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GECAM: Notenbankpolitik schafft Unsicherheit und birgt Chancen

02.11.2015 11:23 Uhr - Autor: Kolumnist  auf twitter

Über die Notenbankpolitik der letzten Jahre und deren Konsequenzen ist viel geschrieben worden. Aktuell schließt sich der Kreis und die Zentralbanker beschäftigen sich mit Problemen, die sie selber mit verursacht haben. Leider ist man als Kapitalmarktbeobachter gezwungen dieses Treiben permanent zu beobachten und zu kommentieren, da die Märkte in eine immer stärkere Abhängigkeit zu geraten scheinen.

US-Geldpolitik hat globale Auswirkungen

Seit über zwei Jahren versucht nun die US-Notenbank FED den Krisenmodus in der Geldpolitik zu verlassen. 2013 hat sie dies angekündigt, mit der Folge eines ersten kräftigen Kapitalabzugs aus den Emerging Markets. 2014 hat sie die Wertpapierkäufe das ganze Jahr über zurückgeschraubt und in 2015 hätte der erste Zinsschritt erfolgen sollen. Die Ankündigung dieses Prozesses hat unter anderem zu einem Anstieg des US-Dollars gegenüber einem Währungskorb von 20 %, gegenüber dem Euro sogar um rund 25 % auf 1,05 US-Dollar im März geführt. Da die meisten Rohstoffe in Dollar notieren, kamen auch diese nach dreijähriger Baisse nochmals stärker unter Druck. Vor allem die rohstoffexportierenden Länder sehen sich von mehreren Seiten belastet: Kapitalabzug - schwache Währung - steigende Zinsen wegen der schwachen Währung - Belastung der Wirtschaft durch steigende Zinsen - weniger Einnahmen aus dem Rohstoffverkauf - weniger Investitionen und Unternehmenspleiten in diesem Sektor - zunehmende Staatsverschuldung usw. – ein Teufelskreis. Und das alles nur weil die FED Zinserhöhungen angekündigt hat? Nicht nur, aber die Erst-, Zweit- und Drittrundeneffekte sind in global weitgehend integrierten Kapitalmärkten eben sehr direkt.

Warum erhöht die FED die Zinsen nicht endlich?

Die Geldpolitik der letzten Jahre wurde ursprünglich als Krisenmaßnahme initiiert und kommuniziert. Negative Effekte wurden dadurch bewusst in Kauf genommen. Nun sind die Auswirkungen einer zu expansiven US-Geldpolitik auf den Rest der Welt spürbar und die FED sieht sich nicht in der Lage die Zinssätze anzuheben, ohne belastende Effekte auf die Emerging Markets auszulösen, die wieder negative Rückkopplungen auf die eigene Wirtschaft hätten. Die Bank für internationalen Zahlungsverkehr schreibt, dass die Geldpolitik der USA einen signifikanten Einfluss auf die Zinssätze in den Schwellenländern hat und zwar weit über ein Maß hinaus, das man dem Wirtschafts-zyklus oder globalen Risikofaktoren zuschreiben kann.

Das heißt also, dass das US-Wirtschaftswachstum gar nicht so überschäumend daherkommt, um gleich in Inflationspanik auszubrechen. Eine Zinserhöhung scheint also nicht unbedingt opportun zu sein. Die Wirtschaft wächst zwar, aber längst nicht so robust, wie erwartet. Vor allem der Industriesektor, in dem die höherbezahlten Jobs geschaffen werden, schrumpft sogar etwas. Die Arbeitslosenquote sinkt zwar stetig, aber die Struktur des Arbeitsmarktes lässt zu wünschen übrig. Die Notenbank schiebt also ständig ihre eigenen Ziele in die Zukunft hinaus.

Unser Fazit: Das Zeitfenster für Zinserhöhungen ist eigentlich vorbei. Die FED hätte frühzeitig handeln und sich weniger Ziele setzen sollen, die sie dann doch nicht einhält. Die Konsequenz daraus war sehr viel Unsicherheit in den Märkten weltweit. Sie wird aber dennoch einen Zinsschritt vollziehen, um nicht das Gesicht zu verlieren.

