendes Netzwerk aufzubauen. Das Programm setzt sich aus einer nicht-öffentlichen Online-Plattform zur Anbahnung von Finanzierungsrunden sowie aus verschiedenen Trainings- und Networking-Veranstaltungen zusammen und dient der Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten von jungen Wachstumsunternehmen. Bereits 34 Unternehmen und 58 Kapitalgeber sind auf der Plattform gelistet und haben sich bei den ersten Investor Talks ausgetauscht. Das Feedback der Teilnehmer war durchweg positiv, weshalb wir an diesem Format festhalten werden.

BondInvestor: Ist der möglicherweise anstehende Index für Startups eine Konsequenz aus diesem Portal? Ein solcher Index wird derzeit von ihnen geprüft. Wie weit sind die Vorbereitungen vorangekommen?

Leupold:
Ja, wir prüfen die Berechnung eines Index, der die Entwicklung deutscher börsennotierter Wachstumsunternehmen repräsentativ dokumentiert. Ein solcher wäre wünschenswert, da er die Sichtbarkeit und das Potenzial dieser Unternehmensgruppe sowohl bei pre IPO- als auch bei Kapitalmarktinvestoren verstärkt. Derzeit sind die Voraussetzungen für einen solchen Index aber nicht gegeben.

BondInvestor: Welche Maßnahmen von Seiten der Politik wären hilfreich, um eine neue IPO-Welle anzukurbeln?

Leupold:
Der Kapitalmarkt in Deutschland spielt bei Unternehmensfinanzierungen eine zu geringe Rolle, dazu zählt unter anderem auch die Finanzierung über einen Börsengang. Im internationalen Vergleich liegt nicht nur Deutschland, sondern auch Europa zurück. Marktteilnehmer, Aufsichtsbehörden und die Politik müssen hier enger zusammenarbeiten. Die Deutsche Börse unterstützt die Arbeit an der von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angeregten Kapitalmarktunion. Damit soll unter anderem der Zugang zur Eigenkapitalfinanzierung verbessert werden. Beispielsweise ist Fremdkapital gegenüber Eigenkapital steuerlich bevorzugt. Um einheitliche Bedingungen zu schaffen, müsste dieses Ungleichgewicht beseitigt werden.

Deutsche Börse wirbt nicht mehr um Unternehmen aus China

BondInvestor: Wie geht es mit der China-Initiative der Deutschen Börse weiter? Werden sie auch künftig chinesische Unternehmen nach Frankfurt holen wollen? Oder rücken andere Länder neu in ihren Fokus?

Leupold:
Die Deutsche Börse wirbt schon seit rund zwei Jahren nicht mehr aktiv um chinesische Unternehmen. Wir freuen uns über jedes Unternehmen, das sich für einen Börsengang in Frankfurt entscheidet und mit dazu beiträgt, den Finanzstandort Frankfurt international zu stärken, einen besonderen Länderfokus gibt es nicht.

BondInvestor: Viele China-Aktien sind in Frankfurt gefloppt. Zieht die Deutsche Börse daraus Konsequenzen? Sehen Sie irgendeine Verantwortung im eigenen Unternehmen?

Leupold:
Die Prüfung der Qualität und Börsenreife von Unternehmen vor und nach dem IPO im Rahmen einer Due Diligence ist eine wichtige Aufgabe der beteiligten Konsortialbanken. Diese stehen auch mit ihrer Reputation für die Auswahl geeigneter Unternehmen. Letztendlich entscheidet dann der Markt über die Börsenreife und Qualität von Unternehmen, nämlich Investoren mit der Zeichnung der Aktien. Diese sollten in der Lage sein, die Chancen und Risiken von Geschäftsmodellen und das Vertrauen in das Management des Unternehmens zu beurteilen und Risiken zu tragen.

Die Börse prüft lediglich, ob die Zulassungs- bzw. Einbeziehungskriterien erfüllt sind. Sofern die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, hat ein Emittent im regulierten Markt sogar einen einklagbaren Anspruch auf Zulassung.

BondInvestor: Viele Börsenkandidaten kümmern sich vor und auch nach ihrem Börsengang vor allem um institutionelle Investoren und lassen Privatanleger links liegen. Was halten sie davon?

Leupold:
Grundsätzlich können Emittent und Emissionsbegleiter frei entscheiden, an welchen Anleger welche Stückzahl an Aktien veräußert wird. In der Praxis ist die gewünschte Aktionärsstruktur des Emittenten das zentrale Entscheidungskriterium. Hierbei fließen insbesondere Überlegungen zur Streuung der Aktien im Publikum, zum Verhältnis von Privatanlegern und institutionellen Anlegern als Anteilseignern sowie zur Internationalität des Aktionariats ein.

Aus Sicht des Anlegerschutzes unterscheidet die Börse nicht zwischen privaten und professionellen Anlegern. Investoren, auch private, müssen daher in der Lage sein, fundierte Entscheidungen zu treffen und die Chancen und Risiken von Geschäftsmodellen und auch der Corporate Governance des Managements zu beurteilen und zu tragen.

BondInvestor: Ist der Markt für Mittelstandsanleihen tot?

Leupold:
Wir halten das Konzept für sinnvoll, jungen, wachsenden und mittelständischen Unternehmen eine Ergänzung zum klassischen Bankkredit zu bieten. Unternehmen müssen auch künftig die Möglichkeit haben, sich über den Kapitalmarkt mit Fremdkapital zu versorgen. Wichtig ist dies insbesondere im Hinblick auf die restriktive Kreditvergabepolitik der Banken aufgrund strenger gesetzlicher Anforderungen (Basel III). Wir verwenden bewusst nicht den Begriff „Mittelstandsanleihen“, er vermittelt kein korrektes Bild für den Entry Standard. Denn dieser zielt neben mittelständischen auf junge und kleinere Wachstumsunternehmen ab, die oft zum ersten Mal in Berührung mit dem Kapitalmarkt kommen. Das Risiko ist damit höher als bei einem markterfahrenen Emittenten und spiegelt sich im deutlich höheren Kupon wider. Der Entry Standard für Unternehmensanleihen richtet sich deshalb vorwiegend an professionelle Investoren, die rund 90 Prozent des Emissionsvolumens zeichnen.

Aktuell befindet sich der Markt für Unternehmensanleihen in einer Konsolidierungsphase. Wir erwarten eine weitere Professionalisierung des Segments und gehen fest davon aus, dass der Markt für Anleihen auch weiterhin Bestand haben wird.

Disclaimer: Der Text ist eine Kolumne aus der aktuellen Ausgabe des BondInvestor, einer redaktionellen Kooperation der wallstreet:online AG mit www.4investors.de. Jegliche Haftung und Ansprüche werden von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!

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