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EZB drosselt Zinstempo, geht aber sehr hawkish ins Jahr 2023 - Nord LB

15.12.2022 19:13 Uhr - Autor: Kolumnist  auf twitter

Bild und Copyright: telesniuk / shutterstock.com.

Die Europäische Zentralbank hat auf ihrer letzten Sitzung im Jahr 2022 ihren Straffungskurs fortgesetzt, erwartungsgemäß aber das Tempo der Zinserhöhungen leicht gedrosselt. Alle drei relevanten Leitzinsen wurden um jeweils 50 Basispunkte angehoben. Der Hauptrefinanzierungssatz notiert demnach neu bei 2,50%, der Einlagefazilitätensatz bei 2,00% und der Satz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität bei 2,75%. Damit gesellt sich die EZB zum „50er-Club“: Binnen 24 Stunden hatten die Fed, die Schweizerische Nationalbank und die Bank of England jeweils ihr Zinserhöhungstempo auf 50 Basispunkte reduziert.

Zudem hat der Rat beschlossen, ab Anfang März den Bestand aus dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) „in einem maßvollen und vorhersehbaren Tempo“ zu reduzieren. Bis zur Jahresmitte hat sich der Rat auf ein vergleichsweise geringes Anfangstempo von monatlich durchschnittlich EUR 15 Mrd. zur Reduktion des APP-Bestands geeinigt, sicher auch, um abrupte Marktreaktionen wie im Juni bei den Spreads diesmal zu vermeiden. Allerdings wird der zukünftige Tapering-Pfad dann im Zeitablauf festgelegt. Sofern die Märkte den Start des Quantitative Tightening (QT) gut verkraften, ist eine Beschleunigung im zweiten Halbjahr 2023 wahrscheinlich. Ein zusätzlicher aktiver Abverkauf dürfte jedoch angesichts des hohen Volumens an Fälligkeiten in 2023 keine besonders realistische Option sein.

Die Tempodrosselung der EZB und der Startschuss für das QT sind sicher im Zusammenhang zu sehen. Es spricht viel für ein erneutes „quid pro quo“ zwischen Falken und Tauben. Ein langsamer, aber möglichst früher Start und der Grundsatz einer weiteren Straffung auf der Zinsseite sind ein kluger Kompromiss. Die Falken können gut mit einem Zinsschritt um 50 Basispunkte leben, da so noch in 2022 in etwa das neutrale Zinsniveau beim Einlagesatz erreicht wird. Die Geldpolitik stützt somit nicht mehr, zur Eindämmung der Inflation ist aber ein restriktives Niveau notwendig. Der Rat gibt daher einen klar hawkishen Ausblick, wonach die Zinsen „noch deutlich und in einem gleichmäßigen Tempo steigen müssen.“

Die Projektionen der EZB wurden wie üblich im Dezember aktualisiert und – wie erwartet – erneut teils deutlich angepasst. Während der Konjunkturausblick (2023: 0,5%) allenfalls eine milde und kurze Rezession impliziert, sind über den gesamten Prognosezeitraum die prognostizierten Inflationsraten angehoben worden. So soll sich die HVPI-Rate 2023 nur auf 6,3% von 8,4% in diesem Jahr zurückbilden, aber auch mittelfristig (2024: 3,4%; 2025: 2,3%) hartnäckig bleiben. Höhere Zinsen sollen über eine Dämpfung der Nachfrage wirken und zugleich das Risiko einer Entankerung der Inflationserwartungen begrenzen.

Das Ausmaß der heutigen Zinserhöhung von 0,5 Prozentpunkten liegt im Rahmen der Erwartungen der zuvor befragten Analysten und Volkswirte. Mit weiteren Zinserhöhungen muss – wenig überraschend – auch im Jahr 2023 gerechnet werden. An den Märkten wurden offenbar jedoch einige auf dem falschen Fuß erwischt, relativ kräftig fielen daher die ersten Marktbewegungen infolge der Entscheidung aus. Die Rendite deutscher Bundesanleihen (10J) sprang gut 10 Basispunkte über die Marke von 2,0%.

Fazit: Die Europäische Zentralbank hat auf Ihrer heutigen Ratssitzung ihr Zinserhöhungstempo leicht gedrosselt, bleibt ansonsten aber sehr hawkish. Mit dem Beschluss, die Leitzinsen nur um 50 Basispunkte anzuheben, befindet sich die EZB nach den Entscheidungen der Fed, der Schweizerischen Nationalbank und der Bank of England in guter Gesellschaft. Zugleich hat die EZB für März den Start eines Tapering im Rahmen des APP verkündet. Die aktualisierten Projektionen sehen den Inflationsdruck nun als noch hartnäckiger und langwieriger an, weshalb die EZB einen sehr hawkishen Ausblick gegeben hat. Demnach müssten die Zinsen „noch deutlich und in einem gleichmäßigen Tempo steigen“, um eine zeitnahe Rückkehr zum Stabilitätsziel zu erreichen. Die Tempoverlangsamung darf somit nicht missverstanden werden als baldiges Ende der Zinserhöhungen. Bei den Leitzinsen hat die EZB das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht!

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Nord LB. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!

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