Formycon: „Biosimilar-Markt wächst mit beeindruckender Dynamik“
18.06.2025 07:21 Uhr - Autor: Michael Barck auf twitter
Zum ersten Mal in der Unternehmenshistorie begibt Formycon eine Anleihe. Das Papier hat ein Volumen von bis zu 50 Millionen Euro und läuft bis 2029. Die genaue Verzinsung ist noch nicht klar. Die Anleihe wird variabel verzinst mit dem Euribor (drei Monate) plus einer Marge zwischen 7,0 Prozent und 7,5 Prozent. Gezeichnet werden kann die Anleihe bis zum 30. Juni.
Im Exklusivinterview mit unserer Redaktion erklärt Formycon-CFO Enno Spillner die Hintergründe der Anleihe. Er erläutert, wie das Geld aus der Anleihe genutzt werden kann und blickt dabei vor allem auf die Chancen von FYB206 und FYB208. Spillner macht deutlich, dass Formycon an der Weiterentwicklung der Pipeline arbeitet. Daraus ergibt sich ein langfristiges Potenzial für zweistellige Wachstumsraten. Der CFO blickt auf die Prognose für 2026 und spricht auch darüber, welche Bedeutung der Aufstieg von Formycon in den SDAX und TecDAX hat.
4investors.de: Formycon gibt mit der Anleihe ein Finanzinstrument heraus, das nicht viele Unternehmen aus dem Biotech/Biosimilar-Segment emittieren. Was hat bei Ihnen auch mit Blick auf den Aktienkurs zu der Entscheidung geführt, eine Anleihe zu emittieren?
Spillner: Formycon unterscheidet sich deutlich von vielen klassischen Biotech-Unternehmen – wir haben bereits drei zugelassene Produkte, zwei davon sind durch unsere Partner im Markt. Das heißt: Wir erzielen heute schon signifikante Umsätze. Wir erwarten diese weiter auszubauen und damit zeitnah nachhaltige EBITDA-Profitabilität zu erreichen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu vielen Biotech-Firmen, die wesentlich höhere Entwicklungsrisiken in ihrer Pipeline haben und noch nicht über zugelassene Produkte verfügen.
Die Anleihe ist für uns ein gezielter Schritt, um unsere Wachstumsstrategie weiter voranzutreiben, ohne die bestehende Aktionärsstruktur zu verwässern. Als Unternehmen im Prime Standard und Mitglied im SDAX und TecDAX erfüllen wir höchste Transparenz- und Governance-Standards. Das schafft Vertrauen und ermöglicht es uns, institutionellen sowie privaten Investoren ein professionelles, kapitalmarktfähiges Investmentprodukt mit attraktivem Risiko-Rendite-Profil anzubieten. Gerade in der Phase des Übergangs zu einem profitablen, kommerziell ausgerichteten Unternehmen ist die Anleihe ein logischer Finanzierungsbaustein.
4investors.de: Mit welcher Benchmark vergleichen Sie sich, was das Risiko-Renditeprofil bei dieser Anleihe-Emission betrifft?
Spillner: Wir entwickeln Biosimilars – also biopharmazeutische Nachfolgeprodukte erfolgreicher Medikamente mit deutlich geringerem Ausfall- und Entwicklungsrisiko. Nach dem sogenannten Technical Proof-of-Similarity (TPoS), der typischerweise bereits am Ende der Präklinik erreicht wird, liegt die Zulassungswahrscheinlichkeit bei rund 70?Prozent. Gleichzeitig sind Märkte, medizinischer Bedarf und Patientenpopulation aufgrund der Historie der Referenzprodukte bereits gut bekannt.
Die Entwicklungskosten für Biosimilars sind zwar nach wie vor erheblich, aber deutlich niedriger als bei neuartigen biologischen Wirkstoffen. Zukünftig könnten kostenintensive, große klinische Studien sogar entfallen. So haben wir im intensiven Austausch mit der US-Zulassungsbehörde FDA bereits erfolgreich erreicht, dass wir für FYB206 keine Phase-III-Studie mehr durchführen müssen.
