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GECAM: Steigende Anleiherenditen sind gut für den Aktienmarkt

29.05.2015 16:25 Uhr - Autor: Kolumnist  auf twitter

Früher galt die Regel, dass wenn der Aktienmarkt aufgrund der verbesserten Konjunktur steigt, auf der anderen Seite die Anleihenkurse fallen und umgekehrt. In jüngerer Vergangenheit galt diese negative Korrelation jedoch nicht mehr. So stieg der Bund-Future, das deutsche Staatsanleihen-Barometer, von 110 im Jahr 2008 auf über 160 im April. Auch der deutsche Aktienindex kletterte unter Schwankungen von 3.666 im Frühjahr 2009 auf über 12.000 im April dieses Jahres. Normalerweise fallen die Kurse (= steigende Renditen) von Bundesanleihen mit langer Laufzeit, wenn sich die konjunkturellen Aussichten verbessern. Die Begründung dafür lautet, dass in einem günstigeren Konjunkturumfeld, riskantere Anlageklassen wie Aktien attraktiver werden. Darüber hinaus fordern Anleger eine höhere Kompensation für eine wahrscheinlicher gewordene höhere Inflation. Nun haben sich die wirtschaftlichen Aussichten in Europa und Deutschland verbessert. Mit einem Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent im ersten Quartal in Euroland, wäre es das stärkste Quartalswachstum seit zwei Jahren. Der jüngste Renditeanstieg wäre also eine Anpassung an die Realitäten.

Rentenmarkt passt sich Realität an

Die Begründung für den Rendite-Sinkflug zu Beginn des Jahres war für Rentenanleger einfach: Die EZB kauft für 60 Milliarden Euro pro Monat Anleihen und deshalb müssen die Renditen weiter sinken. An Negativrenditen bei kurzen Laufzeiten hatte man sich schon gewöhnt, aber plötzlich schienen selbst bei 10-jährigen Laufzeiten Minuszinsen eine ausgemachte Sache zu sein. Die Blase endete zunächst bei 0,05 Prozent im 10-jährigen Bereich. Plötzlich drehte der Markt und die Rendite schoss innerhalb von nur 16 Handelstagen auf knapp 0,80 Prozent hoch – manche sprachen von einem „kleinen Rentencrash“. Im Umkehrschluss bedeutete das für „sicherheitsorientierte“ Anleihen-Investoren einen Kursverlust von fast sechs Prozent in kürzester Zeit.

Offenbar nehmen die Anleger nach einer Euphorie-Phase aufgrund des Anleihen-Kaufprogrammes der EZB, nun verstärkt die konjunkturellen Realitäten wahr. Das Wachstum in Deutschland und Europa dürfte in der Tat dieses und nächstes Jahr wieder besser ausfallen als in den Jahren der Dauerkrise um Europa, Griechenland und der Ukraine. Auch die Inflation wird sich zum Jahresende - schon allein aufgrund der Basiseffekte - deutlich nach oben bewegen, wozu kein langfristiges Renditeniveau von Null passt.

Steilere Zinsstrukturkurve ist in der Regel gut für Aktien

Im Kulminationspunkt der Renten-Hausse waren alle Laufzeiten bis zu 8 Jahren im negativen Bereich und die Zinsstruktur (Differenz zwischen 2- und 10-jährigen Laufzeiten) war ziemlich flach (0,32 Prozent). Die Steilheit dehnte sich jedoch mit dem Rentenkurs-Verfall abrupt aus und erreichte in der Spitze 0,91 Prozent. Aktuell beträgt sie rund 0,78 Prozent (Differenz 10-Jahreszins 0,56 und 2-Jahreszins -0,22 Prozent). Wie sind nun der Renditeanstieg sowie der größere Zinsabstand zwischen kurzen und langlaufenden Anleihen zu interpretieren?

