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Hidden Champions: Warum stammen viele aus Deutschland? - Warburg Invest

28.07.2022 08:59 Uhr - Autor: Kolumnist  auf twitter

Kolumnen-Autor Nils-Peter Gehrmann, Portfoliomanager bei Warburg Invest, schreibt zum Thema Aktienanalyse und -auswahl im Bereich der Small und Mid Caps. Bild und Copyright: Warburg Invest.

Europa wird gern als „Alter Kontinent“ betitelt, der nicht nur eine lange Kulturgeschichte, sondern auch eine industrielastige Old Economy aufweist, die angesichts des Technologievorsprungs der USA und Chinas zurückzufallen droht. Spätestens seit diesem Jahr ist jedoch klar, dass der ausschließliche Fokus auf Technologie aus der „Neuen Welt“ nicht immer optimal ist. Besonders Technologiewerte haben an der Börse infolge der Leitzinsanhebung in den USA starke Verluste erlitten. Nicht zuletzt vermittelt der Begriff der „Old Economy“ den Eindruck einer rückwärtsgewandten Geschäftspolitik. Das Phänomen der Hidden Champions, die vor allem in Europa beheimatet sind, zeigt jedoch auf, dass es auch diesseits des Atlantiks dynamische Unternehmen gibt, die Produktion, Tradition und Innovation auf einzigartige Weise miteinander verbinden.

Der Begriff der Hidden Champions wurde erstmals durch den Wirtschaftsprofessor Hermann Simon in den 1990er Jahren geprägt. Er beschrieb damit Unternehmen, die in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind, aber in einer Branchennische weltweit Marktführer sind. Dabei handelt es sich oftmals um inhabergeführte Familienunternehmen, die ein einzigartiges Produkt weltweit vertreiben. Aufgrund der hohen Innovationskraft, Qualität, Kundennähe und Fertigungstiefe können die Produkte am Markt nur schwer imitiert werden. Auch der Kunde kann das Produkt nur schwer ersetzen. Jedoch orientiert sich der Hidden Champion auch an den wandelnden Kundenbedürfnissen, die zum Innovationstreiber werden können. Simon beobachtete eine starke Häufung von Hidden Champions im deutschsprachigen Raum. Hidden Champions sind eine Bereicherung für die heimische Wirtschaftslandschaft, die einen Wirtschaftsstandort erheblich aufwerten können. Dies scheint auch China erkannt zu haben, das ein Programm aufgelegt hat, um selbst 1.000 heimische neue Hidden Champions zu schaffen. In diesem Bereich schaut man wohl weltweit noch immer recht neidisch auf Deutschland und ist sich der positiven Wirkung auf die Wirtschaft durch die „versteckten Sieger“ durchaus bewusst.

Hidden Champions als Phänomen im DACH-Raum

So führte Hermann Simon den Exporterfolg Deutschlands auf die Hidden Champions zurück. Doch wie viele es sind, ist nicht immer ganz klar. So schwanken die Angaben von 1.200, laut Simons „Hidden Champions des 21. Jahrhunderts“ (2007), bis zu 1.600 Perlen des Mittelstandes, gemäß dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) (2015). In einem Essay von 2021 gibt Simon darüber hinaus an, dass von den 3.405 Hidden Champions weltweit 46,2 Prozent aus Deutschland stammten. Gemäß dem ZEW sind 86 Prozent der Hidden Champions in der Industrie tätig.

Doch worauf kann die hohe Häufung von Hidden Champions in Deutschland zurückgeführt werden?
Zum einen ist die deutsche Wirtschaft stark vom Mittelstand und von kleinen und mittelgroßen Unternehmen geprägt. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn) gehörten in Deutschland in 2020 99,6 Prozent der Unternehmen zu den kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Jedoch ist dies keine spezifisch deutsche Eigenschaft, sind doch die Zahlen aus der EU nahezu identisch. Nach Berechnungen des IfM Bonn wiesen Tschechien, Slowakei und Portugal im Jahr 2020 die höchste Dichte an KMU pro 100.000 Einwohner auf, gefolgt von vielen weiteren Ländern wie Litauen oder den Niederlanden.

