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Coronavirus und die weiteren konjunkturellen Perspektiven: Rezession ahoi! - Nord LB Kolumne

17.03.2020 18:19 Uhr - Autor: Kolumnist  auf twitter

Bild und Copyright: gary yim / shutterstock.com.

Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus erfordert zur Eindämmung bisher unvorstellbare Maßnahmen in nun allen Ländern. Die Schließung der Grenzen, die Einstellung nahezu des gesamten öffentlichen Lebens, die vorrübergehende Schließung von Unternehmen und Geschäften sowie die Minimierung jeglicher Sozialkontakte hat massive Auswirkung auf die wirtschaftliche Tätigkeit. Was für China bereits seit sieben bis acht Wochen der Fall ist, dürfte nun auch für Europa und Nordamerika bittere Realität werden – und das noch (mindestens) für einige Wochen. Insofern kann China sicherlich als „Vorreiter“ angesehen werden, so dass sich zur Abschätzung der Perspektiven für Europa und Nordamerika sicherlich ein Blick nach China zunächst anbietet.

Für China gehen wir nach den sehr schwachen Angaben zu den Entwicklungen von Einzelhandelsumsätzen und Industrieproduktion in den Berichtsmonaten Januar und Februar inzwischen davon aus, dass die Wirtschaft des Landes im I. Quartal 2020 deutlich geschrumpft ist. Wir erwarten hier mittlerweile eine Veränderungsrate von -9,0% Y/Y. Für dieses Szenario spricht auch der jüngst gemeldete deutliche Anstieg der Arbeitslosenquote im Reich der Mitte. Es gibt aber auch erste Signale für ein doch recht zügiges Anziehen der ökonomischen Aktivität im März. Wir gehen im II. Quartal 2020 von einer Erholung aus und rechnen hier mit einer Wachstumsrate von 3,0% Y/Y. Diesem nun an die aktuellen Entwicklungen angepassten Bild der ökonomischen Entwicklungen in der wichtigsten asiatischen Volkswirtschaft folgend würde China im Jahr 2020 lediglich um 3,9% wachsen. Sollte die Schwäche im I. Quartal 2020 nicht sofort – also im folgenden Quartal – kompensiert oder überkompensiert werden, drohen sogar noch unfreundlichere Nachrichten. Läge die Wachstumsrate im II. Quartal 2020 beispielsweise im Bereich von nur 0,0% Y/Y, würde sich unseren Berechnungen folgend im Gesamtjahr lediglich ein Wachstum von ziemlich genau 1% zeigen.

Die USA scheint den Entwicklungen in China knapp zwei Monate nachzulaufen. Die Zahl der Infizierten steigt rasant. Insofern ist davon auszugehen, dass die wirtschaftliche Aktivität in den kommenden Wochen deutlich zurückgehen wird. Der Einbruch beim für den Berichtsmonat März ersten verfügbaren Indikator – der New Yorker Empire State Survey – lässt erkennen, dass die befragten Unternehmen in der Region entsprechend negative Erwartungen haben. Die konjunkturelle Lage in den USA war allerdings in den Monaten Januar und Februar noch sehr robust (sie hätten ein BIP-Anstieg um etwa 2% erwarten lassen), so dass der nun prognostizierte BIP-Rückgang für das I. Quartal mit -0,5% Q/Q annualisiert wohl noch recht moderat ausfallen sollte. Im II. Quartal gehen wir schon von einem stärkeren BIP-Rückgang um -2,4% Q/Q annualisiert aus. In der Annahme, dass sich im III. Quartal eine Stabilisierung ergibt, rechnen wir nun für das Gesamtjahr 2020 mit einem BIP-Wachstum von 0,5%. Die Arbeitslosenrate wird über 6% steigen.

Die Eurozone dürfte in den Entwicklungen zeitlich noch knapp vor den USA laufen. Hierbei liegen aktuell die größten Probleme sicherlich in Italien. Da der europäische Währungsraum – im Gegensatz zur USA – bereits vor der Ausbreitung des Virus ein nur minimales Wachstum aufwies, sorgen die drastischen Maßnahmen schneller für eine Abwärtsspirale. Insofern wird die Eurozone mit Sicherheit im 1. Halbjahr 2020 in eine Rezession fallen, wobei vor allem das II. Quartal die volle Corona-Breitseite abbekommen wird. Das Jahr 2020 wird sicher einen BIP-Rückgang aufweisen. Für die Eurozone rechnen wir mit -0,4% Jahreswachstum und für Deutschland mit -0,6%.