Oft ist zu hören, dass steigende Renditen Gift für den Aktienmarkt wären. So pauschal lässt sich das jedoch nicht sagen, denn es hängt vom Renditeniveau ab, von dem aus die Rendite ansteigt. In früheren Phasen eines Renditeanstiegs (1978-1981, 1986-1990 und 1994), war dies tatsächlich negativ für Aktien. Damals waren jedoch die Ausgangsniveaus deutlich höher als aktuell (5,62, 5,23 und 5,70 Prozent). Nach Anstiegen von solchen Niveaus aus deckten sich langfristig orientierte Investoren wie Versicherer und Pensionskassen mit Anleihen ein und sicherten sich die attraktive Rendite auf Endfälligkeit, die darüber hinaus - im Verhältnis zu Aktien - klar kalkulierbar war. In späteren Renditeanstiegs-Phasen (1999, 2005, 2010, 2013) war der Aktienmarkt zwar zunächst verunsichert, konnte jedoch danach weiter zulegen. Der Grund dafür ist einfach: Die Renditeperspektiven für klassische Rentenanleger waren bedeutend geringer, da das Ausgangsniveau des Renditeanstiegs absolut betrachtet niedriger war (3,64 / 3,02 / 2,09 / 1,16 Prozent). Erstens erfüllen solch niedrige absolute Niveaus für viele Deckungsstockanleger nicht mehr die Zielrendite, beziehungsweise sie sind nicht mehr kostendeckend. Darüber hinaus hat das Risiko, bei Neukäufen im Anleihemarkt über Kursschwankungen gleich einen ganzen Jahreskupon zu verlieren, bei solch geringen absoluten Renditen deutlich zugenommen. Langfristig zu erwartende Aktienrenditen sind jedoch seit Jahren relativ stabil, weshalb es nicht mehr ausgemachte Sache war, bei Renditeanstiegen dem Aktienmarkt sofort den Rücken zu kehren.

Was die steilere Zinsstrukturkurve betrifft, so ist diese einmal Folge und einmal Ursache der besseren Wirtschaftsaussichten. Langfristanleger kaufen lieber Aktien, da diese sich in Wachstumsphasen besser entwickeln und verkaufen, oder meiden langlaufende Anleihen. Als Folge steigen die Renditen am langen Ende der Kurve und diese wird steiler.

Niedrige Kurzfristzinsen (weitgehend von der Notenbank bestimmt) und höhere Langfristrenditen (von Marktprozessen bestimmt) führen zu einer höheren Gewinnmarge bei Banken. Das Kerngeschäft klassischer Banken ist die sogenannte Fristentransformation, was nichts anderes bedeutet, als dass Finanzinstitute kurzfristige Anlagegelder (Sparbuch) geringverzinst hereinnehmen und langfristig höherverzinst ausleihen. Die Marge die daraus entsteht, ist das Entgelt für das eingegangene Zinsänderungsrisiko, das die Bank trägt. Wird nun die Zinsstruktur steiler, steigt der Hauptparameter für den Bankertrag an. Dies ist ein wichtiger Grund für eine gesunde Finanzbranche, für die es wiederum attraktiver wird Kredite auszugeben - was der Realwirtschaft in ganz Europa zugutekommt und die Konjunktur weiter positiv beeinflusst. Erstmals seit Anfang 2012 schrumpft in Europa die Kreditvergabe an den privaten Sektor nicht mehr – ein positives Zeichen!

Statistisch war vor allem auch der Aktienmarkt ein Profiteur einer steilen Zinsstruktur. Die Durchschnittsperformance des Dax verbesserte sich stets für die nächsten zwölf Monate mit zunehmender Steilheit der Zinsstrukturkurve.

Ölpreisrückgang kommt nur langsam der Konjunktur zugute

Wir diskutierten an dieser Stelle bereits des Öfteren die Treiber der positiveren Konjunkturaussichten sowie des Aktienmarktes – günstige Finanzierungsniveaus, niedrige Energie- und Rohstoffpreise sowie den schwächeren Euro. Wieso sind jedoch die Konjunkturindikatoren vor allem in den USA, Deutschland aber auch generell global betrachtet in den letzten Wochen so schwach, enttäuschend oder im Falle Deutschlands nicht weiter steigend? Vor allem im Rohölpreis liegen hier mehrere Gründe versteckt:

Erstens sind die Verbraucher skeptisch, ob die Ölpreise nicht bald wieder zulegen und schreiben deshalb freiwerdende Mittel aus geringeren Einkaufspreisen nicht in die Zukunft fort (gilt vor allem in der Kalkulation für Unternehmen). In Deutschland und den USA gehen zum Beispiel über 90 Prozent der Autobesitzer nicht von weiter fallenden Rohölpreisen aus.