Unser Geschäftsmodell ist auf planbare und stufenweise Einnahmen ausgerichtet – zunächst über Meilensteinzahlungen bei der Verpartnerung, später über wachsende Royalty-Ströme. Das heißt: Wir partizipieren prozentual an den Produktumsätzen oder -gewinnen unserer Vertriebspartner. Diese Struktur führt zu einem attraktiven, risikoausgewogenen Renditeprofil. Wir sehen daher Parallelen zu etablierten Mittelstandsanleihen im Prime-Segment mit technologischer Wachstumsorientierung, aber hohem regulatorischen Anspruch. Zudem ist wichtig hervorzuheben, dass Formycon mit der Anleihe erstmalig Fremdkapital aufnimmt, wobei dies im Verhältnis zu Eigenkapital, Marktkapitalisierung oder auch bilanziellen Vermögenswerten in sehr überschaubarem Rahmen bleibt.
4investors.de: Sie haben einige finanzkräftige Großaktionäre, unter anderem die Santo Holding der Strüngmann-Brüder, Active Ownership und den ungarischen Pharmakonzern Gedeon Richter. Beteiligen sich Ihre Großaktionäre bei der Platzierung der Anleihen?
Spillner: Unsere Ankeraktionäre begleiten uns seit Jahren strategisch sowie finanziell und unterstützen unser Vorhaben sehr konstruktiv. Die Anleihe richtet sich jedoch bewusst an den breiten Kapitalmarkt, insbesondere an internationale institutionelle Investoren sowie private Anleger, die unsere strategische Ausrichtung mittragen. Dies versetzt uns in die Lage, unsere Investorenbasis gezielt zu diversifizieren. Insgesamt steht für uns im Vordergrund, unsere Kapitalstruktur breiter und resilienter aufzustellen.
4investors.de: Welche Ausgaben sollen mit dem Emissionserlös konkret und in welchen Höhen gedeckt werden?
Spillner: Der Nettoerlös aus der Anleihe soll in erster Linie in die Weiterentwicklung unserer Biosimilar-Pipeline fließen. Insbesondere FYB206 und FYB208 befinden sich in einem fortgeschrittenen Stadium und wir haben ein großes Interesse, die interne Wertschöpfung optimal voranzutreiben.
4investors.de: Biosimilars gelten als wachstumsstarkes, allerdings auch kompetitives Segment im Pharma-Bereich. Stetig neue Projekte sind notwendig. Wie muss man sich einen Entscheidungsweg vorstellen, der durchlaufen wird, bevor man beginnt, ein Biosimilar zu einem Referenzprodukt zu entwickeln?
Spillner: Unser Auswahlprozess ist sehr systematisch und basiert auf einer Kombination aus Marktanalysen, regulatorischen Rahmenbedingungen, Verständnis alternativer Technologien/Produkte, technologischer Machbarkeit und Kosten für Entwicklung und spätere Produktion. Wir beobachten frühzeitig, welche Biologika weltweit in den kommenden Jahren ihren Patentschutz verlieren – allein bis 2032 sind das mehr als 40 Blockbuster-Wirkstoffe mit einem kumulierten Umsatzpotenzial von über 200 Milliarden US-Dollar. Dabei haben wir stets eine effiziente Nutzung unserer Ressourcen, den Portfoliomix und eine profitable Gesamtstrategie im Blick. Unser Ziel ist es, unter den ersten Biosimilar-Entwicklern zu sein, eine Führungsrolle zu übernehmen und so schnell wie möglich nach Patentablauf am Markt zu sein.
4investors.de: Wo liegen, abseits der bisher bekannten Pipeline, die zukünftig interessanten Märkte für Formycon? Welche Indikationen/Indikationsgebiete sind oder werden interessant für ein Engagement?
Spillner: Grundsätzlich sind wir hinsichtlich der Indikationsauswahl agnostisch – uns stehen keine technologischen oder Know-how-bedingten Grenzen im Weg. Dennoch: Neben den bereits etablierten Bereichen Ophthalmologie und Immunologie rückt zunehmend die Onkologie in den Fokus.