EZB: Druckerpresse läuft heiß

Auf der anderen Seite des großen Teichs kam die EZB auf die Idee, die Einlagenzinsen für Banken ins negative Terrain zu senken und ein Anleihekaufprogramm zu initiieren, ganz nach dem Vorbild der Amerikaner in den Vorjahren. Die Vorfreude war groß! Der Euro fiel auf 1,05 US-Dollar, Staatsanleihen haussierten (= deutsche 10-Jahres-Renditen bei 0,08%!) und Aktienmärkte kannten kein Halten mehr. Das alles geschah jedoch bevor die ersten Anleihekäufe im März getätigt wurden. Seither ist eher Katerstimmung angesagt. Anleihen fielen zwischenzeitlich um über 10%, der Euro erholte sich in Richtung 1,15 US-Dollar und die Aktienmärkte korrigierten so heftig wie seit 2011 nicht mehr.

Bereits im letzten Jahr zeichneten sich erste Erfolge der Reformen in Südeuropa ab. Spaniens Wirtschaft wuchs seit zwei Jahren wieder, Deutschland legte um 1,6% zu. Es gab keine Deflation, sondern nur „gute“ Disinflation ausgehend von den Rohstoff- und Energiepreisen und auf diese haben die Notenbanken nur begrenzt Einfluss. Warum also diese explosive Geldpolitik?

Vordergründig müsse eine Zentralbank die Deflationsgefahren bekämpfen, indem die Inflationserwartungen für die Zukunft angefeuert werden, heißt es. Leider konnten wir weder eine Deflationsgefahr erkennen - wie gesagt waren nicht indogene, sondern exogene Faktoren (Rohstoffe) für den Rückgang verantwortlich – noch können wir konstatieren, dass Inflationserwartungen irgendetwas mit der tatsächlichen Inflation in der Zukunft zu tun haben. Betrachtungen aus der Vergangenheit liefern keinen Zusammenhang.

Somit sind Inflationserwartungen aus unserer Sicht immer nur Spiegelbild der aktuellen Stimmung und haben keinen signifikanten Prognosecharakter.

Wir denken, die EZB macht Konjunkturpolitik indem sie die eigene Währung – den Euro – schwächen will, um Exporte anzukurbeln und Importe teurer zu machen (importierte Inflation). In einem Umfeld fallender Rohstoffpreise klappt das leider nicht so richtig, da der Währungseffekt durch noch schwächere Rohwarenpreise überkompensiert wird. Darüber hinaus zielt die Geldpolitik auf die Kreditvergabe in der Eurozone ab. Ein durchaus wichtiger Punkt. Denn nur wenn das Kreditvolumen der Privatwirtschaft steigt, zieht auch die Konjunktur an. Aktuell sehen wir hier erstmals wieder Zuwachsraten seit fast vier Jahren! Ein Erfolg, aber leider nicht der Auftrag unserer Zentralbank. Das zentrale Ziel ist jedoch die Staaten der Eurozone solvent zu halten. Seit Jahren beobachten wir nahezu ungebremst weiter steigende Staatsschulden, aber durch die Zinspolitik und das im Frühjahr initiierte Anleihekaufprogramm wird die Zinslast (in Prozent zum BIP) immer geringer. Die Schulden steigen also, die Zinszahlungen darauf werden aber weniger. Ist doch klasse, oder? Aber leider nicht im Mandat unserer Zentralbank!

Jüngst verkündete Herr Draghi sogar noch die Absicht, das Anleihekaufprogramm ausweiten zu wollen – die Details kennt nur er. Aber warum? Spanien wächst, Frankreich ist stabil, selbst in Italien wächst die Wirtschaft wieder mal seit langer Zeit und die Verbraucherstimmung ist auf historischen Hochs. Selbst der Arbeitsmarkt erholt sich! Aber die Inflation ist ihm zu niedrig, wieder wegen der Rohstoffpreise.

Diese können die Zentralbanker bekanntermaßen zwar nicht beeinflussen, aber es ist und bleibt halt eine tolle Ausrede für eine weiterhin expansive Geldpolitik, die reformfaulen Staaten hilft über die Runden zu kommen – bis zur nächsten Wahl.