Zweitens wird freiwerdendes Geld aus günstigeren Rohstoffpreisen lieber gespart bzw. als Schuldentilgung verwendet. Vor allem gilt dies für Länder, die in der Vergangenheit Schuldenblasen im Privatsektor erlebt haben, wie etwa die USA und Großbritannien. Geringer ist dieser Aspekt in Deutschland, abzulesen am weiter steigenden Konsumklima.

Drittens werden bei so drastisch fallenden Ölpreisen die Investitionen in neue Förderprojekte massiv gestrichen (USA: - 48 Prozent im ersten Quartal 2015). Allein diese geringeren Investitionsausgaben belasten das amerikanische Bruttoinlandsprodukt mit 0,52 Prozentpunkten.

Viertens hat der starke Fall der Energiepreise seit Mitte vergangenen Jahres, die ohnehin schon geringen Inflationserwartungen für die Zukunft weiter gedrückt. Dadurch stiegen vor allem in Amerika die Realzinsen an (Nominalzinsen minus Inflationsrate), was den positiven Einflüssen geringerer Preise auf die Konjunktur zuwiderläuft.

Fünftens kommen gesunkene Energiepreise nicht in voller Form bei Unternehmen und Konsumenten an. Dazwischen sorgt der Staat durch Steuern und Abgaben auf Energie für eine massive Dämpfung dieses positiven Effektes. Der IWF geht davon aus, dass rund die Hälfte der positiven Wirkung günstigerer Ölpreise für das Weltwirtschaftswachstum dadurch verloren geht.

Sechstens sorgte ein extrem kalter Winter im Nordosten der USA dafür, dass die überdurchschnittlichen Ausgaben für Heizung rund 20 Prozent der Ersparnis der günstigeren Öl- und Gaspreise zunichtemachten. Geld, das nicht mehr für Konsum zur Verfügung steht.

Vor allem in Europa sorgte der schwache Euro dafür, dass Unternehmen und Verbraucher auf rund 20 Prozent des günstigeren Ölpreises verzichten mussten. Öl wird in US-Dollar abgerechnet. Wenn der Ölpreis nun um 50 Prozent fällt, gleichzeitig aber der Dollar zum Euro um 20 Prozent teurer wird, kommen eben bei europäischen Einkäufern nur 30 Prozent Ersparnis an (vor Kosten und Steuern).

Fazit

Am Rentenmarkt herrscht wieder Angebot und Nachfrage und nicht die von der Zentralbank quasi planwirtschaftlich verordnete Einbahnstraße zu Nullzinsen. Die daraus resultierende steilere Zinsstruktur ist gesund und der Konjunktur und den Aktienmärkten zuträglich. Wir erwarten in diesem Jahr noch einen zweiten Schub in der Renditeentwicklung für europäische und deutsche Staatsanleihen.

Es wird deshalb jedoch nicht zu einer Hochzinsphase früherer Jahre kommen. Nach wie vor wird das Kaufprogramm der EZB sowie die mit Sicherheit längere Zeit niedrigen Leitzinsen das Potenzial für massiv steigende Renditen deckeln.

Die positiven Effekte günstigerer Ölpreise werden weltweit durch diverse Parameter verhindert, gedämpft beziehungsweise verzögert. Die meisten der aufgeführten Gründe sind jedoch temporär, so dass wir weiterhin von positiven Effekten in der Zukunft ausgehen. Darüber hinaus stehen wir einem weiteren Anstieg der Rohölpreise skeptisch gegenüber und sind somit in der Minderheitenmeinung. Es sprechen jedoch viele Gründe für eher fallende, mindestens jedoch gleichbleibende Preise auf niedrigem Niveau.

Aktien bleiben in einem entsprechenden Umfeld erste Wahl, was die Renditeperspektiven betrifft. Auch wenn der Sommer – nach einem solch starken Jahresauftakt - vielleicht keine signifikanten Kursgewinne bringt. Die Perspektiven bleiben für exportorientierte Länder mit hohem Rohstoffimport-Anteil gut.

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der GECAM. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!

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