Dass in Zeiten erhöhter Verunsicherung Investoren zu „Save-Hafen-Assets“ greifen, ist ein bekanntes Muster. Vor diesem Hintergrund gehören Treasuries zur gesuchten Ware, was die Renditen über die gesamte Kurve in den Keller befördert haben. Der aktuell scheinbar gefundene Boden von 0,80% bei 10j Treasuries wird im Falle einer weiteren Verschärfung jedoch nur ein Zwischenstopp gewesen sein. Die bei Bunds entgegengesetzte Bewegungsrichtung darf hingegen nicht fehlinterpretiert werden. Langlaufende Bunds konnten im Laufzeitenband von zehn Jahren zwar eine Rückkehr auf -0,45% verzeichnen, das noch immer nicht in Sicht befindliche Ende der Corona-Krise wird die Volatilität hingegen hoch halten. Bundesanleihen sind weiterhin die Save Hafen Assets Nr.1 in Europa und werden sich im Umfeld übermäßiger Verunsicherung zu neuen Rekordniveaus aufmachen. Ein Test der Marke von -1,0 % bei 10j Bunds sollte dabei im Krisenfall angepeilt werden.

Wie in der Finanz- und Staatsschuldenkrise ist die Nervosität der Marktteilnehmer auch heute besonders gut an den Creditmärkten ablesbar. Der aus Non-Financials und Financials zusammengesetzten iTraxx Europe erfuhr binnen weniger Tage annähernd eine Verdreifachung der Spreads und befindet sich nur noch wenige Basispunkte vom Siebenjahreshoch bei 126,22bp (11.02.2016) entfernt. Der iTraxx Senior Financials bildete unterdessen bereits heute ein neues Siebenjahreshoch aus und liegt nun bei 148bp. Mit Blick auf die Niveaus in Mitten der Finanzkrise ist noch Luft nach oben. Als Zielmarke sollte hier das Hoch vom 28. März 2013 bei 200bp im Auge behalten werden. Übersetzt auf den iTraxx Europe würde dies einem Spreadniveau von 175bp entsprechen.

Angesichts der vielen Verunsicherungen werden Turbulenzen an der Tagesordnung bleiben. Die Marktteilnehmer müssen aktuell relevante Entwicklungen jeder Art genau im Auge behalten. Liquidität ist derzeit sicherlich ein besonders wichtiges Thema. In diesem Kontext spielen Börsen beispielsweise eine große Rolle. Setzen die Philippinen in Bezug auf Börsenschließungen den Startpunkt für andere wichtigere Märkte? In Manila wurde der Aktien- und FX-Handel bereits ausgesetzt, in New York wird bereits über eine solche Maßnahme diskutiert. Als Ultima Ratio bei dramatischen Kursbewegungen mag dies das geeignete Mittel sein – wenn auch nur von kurzfristiger Natur. Die aktuellen Kursbewegungen in den USA und Europa geben allerdings keinen Anlass, hierüber nachzudenken. Auch wenn diese Maßnahme bei Tagesverlusten von 15% vorstellbar sind, deutet heute nichts auf Schließungen wichtiger Börsen hin.

Fazit: Die weltweite (konjunkturelle) Situation ist dramatisch. Die (konjunkturellen) Perspektiven ernüchternd. Wir haben unsere Prognosen angepasst und sehen sowohl in den USA als auch Euroland eine Rezession voraus, die auf dem alten Kontinent aber noch deutlicher ausfallen wird. In diesen Stunden sind Zukunftsaussagen allerdings nur Momentaufnahmen und können sich fast täglich verdüstern – oder auch aufhellen. Ein langsamerer Verlauf bei der Zunahme der Infizierten ergäbe bereits etwas Licht am Ende des Tunnels. Eine Meldung zu einem erfolgreich verlaufenen Test und einer Freigabe eines wirksamen Medikaments könnte bereits in den nächsten Wochen für ein spürbares Durchatmen sorgen. So weit ist es aber noch nicht.

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Nord LB. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!

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