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Bayer, Lufthansa und Co.: Virtuelle Hauptversammlungen als Chance für die Aktienkultur

03.06.2020 10:34 Uhr - Autor: Kolumnist  auf twitter

Zu den Vorreitern neuer Regelungen zur Hauptversammlung unter den Emittenten in Deutschland zählte die Bayer AG, die als erster Dax-Konzern ihre HV virtuell anbot. Bild und Copyright: nitpicker / shutterstock.com.

Geschäftsberichte glänzen heute online mit interaktiven Grafiken und Filmen statt mit hochwertigem Papier. Presse- und Analystenkonferenzen finden zunehmend telefonisch oder als Webcast statt. Nur die Hauptversammlung (HV) füllte Jahr um Jahr große Hallen und versammelte mitunter tausende Aktionäre unter einem Dach, ohne dass sich nennenswert etwas änderte. Erst das Coronavirus sorgt auch beim jährlichen Ritual für eine Zeitenwende: Zumindest im Jahr 2020 darf das Aktionärstreffen komplett virtuell stattfinden. Für die Aktionärskultur in Deutschland ist diese Neuerung eine erhebliche Chance.

Physische Treffen plötzlich nicht mehr möglich
Angesichts der Pandemie und der daraus resultierenden Kontaktverbote waren klassische Präsenz-Hauptversammlungen plötzlich nicht mehr möglich. In einem bislang beispiellosen Gesetzgebungsverfahren wurde daraufhin mehr Spielraum für die Emittenten geschaffen: Aktiengesellschaften haben nunmehr das Recht, ihre HV später als bislang durchzuführen – ausnahmsweise spätestens zwölf Monate nach Ende des Geschäftsjahres statt bislang nach acht Monaten. Für Gesellschaften nach europäischem Recht (SE) gilt hingegen aktuell noch unverändert eine Frist von sechs Monaten. Die Einladungsfrist kann von rund 36 auf 21 Tage verkürzt werden.

Und vor allem darf das Aktionärstreffen virtuell stattfinden. Die Übertragung muss per Film und Ton erfolgen, Aktionäre haben wie gewohnt ein Fragerecht. Somit sorgte das neuartige Virus für ein Novum. Denn bislang waren nur wenige Teilaspekte einer HV digitalisiert worden, beispielsweise mit Online-Abstimmungen über ein Investorenportal oder Übertragungen der eigentlichen Präsenz-HV, die aber oftmals die Generaldebatte ausklammerte.

Mehr Beteiligung der Aktionäre möglich
Zu den Vorreitern unter den Emittenten in Deutschland zählte die Bayer AG, die als erster Dax-Konzern ihre HV virtuell anbot. Entsprechend blickten Vorstände anderer Gesellschaften, Investoren und Kleinanleger am 28. April gebannt auf ihre Monitore. Dabei bot sich ein ungewohntes Bild, da nur wenige Unternehmensvertreter im Raum anwesend waren. Der Ablauf jedoch war vergleichbar einer gewohnten HV – nur eben ohne anwesende Aktionäre, also wie ein Fußballspiel ohne Fans.

Größter Unterschied zu 2019: Die Fragen mussten im Vorfeld eingereicht werden, eine Diskussion blieb aus. Insgesamt gingen 245 Fragen ein - nach Angaben von Bayer auf dem Niveau der Vorjahre. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass künftig bei virtuellen HVs mehr Fragen von den Eignern gestellt werden, wenn sich das neue Format stärker etabliert. Hier liegt eine erhebliche Chance für die Aktionärskultur – ungeachtet der Kritik von Aktionärsschützern, dass vielfach die Fragen bereits bis zwei Tage vor dem eigentlichen Termin gestellt werden müssen und keine Nachfragen während der laufenden Versammlung möglich sind. Denn festzuhalten bleibt, dass durch die neue Gesetzeslage erstmals alle Aktionäre ein Fragerecht genießen – und nicht nur die, die tatsächlich anwesend sind. Hinzu kommt: Bayer hat offenbar nicht von dem Recht Gebrauch gemacht, nur ausgewählte Fragen zu beantworten. Somit scheint diese Befürchtung zumindest bei einem Großkonzern, der auf Transparenz und gute Corporate Governance setzt, unbegründet. Hier haben Aufsichtsrat und Vorstand die neue Lage genutzt, Vertrauen und Reputation zu steigern.

Einen ganz anderen Eindruck vermittelte hingegen der Baukonzern Hochtief: Hier dauerte es laut eines Artikel der Börsen-Zeitung keine 20 Minuten, bis der Vorstand die Fragerunde beendet hatte – schließlich wurden hier die Antworten wohl stichwortartig in Themenblöcken zusammengefasst. „So nicht“, urteilte dann die Börsen-Zeitung.

Beim Blick auf die HV der Lufthansa wiederum zeigt sich: Hier hat sich die Zahl der Teilnehmer verzehnfacht. Fanden 2019 noch rund 1000 Anteilseigner den Weg ins World Conference Center in Bonn, klickten sich 2020 rund 10.000 Aktionäre in die virtuelle HV. Dieses steigende Interesse dürfte ebenfalls die Aktienkultur in Deutschland stärken. Kurios, dass sich bei der Lufthansa dieser Zuwachs nicht in der Präsenz niederschlug, denn diese lag deutlich unter dem Vorjahr. Noch ist auch nicht abzuschätzen, wie viele Unternehmen die Rede des Vorstandsvorsitzenden schon vorab veröffentlichen und so – wie beispielsweise die Lufthansa – für mehr Transparenz sorgen.

Aktuell sind virtuelle Hauptversammlungen in Deutschland nur in diesem Jahr zulässig. Wenn sich aber die Emittenten aktionärsfreundlich verhalten und die Zahl der beteiligten Aktionäre steigt, wäre es auch im Sinne der Aktienkultur wünschenswert, dieses Format dauerhaft zu ermöglichen beziehungsweise die heutige Präsenz-Hauptversammlung entsprechend zu ergänzen. Es würde auch den Unternehmen die Chance geben, aus der HV-Saison 2020 zu lernen. Mehr Interaktivität, mehr innovative Medienformate und mehr Live-Elemente wie eine tatsächliche Abstimmung während der HV sind hier die wichtigsten Verbesserungspotenziale. Auch der Zeitrahmen ist entscheidend, denn vor dem Bildschirm ist die Konzentrationsspanne der Aktionäre deutlich kürzer: Drei Stunden werden von anerkannten HV-Experten wie Rechtsanwalt Michael Schwartzkopff von der Kanzlei Legerlotz Laschet in Köln empfohlen.

Vom neuen Format könnten also Emittenten und Aktionäre gleichermaßen profitieren. Voraussetzung dafür ist aber, dass zumindest ein Teil der gesetzlichen Bestimmungen über das Jahr 2020 hinaus Bestand hat. Vom verantwortungsbewussten Umgang der Unternehmen mit den neuen Möglichkeiten hängt ebenfalls viel ab – nach den ersten positiven Erfahrungen hat die virtuelle Hauptversammlung mit Sicherheit eine zweite Chance verdient.

Über die Autoren:
Christian Dose ist Senior Consultant, Volker Siegert ist Senior Director bei der Kommunikationsberatung WMP Finanzkommunikation GmbH in Frankfurt am Main. Beide verfügen über langjährige Erfahrung in der Beratung börsennotierter Unternehmen.

Disclaimer: Der Text ist eine Kolumne von Christian Dose und Volker Siegert. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!

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