Erfolg mit dem starken Dutzend

Der Krieg in der Ukraine scheint in einer Patt-Situation zu verharren, zumindest unterbreiten uns dies die Experten (die es plötzlich in rauen Mengen gibt, ähnlich fast wie Virologen). Der DAX zeigt eine typische Seitwärtsbewegung auf niedrigem Niveau, und die spiegelt die Unsicherheit der Anleger und die Unsicherheit von uns allen wider. Währenddessen sucht die Bundesregierung verzweifelt nach Rubeln (wir haben keine), weil Putin sein Gas nur noch gegen rollende Rubel liefern will, augenscheinlich, weil seine Währung auch langsam in einen gasförmigen Aggregationszustand übergeht. Und, zuletzt, das „Disastro Italia“, wie dpa meldete, die Squadra Azzurra verpasst als EM-Sieger die WM in Katar! Es gibt auch Positives, die Tesla-Fabrik in Brandenburg wurde feierlich eröffnet, schneller errichtet als manch Radweg. Als Headline gibt es gleich zwei in einer: „Putin liefert Gas nur gegen Rubel. Energiepreise klettern massiv“ (Börsen-Zeitung), „Banken senken Börsen-Prognosen“ (Handelsblatt) sowie „Party mit Elon Musk“ (Abendzeitung) und „Mit 30 Teslas startet Elon Musk die Rettung des Planeten“ (Die Welt).

Der Hebel zum Erfolg

Die Finanzmagazine scheinen genug zu haben mit Krise und Krieg und dunklen Farben, in hellem freundlichen Orange macht Börse Online auf und dem hübschen Titel „Kleiner Einsatz, großer Gewinn“. Was bei der Beziehungsanbahnung eher nicht ratsam ist, soll an der Börse funktionieren! „Mit Hebel zum Erfolg“ heißt die Erklärung. Es geht, wen wundert es, um das kleine Einmaleins der Zertifikate. Aber Achtung: Beim Hebel bitte keinen Knopf hineinbringen! Hellblau und Gold macht Focus Money auf und verspricht nicht – wir sind inzwischen voll des Krieges – das dreckige Dutzend, sondern „Das starke Dutzend: 12 Aktien, auf die Sie jetzt bauen können“. Damit soll der Erfolg im Depot zementiert werden. Die April-Ausgabe von Traders‘ zeigt uns eine junge Frau am Meer im Abendrot und wir fühlen uns kurz an ein berühmtes Heine-Gedicht erinnert: Ein Fräulein stand am Meere/ und seufzte lang und bang,/ es rührte sie so sehre/, der Sonnenuntergang. Nun, die junge Frau auf dem Titel sitzt erstens, zweitens sagt man Fräulein schon lange nicht mehr und ob sie seufzt, ist nicht zu erwarten, verspricht uns das Heft doch: „Die Harmonie von Preis und Zeit“.

Es ist Krieg

Obwohl Ostern noch bevorsteht hat sich Bernd Neubacher in der Börsen-Zeitung in seinem Kommentar über den „großen Eiertanz“ Gedanken gemacht. Ihm ist aufgefallen, dass viele Finanzdienstleister in ihren Analysen einen großen Bogen über das Wort „Krieg“ machen und viel lieber über einen „Ukraine-Konflikt“, von der „tragischen Dimension im Osten“ oder „Zeiten geopolitischer Krisen“ sprechen. Aber was bitte schön ist Krieg, wenn nicht die Situation in der Ukraine? Neubacher fragt nach den Ursachen für diese Relativierung, ist es die Propaganda Putins, will man es sich mit Russland nicht verderben? Oder wurde das hässliche Wörtchen Krieg einfach aus dem Wortschatz PR-dominierter Berichte gestrichen? Eine eindeutigere Haltung, so Neubacher, wäre wünschenswert.

Eine eigentlich niedliche Tierart, die auf den Menschen übersetzt aber eine hässliche Fratze zeigt, hat die Abend-Zeitung aufgedeckt: „Wieder da: Hamster“! Dabei machen nur größere Arten Winterschlaf, die anderen sind immer da! Gemeint ist aber weder das putzige Tierchen noch die Tatsache, dass trotz weiter steigenden Pandemiezahlen immer mehr Menschen ins Büro zurückkehren und dort ihr Hamsterrad besteigen müssen, sondern das lästige Hamstern: Jetzt hat es nicht Klopapier erwischt, sondern Öl, Mehl und Konserven. Es scheint, als backen die Deutschen plötzlich auf Teufel komm raus Pizza und Kuchen und essen Obst aus der Dose dazu? Die Abend-Zeitung fragte eine Psychologin und die klärt uns auf: Allein die Warnung vor einer Knappheit löst diese schon aus. Außerdem schwimmen wir gerne mit dem Strom: Wenn alle hamstern, hamstern wir eben auch, sonst kucken wir womöglich am Ende in die (leere Ofen-)Röhre und müssen unser veganes Schnitzel in Schweineschmalz braten.

Pilze züchten

Land auf Land ab liest man, meist von überdurchschnittlich Verdienenden veröffentlicht, dass man um Putin zu schaden den Gürtel enger schnüren soll und beispielsweise das Heizen sowohl auf der Autobahn als auch im Wohnzimmer herunterfahren soll. Was auf der Autobahn sinnvoll erscheinen mag – und jedermann und -frau unbenommen ist, es zu tun – ist in der Wohnung jedoch nicht immer empfehlenswert. Denn, so Die Welt, ein dauerhaftes Absenken der Raumtemperatur führt zur vermehrten Bildung von Schimmelpilzen. Und die sind gesundheitsschädigend und teuer, wenn sie entfernt werden müssen. Merke: Kuscheln für den Frieden hilft nicht immer!

Und zum guten Schluss

Die zweite Strophe von Heinrich Heine wollen wir nicht unterschlagen, stimmt sie uns doch einigermaßen hoffnungsfroh: „Mein Fräulein! Sein Sie munter, / Das ist ein altes Stück; / Hier vorne geht sie unter/ Und kehr von hinten zurück.“

Autor der Presseschau: Ulrich Kirstein, Bayerische Börse AG

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Bayerischen Börse AG. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!