Anständig oder nicht – Hauptsache Rendite - Börse München

In der kurzen Börsenwoche fieberten die Investoren den beiden Sitzungen der Notenbanken entgegen: „EZB hebt Zinsen weiter an – Mehr Tempo bei Bilanzabbau“ und „Fed signalisiert geldpolitische Pause“ titelte die Börsen-Zeitung. Die Nachwirkungen der nächsten Bankenpleite aus den USA sorgten für zusätzliche Verunsicherung und Ende der Woche erlebte eine weitere Regionalbank einen Kursverfall: „Neue Sorgen um das Bankensystem“ machte sich deshalb das Handelsblatt. Nichtsdestotrotz meldeten gleichzeitig einige Großbanken exorbitante Gewinne: „HSBC verdreifacht im Auftaktquartal den Gewinn“ und „Steigende Zinsen bescheren Banken Rekordgewinne“ – so die Börsen-Zeitung am Mittwoch und Donnerstag. Der Dax lugte kurz und vorsichtig über die 16.000 Punkte – aber die Höhenluft schien ihm denn doch (noch) zu gefährlich.

Unanständig?

Wir outen uns als ehemaliger und zumindest zeitweiliger Klosterschüler, weshalb wir beim Blick aufs Cover von Focus Money rot anlaufen wollten: „Unanständig“ steht da in breiten Lettern, doch unser Herz ließ nach zu klopfen, als wir weiterlasen: „...viel Rendite“. Aber was ist an Rendite unanständig? Nun: „Reich werden mit Rüstung, Öl, Alkohol und Atomkraft“, steht da und wir erkannten, dass man sich offensichtlich auch die Aktienwelt schön trinken kann. Ein rotes Wachssiegel auf schwarzem Grund präsentiert uns Börse Online: „Top secret“ steht darauf unter dem Siegel der Verschwiegenheit offensichtlich. Gibt’s da etwa noch mehr Unanständiges? Nein, nur „16 Geheime Gewinner – Aktien, die keiner kennt, obwohl sie bis zu 100% Kurspotenzial haben“. Liebe Börse Online: Kursgewinne bei unbekannten Aktien sind eher selten – erst müssen sie ja einmal gekauft werden, bevor sie steigen können. Der Aktionär macht mit einem glubschäugigen Emoji gelb auf gelb auf: „Wooow!“ Ja, wir wissen schon, wieder nichts Unanständiges, gemeint waren: „Überraschende Ergebnisse bei den Quartalszahlen – diese 7 Aktien heben jetzt ab“. Schwarz-rot-gold präsentiert sich Euro am Sonntag: „Dax zu teuer? Deutsche Aktien sind die günstigsten der Welt“. Hoffentlich bleiben sie es nicht, denn günstig an der Börse ist nicht immer gut.

Elite

Eigentlich müsste es doch ausreichen, sich zur Elite zu (v)erklären, ein Grund wird sich schon finden. Dem ist jedoch nicht so, auch die Eliten müssen sich weltweit einer Qualitätskontrolle stellen, ausgewiesen im Elite-Qualitätsindex. „Abgehobene Eliten, übergriffiger Staat“ ist der Artikel im Handelsblatt überschrieben und der Autor legt gleich nach: „Weltweit geht die Qualität der politischen und wirtschaftlichen Führung zurück“. Das hatten wir auch ohne Studie im Bauchgefühl. Kein Wunder, dass die Hälfte der in Demokratien lebenden Menschen nach einer im Artikel ebenfalls zitierten Umfrage unzufrieden mit ihren Regierenden ist – die Menschen in Autokratien durften wohl erst gar nicht befragt werden, geschweige denn antworten. Heraus gibt den Elite-Qualitätsindex die elitäre Hochschule St. Gallen und es mag Zufall sein, dass die Schweiz dort am besten abschneidet. Deutschland hat sich immerhin um drei Plätze auf Rang 8 vorgearbeitet – da hat uns unser Bauchgefühl wohl einen Streich gespielt. Die USA und China bilden das Schlusslicht zumindest der 22 genannten Länder.

Trauma I

Die EZB hat zwar ihre Inflationsprognose für Europa leicht abgesenkt für 2023, aber 5,6 Prozent stehen noch immer zu Buche und fehlen in den Kassen der Konsumenten. Das Handelsblatt wartet mit „Fünf Gründe, warum die Inflation so hartnäckig ist“ auf, doch Gründe hin oder her, am liebsten stellten wir die Inflation ins Museum. Tatsächlich ist sie dort vertreten, allerdings die Hyperinflation von 1923, der das Frankfurter Historische Museum eine eigene Ausstellung widmet: „Die aktuellen Lehren aus der Hyperinflation“. Finanziert und unterstützt wird die Ausstellung „Inflation 1923 – Krieg, Geld, Trauma“ von der Bundesbank, weshalb auch deutlich gemacht wird, dass eine so horrende Inflation wie damals sich heute nicht mehr wiederholen kann, da seien die Notenbanken vor.

Trauma II

Wer jemals in der Bundeswehr gedient hat – inzwischen darf man sich da wieder outen – kennt das den Rekruten drohend um die Ohren gebrüllte Wort von „Druck und EPA!“. EPA stand für Einmannpackung und es handelte sich dabei um ein „Verpflegungspaket“, von dem man sich angeblich einen Tag lang hätte ernähren können, wenn man denn etwas darin gefunden hätte, das genießbar war. „Unsere Kunden wollen ein Stück Kontrolle zurück“ ist ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung überschrieben, der von einem Unternehmer handelt, der „Dauernahrung in Dosen“ anbietet – dagegen klingt EPA noch richtig hübsch. Er vertreibt Eimer und Kisten, mit deren Inhalt Menschen gleich mehrere Wochen und Monate überleben könnten. Für eine Woche pro Person kostet der Spaß – als Genussmensch käme uns diese Bezeichnung allerdings nicht über die Lippen – 100 Euro, dafür hält das Paket 15 bis 20 Jahre. Mahlzeit, aber warum soll man Essen kaufen, das man nicht essen will?

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Bayerischen Börse AG. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!