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Medigene: Chancen mit völlig neuen Therapieansätzen - Exklusiv-Interview

04.08.2017 07:36 Uhr - Autor: Michael Barck  auf twitter

Medigene-Finanzvorstand Thomas Taapken. Bild und Copyright: Medigene.

Spätestens seit Medigene im vergangenen Jahr mit der bluebird-Kooperation einen Paukenschlag an der Börse landete, ist das Interesse an dem Unternehmen von Seiten der Investoren und auch der Pharmaindustrie deutlich gewachsen. Mittlerweile landen erste Umsätze von bluebird auf Medigenes Konten, wie die jüngsten Quartalszahlen des Biotechunternehmens gezeigt haben. Neben bluebird wird vor allem die Krebs-Immuntherapie MDG1011 in der nächsten Zeit für wichtige Nachrichten sorgen. Auch bei anderen Projekten liegt man nach der Neuausrichtung im Zeitplan, wie Medigene-Finanzvorstand Thomas Taapken im Exklusiv-Interview mit www.4investors.de verrät. „Wir gehen davon aus, dass wir schneller und effizienter arbeiten können als unsere Wettbewerber”, so der Manager.


www.4investors.de: Der Medigene-Aktienkurs kam am Donnerstagmorgen nach der Bekanntgabe der Quartalszahlen deutlich unter Druck. Genannt wurde als Begründung zunächst der Verlustanstieg, was allerdings neben Sondereffekten aus dem Vorjahr auf höhere Forschungsausgaben zurückgeht. Verstehen die Anleger in Deutschland mehrheitlich das Biotech-Business nicht?

Taapken:
Tatsächlich arbeiteten biopharmazeutische Unternehmen meist über Jahre mit Verlusten, da die Entwicklung von Medikamenten viel Zeit und Geld in Anspruch nimmt. Das muss immer wieder gut erklärt werden. Entscheidend sind die Gründe hinter einem Verlust. Wir investieren massiv in die Erforschung und Entwicklung unserer Immuntherapien und damit in die Zukunft unseres Unternehmens. Zudem führen bei den aktuellen Halbjahreszahlen einmalige Sondereffekte aus dem Vorjahr, wie der Verkauf eines Produkts außerhalb unseres Kerngeschäfts, zu einem negativen Vorjahresvergleich. Dahinter steht also eine positive Entwicklung des Unternehmens, die mit der Fokussierung aufs Kerngeschäft einhergeht.

Grundsätzlich gilt: Wer in biopharmazeutische Unternehmen investiert, braucht einen langen Atem und auch eine gewisse Risikobereitschaft, denn Rückschläge in der Forschung sind nicht ausgeschlossen. Doch dafür sind auch enorme Chancen mit unseren innovativen Therapieansätzen verbunden: Für Investoren und vor allem für Patienten, denen neue Behandlungsmethoden eine signifikante Verbesserung bringen sollen.

Kosten der Immuntherapien sollen sinken

www.4investors.de: Medigene will eine Reihe von Krebserkrankungen mit Immuntherapien behandeln. Diese Therapien gelten aber als enorm teuer. Wie passt dies in die politische Landschaft, in der Einsparungen im Gesundheitssystem die dominierende Forderung sind?

Taapken:
Auch teure Therapien können gesundheitsökonomisch sinnvoll sein. Wir reden beim Bereich der Immuntherapien von wirklich neuen Behandlungsansätzen, die in der bisherigen Entwicklung teilweise dramatische, nie gesehene Verbesserungen bei verschiedenen Krebsarten gezeigt haben. In manchen Fällen wird vorsichtig schon von Heilung gesprochen. Sie müssen auch die Kosten für eine personalisierte und wirksame Behandlung gegenüber einer langen Reihe verschiedener Behandlungen und Krankenhausaufenthalten ansehen, an deren Ende oft keine nachhaltige Verbesserung für den Patienten steht. Auch sind die erwarteten Kosten für Immuntherapien teilweise durchaus vergleichbar mit Behandlungskosten für manche chronische Erkrankungen, die heute von Krankenkassen übernommen werden und teilweise über viele Jahre gezahlt werden müssen. Zudem steht die Entwicklung dieser personalisierten Immuntherapien, die im Labor aus lebendigen Zellen hergestellt werden, erst am Anfang. Die Produktionsprozesse werden zukünftig sicher vereinheitlicht und weiter automatisiert werden, wodurch die Kosten pro Therapie eher sinken als steigen werden.

www.4investors.de: Bei Projekten der Konkurrenz gab es mehrfach Todesfälle im Rahmen der Studien zu beklagen. Sind dies tragische Einzelfälle oder gibt es ein generell erhöhtes Risiko bei Therapien dieser Art?