Notenbanken prägen weiterhin das Geschehen

Man kann nun die Politik der Zentralbanken beklagen oder gutheißen. Eindeutig ist, dass die Abhängigkeit der Märkte von diesen Institutionen zunimmt. Wir befinden uns oft sogar in der paradoxen Situation, dass schlechte Nachrichten aus der Wirtschaft (das sind die, die Wohlstand und Arbeitsplätze schaffen) beklatscht und mit steigenden Kursen gefeiert werden, da ja dann eine noch expansivere Geldpolitik erwartet werden könne. Im Umkehrschluss bedeuten dann gute Nachrichten aus der Wirtschaft fallende Kurse, weil man Angst hat, die Notenbank könnte weniger Geld drucken. Für durchschnittlich intelligente Beobachter ein absurder Zusammenhang.

Wir erleben durch die Hyperaktivitäten der Notenbanken eine Zweiteilung der Märkte. Einmal die Segmente, die die Notenbank subventioniert (selber kauft und durch Regulierung bei institutionellen Investoren bevorzugt) und Anlageklassen, die die Notenbank nicht befördert, indirekt über Eigenkapitalvorschriften der Banken, Versicherungen und Pensionskassen sogar sanktioniert. Zum ersten erlauchten Kreis gehören Staatsanleihen aller Art (auch schlechte), Pfandbriefe und Anleihen staatsnaher Unternehmen. Zum zweiten Kreis, dem schmuddeligen, gehören Aktien, Unternehmensanleihen und vor allem Unternehmensanleihen mit nicht ganz so guter Bonität (High Yield Bonds).

Effekte aus dem oben beschriebenen Sachverhalt sind, dass Banken aufgrund regulatorisch bedingt knapper werdendem Eigenkapital ihre Handelsbücher drastisch zusammengestrichen haben. In Krisenphasen verursacht dies ein Austrocknen kleiner Märkte, wie dem europäischen High Yield Markt und dadurch hohe Volatilitäten. Generell werden in Zeiten, wo wieder mal die Angst um die Weltkonjunktur „gespielt“ wird, sogenannte Risikoanlagen abverkauft. Wenn dann niemand mehr da ist, der dagegen hält und in der Lage ist, Marktschwankungen zu glätten und sich alle in Sicherheit (Staatsanleihen, Zentralbanken) flüchten, führt dies zu irrational starken Schwankungen und günstigen Kursen!

Opportunitäten bei Unternehmensanleihen

Auch Aktienmärkte wurden wieder günstig (Europa: KGV 12, Dividendenrendite > 3 %). Vor allem aber hochverzinsliche Unternehmensanleihen bieten historische Opportunitäten. Die aktuell eingepreisten Ausfallwahrscheinlichkeiten für die nächsten fünf Jahre spiegeln, mit 9 % bei Investment-Grade-Anleihen (gute Bonität) und 30 % im High Yield-Bereich, ein Niveau wider, welches in der europäischen Historie nie erreicht wurde. Rund 5 % Rendite bei ansonsten vorherrschendem Null-Zins-Niveau und einer sich konstruktiv entwickelnden europäischen Konjunktur sind nicht so schlecht. In den USA beträgt die Rendite sogar knapp 8 %, bei zugegebenermaßen ansonsten höherem Zinsniveau.

Fazit: Eine US-Notenbank, die für den Dezember Zinserhöhungen erwarten lässt und ihr europäisches Pendant, das für den gleichen Zeitpunkt genau das Gegenteil, nämlich noch stärker negative Zinsen und erhöhte Anleihekäufe in Aussicht stellt, bilden eine unzweifelhaft interessante Konstellation, die es so aus unserer Erfahrung noch nie gegeben hat. Wichtig für uns ist, die Unsicherheit an den Märkten, gekoppelt mit der Liquiditätsschwemme für günstige Käufe zu nutzen. Unternehmensnahe Investitionen wie Aktien und Unternehmensanleihen stehen dabei im Vordergrund. Für währungsaffine Anleger kann die einmalige Konstellation für Käufe im Dollar-Zins-Raum genutzt werden. Das dort vorherrschende höhere Zinsniveau liefert den Kupon und die Währung den Kursgewinn. Ein versöhnliches Jahresende kann kommen.

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der GECAM. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!

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