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Medigene: Die „Entdeckungs- und Entwicklungsmaschine“ – Interview

12.10.2016 07:27 Uhr - Autor: Michael Barck  auf twitter

Prof. Dolores Schendel, seit mehr als zwei Jahren CEO von Medigene, im Interview mit der Redaktion von www.4investors.de. Bild und Copyright: Medigene.

Die Behandlung von Krebserkrankungen wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten massiv wandeln. Große Hoffnungen setzt die Medizin auf individuelle Therapieansätze, die auf dem menschlichen Immunsystem und insbesondere T-Zellen basieren. Einer der wichtigsten Innovatoren im Sektor ist Medigene. Das Biotechunternehmen konnte jüngst durch einen Lizenzdeal mit bluebird bio viel Aufmerksamkeit erregen, die Medigene Aktie kletterte deutlich.

Im Interview mit www.4investors.de spricht Medigene-Chefin Prof. Dolores Schendel unter anderem über die Chancen der neuen Therapien und die Zusammenarbeit mit bluebird bio.


www.4investors.de: Medigene verfolgt einen neuen Ansatz in der Behandlung von Krebserkrankungen, der bisher längst nicht jedem bekannt sein dürfte. Können sie in wenigen Sätzen skizzieren, wie der Ansatz funktioniert?

Schendel
: Lange Zeit beruhte die Behandlung von Krebserkrankungen ausschließlich auf der operativen Entfernung von Tumoren, der Strahlen- und der Chemotherapie. Diese konventionellen Behandlungsmethoden führen meist initial zu einer deutlichen Verbesserung des Krankheitsbildes, allerdings ist die Dauer dieser Verbesserung meist nur kurz und das Fortschreiten der Krebserkrankung ist nicht aufzuhalten. Im Zeitalter der modernen Medizin und Biotechnologie sind mit der Hormontherapie und der Behandlung durch die Hemmung von Signalübertragungswegen gezieltere Ansätze mit deutlich verbesserten Therapieerfolgen etabliert worden.

Krebszellen weisen Mutationen in Genen auf, die zu einem unkontrollierten Zellwachstum führen und eine Erkennung und Bekämpfung durch das Immunsystem behindern oder unterbinden. Der enorme Wissenszuwachs um die Funktionsweise des humanen Immunsystems in den letzten beiden Jahrzehnten und die daraus folgenden Möglichkeiten, diese direkt und gezielt zu beeinflussen, hat zu neuartigen Behandlungsstrategien von Krebserkrankungen geführt, die unter dem Begriff der Immuntherapien zusammengefasst werden. Diese therapeutischen Ansätze aktivieren, stimulieren, beeinflussen und optimieren die natürliche Immunantwort, um es den Immunzellen des Körpers zu ermöglichen, Krebs erfolgreich und nachhaltig bekämpfen zu können.

Eine zentrale Rolle in der humanen Immunantwort spielen die sogenannten T-Zellen. Diese Zellen des Immunsystems sind letztendlich die Effektorzellen, die Tumorzellen direkt bekämpfen, abtöten und eliminieren. Die gezielte Aktivierung, Stimulation, Stärkung und Verbesserung der Spezifität von T-Zellen ist ein moderner Therapieansatz, der voraussichtlich die effektive, langanhaltende Bekämpfung von Krebserkrankungen erlaubt.

www.4investors.de: Was sind die Vorteile gegenüber bisherigen Methoden in der Krebsbehandlung?

Schendel
: T-Zellen sind von Natur aus die besten Waffen gegen Krebs. Im Laufe der letzten zehn Jahre ist das Verständnis immunologischer Mechanismen enorm gewachsen. Wir sind jetzt im Begriff, unsere Vision, T-Zellen zur Bekämpfung von Krebs zu nutzen, in der klinischen Behandlung zu realisieren. Wir gehen davon aus, dass neben einer erfolgreichen und nachhaltigen Bekämpfung von Krebs die Patienten mit Immuntherapien auch weniger an Nebenwirkungen zu leiden haben.

www.4investors.de: Wagen wir einmal einen Blick fünf Jahre in die Zukunft: Was können TCR-basierte Therapien dann in der Krebsbehandlung leisten?

