Keine Panik? - Börse München

Hieß es letzte Woche noch Krieg oder Frieden, heißt es jetzt Krieg ohne Frieden, „War in Europe“ startet der morgendliche POLITICO Brussels Newsletter, „Krieg in Europa“ titelt die Süddeutsche Zeitung. „Russland marschiert in Ukraine ein – Finanzmärkte unter Schock“ lautet die Headline in der Börsen-Zeitung – nicht nur die Finanzmärkte sind schockiert, wie wir finden. Da stellt sich uns die Frage, ob eine doch überwiegend „vergnüglich“ gedachte Presseschau vor diesem Hintergrund überhaupt möglich und erstrebenswert ist? Aber, braucht man nicht gerade dann Humor, wenn er einem eigentlich vergeht? Soll man Diktatoren das Feld überlassen, nur weil sie humorlos sind? „Ist Putin ein Wahnsinniger?“ fragte die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Feuilleton und wir reihten dies als rhetorische Frage ein. Mir kam ein Gedicht von Erich Kästner in den Sinn:

Wem Gott ein Amt gibt, raubt er den Verstand.
In Geist ist kein Geschäft. Macht Ausverkauf!
Nehmt euren Kopf und haut ihn an die Wand!
Wenn dort kein Platz ist, setzt ihn wieder auf.

So lautet die erste Strophe vom „Hymnus an die Zeit“ aus den 1930er Jahren, der offensichtlich zeitlos ist. Je höher das Amt, würde man gerne noch hinzufügen…

Keine Panik

Die wöchentlichen Finanzmagazine sind vor dem Einmarsch in die Ukraine erschienen – aber sie stimmen doch auf die Zeitläufte ein: „12 Aktien für stürmische Zeiten“ heißt es bei Börse Online. Wir sehen einen (leeren) Rettungsring in einem allerdings nicht wirklich Sturm gepeitschten Ozean treiben. Darunter steht: „So sichern Sie Ihr Depot gegen Krieg und Inflation ab“! Focus Money titelt mit „Keine Panik“ und dem Porträt des Altmeisters Jens Ehrhardt: „Börsen-Legende Jens Ehrhardt über Kriegsgefahr, Inflation und Zinswende“. Ob die Redaktion weiß, dass der Spruch vollständig „Keine Panik auf der Titanic“ lautet? Während wir darüber nachsinnen, ob in Deutschland bald der Ofen und die Lichter ausgehen, weil uns die Energie fehlt, schreibt Der ZertifikateBerater kess: „Deutschland geht ein Licht auf“!? „Wie Aktien die Rente auch bei uns sicherer machen sollen“ erklärt die Redaktion dazu. Dass die neue Regierung über einen Einstieg in die aktienbasierte Altersvorsorge nachdenkt, ist ja tatsächlich ein großer Fortschritt, wir bleiben gespannt!

Steuerfrust statt Steuerlust

Sie kennen den Effekt sicher: Da bekommt man eine nette Gehaltserhöhung, doch am Ende bleibt netto weniger übrig, weil die Progression einen kalt erwischt hat. Ähnlich geht es nun dem Bundesland Rheinland-Pfalz, wie das Handelsblatt berichtet: „BioNTech-Milliarden werden zum Minusgeschäft“. Denn Rheinland-Pfalz rutscht im Länderfinanzausgleich vom Empfänger- zum Geber-Land und muss auf zwei Jahre gesehen mehr auszahlen, als die Steuermilliarden von BioNTech eingebracht haben. Während die Stadt Mainz 2022 schuldenfrei wird, haben das Land Rheinland-Pfalz und damit auch alle Kommunen weniger Geld zur Verfügung. Nur keine Schadenfreude. Kurz angemerkt sei noch, dass das Land Bayern mit 9,04 Milliarden allein mehr in den Länderfinanzausgleich zahlt als die anderen Geber-Länder Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Hamburg zusammen! Und wer bekommt am meisten? Berlin!

Die Welt ist rund

Es scheint eine gewisse Mode unter jungen und nicht mehr ganz so jungen Leuten zu sein, sich auf Straßen, gerne Autobahnzubringern, festzukleben. Wir wollen uns dazu nicht näher äußern, wir haben schon länger den Anspruch aufgegeben, alles verstehen zu wollen, was so passiert. Oder, um es noch einmal mit Erich Kästner zu sagen (in dem Gedicht „Die Welt ist rund“): „Ja, wenn die Welt vielleicht quadratisch wär! / Und alle Dummen fielen ins Klosett! / Dann gäb es keine Menschen mehr. / Dann wär das Leben nett.“ Es ist aber eben nicht nett. Diese seltsame Freizeitbeschäftigung ungeschminkter Protestler(innen) scheint in der Wirtschaft bereits Folgen zu tätigen, wenn wir eine Überschrift aus dem Handelsblatt richtig interpretieren: „Kosmetik kriselt, Klebstoffe wachsen“!

Die Welt ist bunt

In einer „großen Grafik“ stellte Die Welt am Sonntag vor, wann wir am besten eine Reise buchen sollten, also an welchem Tag die Angebote am günstigsten sind (am Sonntag, soviel sei verraten), und in welchen Gegenden das Übernachten wieviel kostet und der Mietwagen, um auch wieder wegzukommen. Ein solcher ist in Mallorca nur unwesentlich teurer als in Kärnten, obwohl man nach Österreich gerade auch von München aus sehr viel besser mit dem eigenen Auto kommt als nach Mallorca. Man muss nicht alles verstehen, siehe oben. Was uns am meisten verblüffte, war die Antwort auf die Frage, „von welchem Urlaub träumen sie am meisten?“ 40 Prozent träumen demnach von einem „Strandurlaub“, aber nur 10 Prozent von „Allein unterwegs sein“ – gibt es nicht viel mehr Familienväter?

Autor der Presseschau: Ulrich Kirstein, Bayerische Börse AG

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Bayerischen Börse AG. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!