Nord LB – Ölpreis unter Druck: Verhandlungen mit Teheran gehen in die nächste Runde

Derzeit ballen sich die negativen Vorzeichen für die globalen Rohölmärkte. Der überraschende Ausgang des Referendums in Griechenland, die erneut aufkeimenden Sorgen in Bezug auf die konjunkturelle Verfassung Chinas und die dortigen Turbulenzen am Aktienmarkt sowie die in eine weitere Runde gehenden Gespräche zwischen Teheran und seinen Verhandlungspartnern lasten sowohl auf der Nordseemarke Brent als auch auf dem US-Pendant WTI: Der Brentpreis sackte sogar erstmals seit April dieses Jahres unter die Runde Marke von 55 US-Dollar je Barrel Rohöl. Damit liegt das Nordseeöl zwar noch deutlich oberhalb des diesjährigen Tiefstandes von 45,25 US-Dollar, die jüngste Abwärtsbewegung ist aber schon als Überraschung zu werten. Der WTI-Preis sackte im heutigen Handel bis auf 50,72 US-Dollar je Barrel ab und bewegte sich damit sogar empfindlich in Richtung der psychologisch wichtigen Marke von 50 US-Dollar.

Sicherlich spielen die nicht unbedingt für ein Anziehen der Wachstumsdynamik in der Eurozone sprechenden Meldungen in Bezug auf den griechischen Schuldenstreit sowie die Erwartung einer geringeren Nachfrage aus Fernost bei dem jüngsten Preisverfall eine gewisse Rolle. Dennoch würden wir das Ausmaß des Einflusses dieser beiden Faktoren heute eher als zweitrangig einstufen. Vielmehr sind es die jüngsten Berichte zu den in Wien abgehaltenen Verhandlungen zwischen den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China und Deutschland sowie Iran zu Teherans Atomprogramm, die auf den Notierungen lasten. Eine damit noch nicht vom Tisch gefegte Einigung hält damit die Möglichkeit Aufrecht, dass die iranische Rohölproduktion bald den Weg zurück an die Weltmärkte findet.

Vor dem Hintergrund der ohnehin anziehenden Rohölproduktion innerhalb der OPEC sehen damit immer mehr Marktteilnehmer ein signifikantes Überangebot an den Rohölmärkten. Der morgen anstehende monatliche EIA-Bericht zu den US-Rohöllagern ist als zusätzliches marktrelevantes Ereignis einzustufen. Zwar wird im Bloomberg-Konsens ein Rückgang der Lagerhaltung bei Rohöl erwartet. Das wiederum birgt allerdings die Gefahr einer negativen Überraschung.

Kurzfristig könnten also sowohl Brent als auch WTI noch einmal spürbar unter Abgabedruck geraten. Auf mittlere bis lange Sicht gehen wir hingegen weiterhin von langsam aber stetig anziehenden Notierungen aus. Hauptverantwortlich für den Rohölpreisanstieg zeichnen hier konjunkturelle Faktoren und damit die Nachfrageseite. So gehen wir weiterhin von moderaten Wachstumsraten in der Eurozone insgesamt aus. Darüber hinaus bleibt die US-Volkswirtschaft in einer soliden Verfassung und Peking dürfte eine harte Landung Chinas abwenden können. Auf Sicht der kommenden sechs Monate sollte der Brentpreis damit auch die Marke von 65 US-Dollar je Barrel überschreiten können.

Fazit: Während die jüngsten Meldungen aus der Eurozone und aus China den globalen Rohölmärkten durchaus etwas zugesetzt haben, kommt der Gegenwind für Brent und WTI am aktuellen Rand eher aus Richtung der möglicherweise an die Märkte zurückkehrenden iranischen Rohölproduktion. Die Marktteilnehmer sehen zunehmend die Gefahr eines Überangebots. Kurzfristig sind weitere Rückschläge für beide Benchmarksorten nicht auszuschließen. Ein solider globaler Wachstumspfad dürfte aber mittelfristig wieder stützend wirken.

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Nord LB. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!