Taapken:
Innovationen sind anfangs immer auch mit Risiken verbunden, da man zum Teil Neuland betritt. Sicherheit steht aber bei uns und auch bei den anderen Firmen an erster Stelle. Medigene verfügt über umfassende Möglichkeiten zur Analyse unserer Therapieansätze, um im Vorfeld der klinischen Entwicklung die Sicherheit und Verträglichkeit der Behandlung möglichst gut zu testen. In unserer ersten Studie mit T-Zellrezeptor-modifizierten T-Zellen werden wir dann auch sehr behutsam vorgehen, die einzelnen Patienten nicht gleichzeitig, sondern sequentiell behandeln und mit niedrigen Dosen beginnen, um sich dann an die ideale Dosierung langsam heranzuarbeiten. Dabei werden die Patienten sehr engmaschig betreut.

Die Behandlung von aggressiven Krebsformen ist immer auch eine Risikoabwägung. Patienten, die gegenwärtig an solchen Studien teilnehmen, haben in der Regel bereits alle anderen zur Verfügung stehenden Therapien erfolglos durchlaufen und sind wirklich sehr schwer und sehr fortgeschritten erkrankt. Wenn ein robustes Sicherheitsprofil der Immuntherapie etabliert ist, könnte zukünftig möglicherweise auch schon viel früher mit einer solchen Behandlung begonnen werden, wenn der Krebs noch in einem früheren Stadium entdeckt wird und die Patienten noch in einer stabileren Verfassung sind.

www.4investors.de: Was unterscheidet den Ansatz, den Medigene erforscht, von der Konkurrenz wie zum Beispiel Kite Pharma oder anderen?

Taapken:
Kite Pharma arbeitet mit CAR-Ts (Chimeric Antigen Receptor T-Zellen). Diese sind künstliche Rezeptoren, sie bestehen u.a. aus Antikörperfragmenten zur Identifizierung von Antigenen auf Tumorzellen. Sie werden auf T-Zellen in ähnlicher Weise wie TCRs übertragen. TCR-Technologien im Allgemeinen verwenden ausgewählte (und möglicherweise modifizierte) T-Zell-Rezeptoren, also den natürlichen Rezeptortyp aus der T-Zelle. Der Hauptvorteil von TCRs ist, dass sie an Zielstrukturen ansetzen können, die aus dem inneren einer Zelle kommen, und damit an signifikant mehr potenziellen Zielen als CAR-Ts. Diese können nur Antigene an der Oberfläche von Zellen erkennen. Dadurch können möglicherweise viel mehr Tumor-Indikationen mit TCR-basierten Therapien behandelt werden.

Medigene selbst isoliert ihre TCRs in einem zweistufigen Prozess mit Hilfe von dendritischen Zellen und T-Zellen aus dem Blut von gesunden Spendern, es handelt sich dabei um natürliche TCRs, die nicht modifiziert werden – im Gegensatz zu Ansätzen anderer Unternehmen. Dies ist möglich, da Medigene die technischen Möglichkeiten besitzt, parallel viele tausende T-Zellklone gleichzeitig automatisiert zu untersuchen, um geeignete TCR-Kandidaten zu finden. Wir gehen davon aus, dass wir damit schneller und effizienter arbeiten können als unsere Wettbewerber.

MDG1011-Studie soll Ende 2017 starten

www.4investors.de: Vor knapp einem Monat hat Medigene den Studienantrag für eine Phase I/II-Studie mit der TCR-Immuntherapie MDG1011 in drei Blutkrebsindikationen eingereicht, Ende 2017 soll die Studie beginnen. Sind die Arbeiten im Zeitplan und wann sollen Ergebnisse vorliegen?

Taapken:
Die Studienzulassung vorausgesetzt gehen wir davon aus, die Studie Ende 2017 beginnen zu können. Hierfür liegen wir im Zeitplan. Zeitlinien für die Studienergebnisse werden wir bekannt geben, wenn wir Genehmigung für die Studie und das entsprechende Studiendesign erhalten haben. Grundsätzlich gilt aber, dass diese Art von Studie schneller zu aussagekräftigen Ergebnissen führt als bei anderen Therapien, da es sich um eine einmalige Behandlung handelt, deren Wirkung relativ zeitnah beobachtet werden kann.

www.4investors.de: Analysten gehen davon aus, dass sie bis zum Jahr 2019 durchfinanziert sind. Ist das eine realistische Einschätzung?