Hermann Simon betrachtet Hidden Champions jedoch nicht typischerweise als Kleinunternehmen. Viel mehr sieht er sie zwischen dem Mittelstand und Großunternehmen angesiedelt. Die Mitarbeiterzahl des größeren Mittelstands rangiert zwischen 250 und 3.000 Mitarbeitern. Die Strukturen der Hidden Champions im Speziellen sind jedoch typisch mittelständisch geprägt: obwohl sie weltweit agieren, sind sie inhabergeführt und oftmals in der Provinz angesiedelt. Das Wachstum wird organisch und nicht über Zukäufe erreicht. Sie weisen eine hohe Eigenkapitalquote sowie eine starke Bindung zu ihren Mitarbeitern und Kunden auf. Vielleicht sind es genau diese Tugenden, die diese Champions von den vermeintlich erfolgreicheren und schnell wachsenden Tech-Unternehmen unterscheiden, die ihnen aber in der öffentlichen Wahrnehmung oft die Show stehlen.

Rolle des Verarbeitenden Gewerbes

Auch die starke Stellung der Industrie in Deutschland dürfte ein Grund für die Häufung von Hidden Champions sein. So betrug laut dem Statistischen Bundesamt der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung im Jahr 2021 in Deutschland 20,2 Prozent. Dieser Anteil liegt höher als in anderen führenden europäischen Volkswirtschaften. In Frankreich beispielsweise lag der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung im gleichen Jahr mit 10 Prozent nur etwa halb so hoch. Der EU-Durchschnitt lag bei 16,6 Prozent. Die lange Tradition und hohe Kompetenz der Industriebetriebe in Deutschland hat offensichtlich zur Ausbildung der Hidden Champions geführt, deren spezialisierte Produkte meist B2B vertrieben werden.

Ein weiterer Umstand, der zum Gedeihen der Hidden Champions im deutschsprachigen Raum beitragen könnte, ist die föderale Struktur. Während in Ländern wie Frankreich oder Großbritannien das politische Machtzentrum wie ein Magnet für die wirtschaftliche Aktivität wirkt, ist Deutschland weit davon entfernt, zentralistisch geprägt zu sein. Vielmehr stehen die Bundesländer in starkem Wettbewerb zueinander, die Wirtschaftsförderung auf lokaler Ebene betreiben. Davon profitieren auch die Hidden Champions, die man vermehrt in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern findet.

Chancen für Anleger

Hidden Champions bieten, sofern sie börsennotiert sind, auch für Anleger viele Chancen. So handelt es sich dabei um solide Unternehmen, die ein hohes Umsatzwachstum, eine hohe Profitabilität und eine geringe Verschuldung aufweisen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Qualität des Managements, die man beim Blick auf die Kennzahlen nicht sofort erkennt. Nur der persönliche Kontakt des Fondsmanagers zu den Unternehmen und Besuche vor Ort eröffnen diese weitere Perspektive auf das Unternehmen. Ein aktiver Asset-Management-Ansatz ist deshalb unerlässlich, um die Spreu vom Weizen zu trennen.

Auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten wie diesen können Hidden Champions mit dem Vorteil auftrumpfen, dass sie weniger abhängig von globalen Konjunkturzyklen sind. Während Großkonzerne meistens eine Nachfrage verzeichnen, die stark mit der globalen Konjunkturlage korreliert, sind Hidden Champions stärker von ihren eigenen Wachstumstreibern abhängig. Dies kann sich auch in einer höheren Bewertung am Aktienmarkt ausdrücken. Besonders deutsche Nebenwerte bieten einen reichen Fundus. Die hohe Dominanz des größeren Mittelstands, die starke Stellung der Industrie und föderale Strukturen haben überdurchschnittliche viele Hidden Champions guter Qualität hervorgebracht, die es zu finden und zu bewerten gilt.

Autor: Nils-Peter Gehrmann, Fondsmanager des Warburg-D-Fonds Small&MidCaps Fonds bei Warburg Invest

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne von Warburg Invest. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!

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