Mit FYB206, einem Biosimilar zu Keytruda, erschließen wir ein völlig neues Marktsegment mit enormem Potenzial: Keytruda war 2024 mit rund 30 Milliarden US-Dollar Umsatz in unterschiedlichen Krebsindikationen das weltweit umsatzstärkste Medikament. Zudem beobachten wir weitere Indikationsgebiete wie Autoimmunerkrankungen oder neurologische Anwendungen sehr genau.
Entscheidend ist für uns, dass jedes neue Projekt nicht nur wirtschaftlich attraktiv ist, sondern auch zur Effizienz und Verfügbarkeit in der Patientenversorgung beiträgt. Neben wissenschaftlichen und regulatorischen Faktoren fließt deshalb auch die regionale Marktattraktivität systematisch in unsere Portfolioplanung ein.
4investors.de: Mit welchen durchschnittlichen Wachstumsraten rechnet Formycon langfristig? Und welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, damit man diese auch erreichen kann?
Spillner: Der globale Biosimilar-Markt wächst mit beeindruckender Dynamik. Für uns bedeutet das ein langfristiges Potenzial für zweistellige Wachstumsraten – getragen von der sukzessiven Kommerzialisierung unserer Pipeline und den laufenden Produkteinführungen. Voraussetzung ist, dass wir weiterhin eine klare regulatorische Strategie haben, effektiv und kosteneffizient entwickeln, starke Kommerzialisierungspartner an unserer Seite wissen und unsere Prozesse weiter skalieren können. Wir planen mit nachhaltigem, profitablem Wachstum – mit Fokus auf operativer Exzellenz und ausgewogenen Risiken.
4investors.de: 2026, spätestens 2027 soll das EBITDA laut letzten Aussagen von Formycon positiv sein. mwb research rechnet für 2026 mit mehr als 21 Millionen Euro, 2027 sollen es mehr als 53 Millionen Euro sein. Wie konservativ sind diese Einschätzungen, gibt es eher Raum nach oben als nach unten?
Spillner: Unsere Guidance sieht vor, 2026, spätestens 2027, ein positives EBITDA zu erreichen. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben – mit einer klaren strategischen Planung, der fortschreitenden Kommerzialisierung unserer Pipeline und konkreten Partnering-Prozessen, wie etwa bei FYB206. In welchem Umfang zusätzliche Dynamik entsteht – etwa durch frühere Lizenzabschlüsse oder schnellere Markteintritte wie bei FYB202 – wird sich im weiteren Verlauf zeigen. Die Schätzungen der Analysten basieren jeweils auf deren eigenen, unabhängigen Modellen.
4investors.de: Welche Rolle spielen dabei erwartete Umsätze mit FYB203 und angekündigte Einsparungen in der klinischen Entwicklung von FYB206, dem Biosimilar zum Referenzprodukt Keytruda, mit dem Formycon den derzeit größten Markt adressiert?
Spillner: Beide Faktoren spielen eine Rolle für unsere mittelfristige Entwicklung. FYB203, ein Eylea-Biosimilar zur Behandlung schwerwiegender Augenerkrankungen, wie z.B. altersbedingte Makuladegeneration, wurde in den USA und der EU bereits zugelassen. Die Lizenzrechte liegen bei unserem Partner Klinge Biopharma, der sich auch um die Vertriebspartnerschaften z.B. mit Teva oder MS Pharma kümmert.
Bei unserem onkologischen Biosimilar FYB206 entfällt die kostenintensive Phase-III-Studie. Die Entscheidung basiert auf der positiven Empfehlung der FDA, gestützt auf unsere analytischen Daten. Dadurch reduzieren sich die Entwicklungskosten erheblich.
4investors.de: Wie sehr verkürzt sich bei FYB206 die Entwicklungszeit, nachdem die laufende Phase-III-Studie aufgrund der laut FDA bereits jetzt schon ausreichenden Daten des Biosimilars eingestellt werden kann?
Spillner: Der guten Ordnung halber: Die Durchführung der klinischen Phase-I-Studie erfolgt derzeit wie geplant. Die daraus resultierenden Daten werden Grundlage für die Zulassung sein.
