Besser ein Jahr überspringen - Börse München

„Wozu sind Kriege da?“ haben wir vergangene Woche Udo Lindenberg zitiert. Diese Woche müsste eher unter dem Motto stehen, welche Folgen ein Krieg hat. Furchtbar für die Bevölkerung, ob vor Ort oder auf der Flucht. Er macht nicht Halt vor Kindern, Frauen, Alten. Dramatisch aber auch für die Weltwirtschaft: „Sorgen um Nahrungsmittelpreise“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung), „Preisschock an den Rohstoffmärkten“ (Börsen-Zeitung), „Das wird härter als Corona“ (Abendzeitung), all das kulminiert in „Neue Angst vor Inflation“ (Handelsblatt). Und was tut die Europäische Notenbank? „EZB drosselt Anleihekäufe überraschend: Ein Schwenk mit vielen Optionen“ steht im Handelsblatt zu lesen. Aber war das so überraschend? „EZB will Leitzinsen schrittweise anheben“ konkretisiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Süddeutsche Zeitung schränkt noch einmal ein: „Lagarde strafft die Geldpolitik ein bisschen“.

Achterbahnfahrt

Und dann war da noch der DAX, stellvertretend für viele andere Indizes. Erst rutschte er kräftig, aber irgendwie nachvollziehbar nach unten: „Bei Krisen taucht der Dax mächtig ab“, so die Börsen-Zeitung, und dann legt er plötzlich um über 1.000 Punkte zu, was auch nicht oft passiert (und übrigens fast ausschließlich in Bärenmärkten): „Hoffnung auf Waffenruhe sorgt für breite Erholung am Aktienmarkt“ (vorsichtig die Börsen-Zeitung) oder „Dax erlebte fulminante Erleichterungsrally“ (das Handelsblatt einigermaßen euphorisch). Dass die Russen die Sanktionen spüren, macht die Abendzeitung mit zwei Überschriften deutlich: „Putin vor der Staatspleite“ und „Keine Nudeln und kein Gucci“. Ganz zu schweigen von Oligarchen, die nun keine Nudeln auf keinen Yachten mehr essen können und auf dem Weg zu keinem Fußballclub auch keine Gucci-Taschen mehr benötigen.

Ein Jahr überspringen

Noch schwärzer als vergangene Woche konnten unsere Finanzmagazine kaum aufmachen. Börse Online behalf sich mit dem Trick, einfach das Jahr 2022 gleich ganz abzuhaken und titelt: „2023 wird alles besser“! Das hatten wir allerdings schon 2021 für dieses Jahr gehofft. „Warum Börsianer mitten im Chaos den Blick nach vorn richten“, heißt es weiter. Warum wohl, weil der Blick in die Gegenwart alles andere als angenehm sein dürfte. „Jeder Crash geht vorbei“ heißt es folgerichtig im Heft und wir summen hoffnungsfroh, „alles, alles, geht vorbei...“ Die Wochenendausgabe des Handelsblattes macht mit der „Weltenergiekrise“ auf, also doch das Jahr überspringen? Da appellierte Focus Money lieber an das Gute im Menschen: „Gute Gewinne, gutes Gewissen“. Die Rüstungsindustrie dürfte damit nicht gemeint sein, oder eben doch? „Kein Cent für Putin“ stand dann aber darunter und „Was wir von Profi-Investoren jetzt lernen können“. Wenn wir auf das Auf und Ab im DAX blicken, sind wir skeptisch.

70 Jahre

Im Rahmen ihres 70-Jahre-Jubiläums feiert die Börsen-Zeitung in der Woche den Finanzplatz München. „Man darf nicht aufhören, Dinge auszuprobieren“, war der Leitartikel von Michael Diederich, Chef der HypoVereinsbank/Unicredit, überschrieben, ein Zitat übrigens von der Schriftstellerin Irene Dische, ebenfalls Jahrgang 1952, wie die Börsen-Zeitung und die Bild-Zeitung. Zum Lügen ist es nie zu spät, heißt im Übrigen eine ihre bekanntesten Erzählungen. Ob Herr Lawrow sie gelesen hat? In den frühen 1950er Jahren war die Wirtschaftsleistung Bayerns noch bescheiden, das Bruttoprokopfeinkommen lag weit unter dem Durchschnitt, daran erinnert unser Vorstand Andreas Schmidt im Artikel „Spieglein, Spieglein“. Heute liegt Bayern hinter Hamburg an zweiter Stelle, vor allen anderen Flächenstaaten. Grund also zum Feiern und dazu, das Jahr 2022 doch nicht, wie oben angedeutet, einfach zu überspringen.

Blockaden überwinden

Immer wieder überrascht uns Business Insider mit seinem Insiderwissen, dieses Mal zum Thema Literatur. Es war niemand anderes als der erfolgreiche Autor und Großwildjäger Ernest Hemingway der einst zum Thema Schreibblockade feststellte: Am besten hört man immer dann auf, wenn es gut läuft und man weiß, wie es weitergeht. Wenn Sie das jeden Tag tun, werden Sie nie stecken bleiben. Das soll man auf die eigene Arbeitsblockade übersetzen und sie damit aushebeln. Dumm nur, wenn es an einem Tag gar nicht gut läuft, soll man dann einfach nicht aufhören, auch wenn man nicht weiß, wie es weitergeht? Aber wird man dann nicht endgültig stecken bleiben? Oder, wenn es ausnahmsweise gleich morgens sehr gut läuft - soll man dann gleich wieder aufhören? Ein Rätsel?

Autor der Presseschau: Ulrich Kirstein, Bayerische Börse AG

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Bayerischen Börse AG. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!