Schendel
: Wir hoffen, dass in fünf Jahren schon fundierte klinische Daten mit TCR-basierten Therapien vorliegen, die einem gewissen Anteil an Krebserkrankungen ihren tödlichen Schrecken nehmen könnten und die Hoffnung untermauern, dass mit Immuntherapien diese Erkrankungen effektiv behandelt werden könnten. Das heißt, dass sie bei einem großen Anteil der behandelten Patienten in ein chronisches Stadium bei guter Lebensqualität überführt sind oder in manchen Spezialfällen sogar Heilung erreicht werden kann. Um gesicherte Erkenntnisse dazu zu erlangen, benötigt man aber umfassende und mehrjährige klinische Studienprogramme.

www.4investors.de: Wie fallen die Kosten solcher individuellen Therapien gegenüber den derzeitigen Therapieformen aus?

Schendel
: Individualisierte Therapien werden immer teurer sein als Produkt „von der Stange“, denn die Produktion „lebender Therapien“ erfordert viele Produktionsschritte unter Reinraumbedingungen und die Behandlungsdauer kann, wenn die Erkrankung in einem chronischen Stadium ist, auch über längere Zeit erfolgen, denkbar z.B. bei Krebsimpfstoffen. Medigene arbeitet aber auch mit seinen Produktionspartnern daran, die Prozesse zu optimieren, z.B. sind Medigene’s DC Impfstoffe schon sehr viel einfacher und logistisch weniger aufwändig zu produzieren als Vakzine der ersten Generation (z.B. Provenge). Und auch in diesem Bereich wird gelten: Je ausgereifter Innovationen sind und je häufiger sie produziert und eingesetzt werden, desto geringer werden die Kosten sein.

www.4investors.de: Einige Biotech-Analysten sehen Medigene in Sachen TCR nicht gerade in der führenden Position und andere Unternehmen weiter fortgeschritten, wie zum Beispiel Adaptimmune. Wie sehen sie das, haben sie Rückstand oder können solche Vergleiche überhaupt gezogen werden?

Schendel
: So viele Firmen gibt es im TCR-Umfeld noch gar nicht und deren Vorsprung ist gar nicht so groß. Denn wir beobachten gerade, dass die Entwicklungszyklen bei diesen neuartigen Immuntherapien aufgrund der oft hohen Wirksamkeiten stark zurückgehen und die Behörden wie FDA Zulassungen bereits nach wenigen Jahren ins Auge fassen, auch wegen des oft erheblichen medizinischen Bedarfs. Darüber hinaus kann man die Technologien der Firmen nicht eins zu eins vergleichen. Das Unternehmen Adaptimmune z.B. fokussiert sich auf einige wenige Tumorarten. Die adoptive Zelltherapie wird aber in Zukunft bei vielen verschiedenen Krebsarten zum Einsatz kommen, d.h. es ist ausreichend Platz für weitere Unternehmen in diesem Bereich, um Patienten je nach ihren individuellen Bedürfnissen behandeln zu können.

Medigene verfolgt auch den Ansatz, natürliche TCR-Rezeptoren mit optimalen Eigenschaften und mit schnellen automatisierten Verfahren zu identifizieren, auf einer skalierbaren Plattform. Diese Fähigkeit unterscheidet uns von anderen Firmen, die selbst nicht über eine solche „Entdeckungs- und Entwicklungsmaschine“ verfügen, sondern einzelne Projekte von akademischen Gruppe einlizensieren müssen.

www.4investors.de: Überschneiden sich Medigenes Forschungsgebiete mit denen der Konkurrenz, oder sind die "Reviere" aufgeteilt, was die möglichen Indikationen bzw. Targets angeht?