Der Verzicht auf eine Phase-III-Studie verkürzt die Entwicklungszeit signifikant – um ein bis zwei Jahre. Allerdings müssen wir zumindest in den wesentlichen westlichen Märkten bis zum Patentablaufdatum des Referenzmoleküls warten. Trotzdem ergibt sich daraus ein entscheidender Vorteil in der Kapital- und Ressourcenallokation. Auch sind wir so deutlich besser positioniert für frühzeitige Gespräche mit dem Patentinhaber, um bei Patentablauf vorbereitet zu sein. Mit der Entscheidung auf die klinische Phase-III-Studie zu verzichten, gehört FYB206 eindeutig zur Vorreitergruppe der Keytruda-Biosimilar-Kandidaten.
4investors.de: FYB206 ist bisher noch zu 100 Prozent Eigentum von Formycon. Wann wird es zu einem Lizenzdeal kommen?
Spillner: Das ist eine sehr komfortable Situation und unterscheidet das Produkt damit von FYB201 und FYB203, weil wir aufgrund des Eigentums ein größeres kommerzielles Potenzial haben werden.
Wir befinden uns in fortgeschrittenen Gesprächen mit potenziellen Partnern – sowohl auf regionaler als auch auf globaler Ebene. Das Marktinteresse ist definitiv positiv. Unser Ziel ist es, noch 2025 eine erste Vereinbarung zu unterzeichnen. Dabei legen wir – wie bei unseren bisherigen Deals – großen Wert auf strategische Passfähigkeit, Vermarktungskompetenz und ein attraktives kommerzielles Gesamtpaket.
4investors.de: In den USA und damit dem wohl wichtigsten Markt für Biosimilars will Präsident Trump das „most favored nation” Preismodell durchdrücken, zusammen mit diversen anderen Änderungen in der Gesundheitspolitik. Wo liegen - nach aktuellem Stand - Vor- oder Nachteile für Biosimilars im Allgemeinen und Formycon im Besonderen, insbesondere mit Blick auf Wettbewerb und Preisdruck bei Biosimilars?
Spillner: Grundsätzlich denken wir in die gleiche Richtung: Erschwingliche Medikamente, um die Kosten des Gesundheitssystems zu senken und eine breitere Patientenpopulation zu versorgen. Hier leisten Biosimilars bereits heute einen erheblichen positiven Beitrag.
Das diskutierte Preismodell würde die Erstattungspreise für Referenzprodukte an die niedrigsten internationalen Vergleichswerte koppeln. Davon betroffen wären vor allem Biologika ohne bestehende Biosimilar-Konkurrenz. Langfristig gilt: Biosimilars sind Teil der Lösung, wenn es um Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen geht – auch das könnte durch regulatorische Änderungen nochmals gestärkt werden.
4investors.de: Seit Dezember 2024 gehört die Formycon Aktie dem SDAX an, seit Januar 2025 dem TecDAX. Wie hat sich die Wahrnehmung des Unternehmens bei Investoren seitdem verändert? Lohnen sich die deutlich höheren Anforderungen, die man nun erfüllen muss, und die damit einhergehend wohl auch steigenden Kosten?
Spillner: Der Wechsel in den Prime Standard und die Aufnahme in SDAX und TecDAX haben unsere Sichtbarkeit und Transparenz am Kapitalmarkt deutlich erhöht. Das spüren wir insbesondere im Dialog mit institutionellen und internationalen Investoren – durch eine breitere Analystenabdeckung, gesteigerte Handelsliquidität und wachsende Präsenz in indexbasierten Fonds.
Natürlich steigen damit auch die Anforderungen an Transparenz, Kommunikation und regulatorisches Reporting. Wir sind noch stärker international ausgerichtet und informieren unsere wachsende Investorenbasis – Institutionelle und Retail. Das ist zusätzlicher Aufwand, der sich jedoch auszahlt. Die neue Indexzugehörigkeit unterstreicht unsere strategische Relevanz und unterstützt unsere Positionierung als verlässlicher Akteur im Gesundheitssektor. Aus unserer Sicht war das ein konsequenter und logischer Schritt.
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