Mit Geduld zu 50 Prozent - Börse München

In dieser Woche waren die Fed und die Bank of England an der Reihe mit Zinserhöhungen. Während die US-Notenbank im Rahmen des Erwarteten blieb, erhöhte die BoE zwar ebenfalls um 75 Basispunkte, allerdings hatten die Märkte damit nicht gerechnet: „Bank of England macht größten Zinsschritt seit gut dreißig Jahren“ titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Überdies zeichnete die Zentralbank kein rosiges Bild: „Briten droht bisher längste Rezession“, zitiert die Börsen-Zeitung. Und dann ist da noch die Reise des Bundeskanzlers nach China, im Gepäck, wenn man das so sagen darf, eine Reihe von Wirtschaftsbossen: „Europa ringt um eine neue Chinapolitik“ so das Handelsblatt und „Erkundungstour ins chinesische Dreieck“ lasen wir in der Süddeutschen Zeitung. (Wir mussten tief in den Artikel einsteigen, um das mit dem Dreieck zu verstehen. Es war nicht geographisch gemeint, sondern besteht aus den drei Seiten „Partner, Wettbewerber und Rivale“. Es ist nicht gleichschenklig, lernten wir). Dem setzt dann Die Welt noch eins drauf: „Mehrheit der Bürger hält China für globale Bedrohung“. Am Wochenende findet die Weltklimakonferenz COP 27 statt, weshalb die „EZB kritisiert: Banken unterschätzen Klimarisiken erheblich“ (Handelsblatt) und unser Gesundheitsminister sprüht in diesem Zusammenhang vor guten Ideen: „Fleischarm essen und Fahrrad fahren“ (Abendzeitung) - aber bitte nicht beides gleichzeitig!

50 Prozent

Wir sind ehrlich, uns wäre für diese Woche kein Trendthema eingefallen. Mit nichts aufzumachen ist für Finanzmagazine selbstverständlich keine Option. Focus Money hält uns „50 Prozent Chancen“ vor, „Qualitätsaktien zu Discountpreisen“, „Ihre Strategie zum Erfolg“. Dann kann ja nichts schiefgehen, aber was bedeutet 50 Prozent in diesem Zusammenhang eigentlich? 50 Prozent Rendite oder nur die Hälfte der Qualitätsaktien rechnen sich? Das Editorial ist mit einer Tugend überschrieben, die Börsianern meist ziemlich fern liegt: „Die Chance für Geduldige“! Börse Online gibt uns schwarz auf weiß die „Kursprognose 2023 – Die Börse-Online-Favoriten“. „Der große Aktiencheck“. Darunter ein Fernglas mit „62 Prozent mit Dax & Co“ und „40 Prozent mit US-Aktien“. Verwirrend, diese ganzen Prozentzahlen. Es ist überdies das Jubiläumsheft zu 35 Jahren Börse Online – wir gratulieren dazu, mit 100 Prozent! Ein schönes Alter eigentlich, noch jung und rüstig, aber schon erfahren und abgeklärt! Chefredakteur Frank Pöpsel erinnert im Editorial an das Gründungsjahr 1987, was damals das Benzin gekostet hat oder eine Wohnung in Hamburg. Nicht erwähnt hat er den Song, der damals die Jahreshitpararade anführte: „Voyage, Voyage“ von Desireless. Aber heute sollen wir ja per Fahrrad zur fleischlosen Einkehr reisen.

Zeitpunkt

Wann, wenn nicht jetzt, Aktien kaufen, könnte (sollte?) das Motto für Anlegerinnen und Anleger sein. So ähnlich sieht es jedenfalls Daniel Mohr in seinem großen Artikel „Günstigen Aktien auf der Spur“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Viele Unternehmen verdienen prächtig, aber ihre Aktienkurse sind niedrig. So gute Investmentchancen gab es lange nicht mehr“, so die Unterschrift. Und die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt beantwortet Mohr eindeutig: „Fast alle Zeitpunkte in der Vergangenheit haben sich gelohnt, sind die Aktienmärkte doch unterm Strich stets weiter gestiegen“. Beizeiten wird der Dax auch wieder sein Hoch von 16.000 Punkten erreichen und übertreffen. Wir haben nichts dagegen. Reiner Zufall dürfte jedoch sein, dass unterhalb des Artikels mit „Rekordgewinn möglich“ über den Eurojackpot berichtet wird!

Purpose

Die Gewinnmaximierung steht im Vordergrund eines Unternehmens – so ähnlich hat man das zumindest in BWL gelernt. Würde doch so manch ein Unternehmen überhaupt einen Gewinn erzielen, aber das ist eine andere Sache. Hier soll es um Betriebe gehen, die quasi höhere Weihen als schnöden Mammon anstreben, was das Handelsblatt schön mit: „Die Krux mit der Glaubwürdigkeit“ betitelt. Unternehmen wollen einen „Daseinszweck“ erfüllen, heißt es so schön, neudeutsch Purpose genannt. Doch diesen auch bei den Kundinnen und Kunden überzeugend rüberzubringen, gelingt nicht allen. Das ermittelt der Globe One Purpose Readiness Index der Unternehmensberatung Globe. Der beruht auf Befragungen und ist – noch – unveröffentlicht, nur das Handelsblatt kennt ihn schon. Deshalb wollen wir nicht zu viel ausplaudern, nur dass es vor allem der Einzelhandel ist, der die vorderen, und Wohnungsbaugesellschaften, die die hinteren Plätze belegen.

Postler

„Heute keine Post“ liegt vielleicht gar nicht daran, dass niemand Sie eines Briefes würdigt und Ihr Briefkasten somit leer bleibt, sondern dass momentan kein Zusteller und keine Zustellerin verfügbar ist. Nobelpreis- oder Briefträger war lange unser Berufsziel, wegen des vielen Geldes, der Ehren und des schicken Smokings der eine, wegen des freien Nachmittags der andere. Leider sind wir beides nicht geworden, dabei wären wir heute heiß begehrt, hätten wir uns für die Post entschieden. „Zu viele Briefe, zu wenig Personal“ schreibt Die Welt zu dem Problem. Wir bestellen zu viel online (und schicken es zurück), da kommen die Zusteller nicht mehr hinterher. Dabei steht doch Weihnachten erst noch bevor, aber vielleicht geht ja der Weihnachtsmann helfend zur Hand, wenn er nicht auch wegen Corona flach liegt…

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Bayerischen Börse AG. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!