Taapken:
Wir geben in unserer Prognose an, dass wir auf Basis der derzeitigen Planungen bis deutlich über den Prognosezeitraum von zwei Jahren hinaus finanziert sind und bis zu den Zeitpunkten, an denen Daten aus der DC-Studie und den TCR-Studien vorliegen werden.

www.4investors.de: Medigenes bluebird-Kooperation hat im vergangenen Jahr an der Börse für einen Paukenschlag gesorgt. Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit?

Taapken:
Die Zusammenarbeit mit bluebird bio läuft sehr gut und nach Plan. Wir arbeiten aktiv mit unserem amerikanischen Partner zusammen an der Identifizierung von bis zu vier TCR-Rezeptoren gegen Antigene, die von bluebird bio ausgewählt wurden. Diese sollen gemeinsam mit uns bis zum Status als Entwicklungskandidaten gebracht werden. Die daran anschließenden Entwicklungsschritte wird dann bluebird alleine durchführen. Wie Sie im Halbjahresbericht sehen, belegen die ersten Einnahmen durch F+E-Finanzierung eine rege Arbeit in unseren Laboren. Als nächster Schritt steht die Identifizierung eines ersten TCR-Kandidaten für die angestrebte klinische Entwicklung an.

Balance bei den Lizenzdeals wahren

www.4investors.de: Sind weitere derartige Kooperationen denkbar oder schon in Verhandlungen?

Taapken:
Grundsätzlich sind unterschiedliche Formen von Kooperationen denkbar: Von reinen Forschungskollaborationen bis hin zur gemeinschaftlichen klinischen Entwicklung von Projekten. Wir ziehen weitere Partnerschaften sicherlich in Betracht, besonders da wir gesteigertes Interesse von Seite der Pharmaindustrie nach dem bluebird bio-Vertragsabschluss festgestellt haben. Wir müssen uns natürlich immer überlegen, welche Art von Partnerschaft für unser Geschäftsmodell am besten passt. So basiert die bluebird bio-Partnerschaft auf einer Dienstleistung, wohingegen unser Fokus die klinische Entwicklung ist, da wir mit unserem Geschäftsmodell Immuntherapien in die Klinik bringen wollen. Auch werden wir versuchen, die Balance auszuloten zwischen frühen Lizenzdeals, die kurzfristig die Finanzierung erleichtern, und möglichen späteren Vertragsabschlüssen, die ein höheres finanzielles Potenzial besitzen.

www.4investors.de: Gerade haben sie Quartalszahlen vorgelegt. Spiegelt sich die bluebird-Kooperation schon mit Umsatz- und Ergebnisbeiträgen wieder?

Taapken:
Ja, wie bereits erwähnt, weisen wir erstmals Umsatzerlöse aus dem Kerngeschäft Immuntherapien in Höhe von 2,2 Millionen Euro aus. Diese stammen aus der bluebird bio-Partnerschaft und spiegeln den zunehmenden Wandel zu einem Immuntherapie-Unternehmen wider. Unsere Umsätze werden künftig zunehmend durch unser Kerngeschäft Immuntherapien geprägt sein.

www.4investors.de: Bereitet ihnen die volatile Kursentwicklung der vergangenen Monate Sorgen?

Taapken:
Ich denke, die Medigene Aktie ist ähnlich volatil wie viele vergleichbare Biotechaktien. Singuläre Ergebnisse, die nicht einmal mit dem Unternehmen selbst zu tun haben müssen, können große Kursausschläge auslösen. Auf lange Sicht wichtig ist aber vor allem eine langfristig positive Kursentwicklung. Diese haben wir seit der Trianta-Akquisition und unserer Neuausrichtung als Immuntherapie-Unternehmen insgesamt zeigen können.

Es wird weiterhin darauf ankommen, dass wir unsere Immuntherapien wie geplant voranbringen und dass Investoren, die sich mit der Technologie auseinandergesetzt haben, an die langfristige Perspektive von Medigene glauben. Unsere erfolgreiche Finanzierungsrunde im Mai dieses Jahres hat gezeigt, dass unter institutionellen Investoren viel Interesse und Unterstützung besteht.

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