Schendel
: Viele der sogenannten Krebsantigene sind seit Jahren bekannt und Ziel vielfältiger Therapieansätze von vielen Firmen, auch jenseits der TCR-Therapie. Die zuvor angesprochene Fähigkeit, immer neue Antigene, auch bisher komplett unbekannte Mutationen in Krebszellen, sogenannte Neoantigene, ins Visier zu nehmen, macht Medigene aber zunehmend einzigartig und sorgt für eine verstärkte Absetzung vom „Antigen-Mainstream“. Unabhängig davon existieren bereits, und werden auch zukünftig verschiedene Therapieansätze für verschieden Krebsarten existieren können, die auf den gleichen Antigenen basieren, wenn sie ihren spezifischen medizinischen Benefit zeigen können.

www.4investors.de: Sie haben gerade einen langfristig angelegten Forschungs- und Lizenzdeal mit bluebird bio bekannt gegeben, der überwältigt natürlich mit der Summe von mehr als einer Milliarde Dollar zuzüglich eventueller Umsatzbeteiligungen an möglichen Zahlungen einerseits. Andererseits dürften in den kommenden Jahren nur kleinere Teile dieser Maximalsumme an Medigene fließen. Ihre Kooperation in der Forschung ist auf 4 Jahre angelegt - welche Maximalsumme könnte in dieser Zeit von bluebird bio an Medigene fließen, best case?

Schendel
: In den nächsten drei bis vier Jahren will Medigene bluebird bio mit den vier TCR-Kandidaten versorgen. Wir haben bekannt gegeben, dass es auch Zahlungen vor dem Eintritt in die klinische Erprobung geben wird. Über Zeitpunkt und Höhe dieser Zahlungen wurde mit dem Partner aus Wettbewerbsgründen Stillschweigen vereinbart. Grundsätzlich sind alle Meilensteinzahlungen natürlich an das Erreichen bestimmter Ziele gebunden.

www.4investors.de: Die Summe hat natürlich Spekulationen über Zeitpunkte und Art der Zahlungen entstehen lassen. Sind für die präklinische Phase bereits Meilensteinzahlungen vereinbart, oder bleibt es bei Kostenerstattungen?

Schendel
: Die Kostenerstattungen unserer Forschungsaufwendungen durch unseren Partner sind ein sehr wichtiger Punkt. Darin unterscheidet sich unsere Kooperation von vielen anderen Entwicklungspartnerschaften, die in unserer Branche abgeschlossen werden. Wir müssen also keine teuren Entwicklungskosten stemmen, sondern uns entstehen keinerlei Kosten im Rahmen dieser Entwicklungspartnerschaft. Zudem sind auch präklinische Meilensteinzahlungen vereinbart worden.

www.4investors.de: Wann könnte das erste Projekt aus der bluebird-Kooperation die erste klinische Testphase erreichen?

Schendel
: Für eine Aussage dafür ist es im Moment noch zu früh, auch weil bluebird bio ab der Übergabe der TCR-Kandidaten für die Planung und den Start der klinischen Entwicklung allein verantwortlich ist und auch alleine die Kommunikation dazu bestimmen wird.

www.4investors.de: Sind für Medigene in der aktuellen Größe weitere Kooperationen zu stemmen, oder benötigen zusätzliche Lizenzdeals einen Ausbau ihrer Strukturen?

Schendel
: Dazu kann ich derzeit nur generell sagen, dass die Größe eines Unternehmens immer von den jeweiligen Aufgaben abhängen sollte.

www.4investors.de: Neben der bluebird-Kooperation verfolgt Medigene verschiedene eigene Projekte in diversen präklinischen und klinischen Stadien. Benötigt Medigene für die in den kommenden zwei bis drei Jahren geplanten eigenen klinischen Testreihen noch weiteres Geld, oder sind diese bereits durchfinanziert?

Schendel
: Wir haben unsere finanziellen Ressourcen so geplant, dass unsere laufenden Studien auch ohne den Deal mit bluebird durchzuführen gewesen wären.

www.4investors.de: Werden sie sich weiter auf den Bereich TCR fokussieren und andere Aktivitäten wie zum Beispiel Veregen abstoßen, um die Forschungsarbeiten in der Kernsparte zu finanzieren?

Schendel
: Die Fokussierung auf Immuntherapien ist weitgehend abgeschlossen, aber wir sehen gegenwärtig keine Notwenigkeit uns von Veregen zu trennen, um unsere geplanten Studien zu finanzieren.

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