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Bitcoins, Tulpen und die Lust auf schnelles Geld

08.12.2017 16:10 Uhr - Autor: Kolumnist  auf twitter

Bild und Copyright: Zapp2Photo / shutterstock.com.

Die Geschichte der Tulpenzwiebel kann in diesen Tagen gar nicht oft genug erzählt werden. Denn die Knolle sorgte einst für die erste große Spekulationsblase – eine, die auch Laien und Geringverdienende zunächst zu leichtsinnigem Optimismus verleitete und schließlich in große Armut führte.

Was war geschehen? Nun, im sechzehnten Jahrhundert gelangte die Tulpe aus der heutigen Türkei nach Holland. Unsere Nachbarn verehrten sie für ihre üppigen Farben, pflanzten sie in ihre Gärten, dekorierten ihre Esszimmer oder steckten sich die Blüten ins Haar. Aus einer Pflanze wurde ein Statussymbol. Tulpen waren so begehrt, dass eine einzige Zwiebel im Jahr 1623 bereits 1.000 Gulden kostete – und dreizehn Jahre später gar 10.000 Gulden. Mehr als ein Grachtenhaus in Amsterdam, mehr als „Die Nachtwache“ von Rembrandt und mehr, als ein einfacher Arbeiter in seinem Leben verdienen konnte.

Von Preisen, Werten und einem Hype

Doch auch wenn sich der Preis einer Tulpe mit realen Werten vergleichen lässt: Die Zwiebel selbst hatte diesen Wert nicht. Sie war zu einem reinen Spekulationsobjekt verkommen. Und an dieser Stelle werden die Parallelen zu den Blasen der Neuzeit offensichtlich – zu den geplatzten Träumen am „Neuen Markt“, zu den Immobiliencrashs etwa in den USA oder in Spanien und ganz aktuell zu den Renditehoffnungen, die offenbar viele Akteure mit der Kryptowährung Bitcoin verbinden. Auch hier wird etwas gehandelt, dessen Preis sich allein an Angebot und Nachfrage orientiert. Auch hier geht es um eine Art von Statussymbol: Bitcoins sind neu und anders als alles bisher Dagewesene. Und auch hier startet ein Markt verheißungsvoll durch, ohne dass Erfahrungen über das gehandelte Gut bestehen.

Anleger kaufen Bitcoins allein mit dem Vertrauen darauf, dass ein anderer noch mehr bezahlt. Sachargumente, Kennziffern, fundamentale Daten: spielen keine Rolle. Kaufauslösend sind Emotionen, die Hoffnung auf Wohlstand, der Traum von finanzieller Unabhängigkeit, der Wunsch nach Sorglosigkeit. Bisweilen auch Experimentierfreude und das Gefühl des Goldrauschs. Selbstüberschätzung und Gier spielen auch noch mit.

Von Euphorie und Erfahrung

Auch im Holland des siebzehnten Jahrhunderts war das so. Nicht nur reiche Adelshäuser wollten investieren, auch Bauern, Fischer und Seefahrer, Handwerker und einfache Knechte träumten von dem Tag, an dem eine Tulpenzwiebel ihnen Reichtum brachte. Die meisten Anleger hatten bis dato weder eine Tulpe gesehen noch in der Hand gehalten. Man kaufte blind – in mehrfacher Hinsicht. Denn auch gärtnerisches Know-how spielte keine Rolle. Genau wie immer weniger Bitcoin-Käufer wohl etwas von Algorithmen, von Blockchain und vom Mining der Kryptowährungen verstehen.

Wer Bitcoins hat, hat im Grunde nichts – noch nicht einmal das Stückchen Server, auf dem sie errechnet wurden. Es geht ihnen da wie den Käufern der Tulpenzwiebeln vor knapp vierhundert Jahren. Weder lernten sie zwingend etwas über Gartenbau (respektive über das Mining von Kryptowährungen) noch gehörte ihnen der Grund und Boden.

Von Verknappung und geplatzten Märkten

Kryptowährungen basieren auf der Blockchain-Technologie: Dabei werden mehrere Datenblöcke aneinander gekettet. Jeder einzelne Block enthält auch die Transaktionsdaten des vorherigen Blocks – auf diese Weise können sie nicht mehr verändert werden. Eine Bank ist nicht nötig. Bitcoin ist die älteste Blockchain, es gibt sie seit 2009.

Das Herstellen der Datenblöcke bezeichnet man als Mining oder Schöpfen. Je länger die Kette wird, desto mehr Rechenleistung ist notwendig. Und je aufwendiger ihre Erstellung, desto knapper werden Bitcoins. Gleichzeitig steigen Nachfrage und Preis: Aktuell muss man bereits mehr als 15.000 US-Dollar für einen Bitcoin bezahlen. Vor fünf Jahren waren es noch 13 US-Dollar, zu Jahresbeginn etwas über 1000. Durchaus nachvollziehbar, dass Menschen bei derartigen Renditen leichtsinnig werden. Doch wie lange kann sich eine solche Preisspirale nach oben drehen?

Schauen wir wieder nach Holland: Irgendwann soll eine einzige Tulpenzwiebel für sechs Tonnen Getreide, eine halbe Tonne Käse, vier Tonnen Bier, zwei Fässer Wein, vier Ochsen, acht Schweine, zwölf Schafe sowie einen Silberpokal, ein Bett und einen Anzug den Besitzer gewechselt haben. Viele Niederländer nahmen Hypotheken auf ihre Häuser auf – und verloren schließlich alles, als sich im Februar 1637 erstmals nicht genügend Käufer fanden und die Tulpenblase platzte. Ein Land hatte sich verzockt.

Von gestiegenen Kursen – und warum wir dennoch verzichten

Nun ist es nicht so, dass niemand vom Handel mit den Tulpenzwiebeln profitierte. Wer rechtzeitig gehandelt hatte, verdiente kräftig. Auch jetzt hören wir von glücklichen Anlegern, die vor einigen Monaten oder Jahren Bitcoins gekauft haben und sich angesichts ihres virtuellen Wallets nun die Hände reiben. Die auf dem Screen ihres Smartphones eine hohe Rendite ausmachen können. Oder die sich dank der virtuellen Währung bereits reale Träume erfüllen konnten.

Und dennoch bieten Banken und Vermögensverwalter keine Vermögensanlage in Kryptowährungen an. Bitcoins sind keine Anlageklasse, wir können sie nicht vergleichen mit den Anleihen oder Aktien von Unternehmen, die mit ihren Maschinen und Schutzrechten über reale Werte verfügen. Wir können sie auch nicht mit Rohstoffen wie Gold oder Öl vergleichen, deren Wert trotz Schwankungen real greifbar ist. Bitcoins erfüllen in vielerlei Hinsicht noch nicht einmal die Anforderungen an eine stabile Währung – und als diese wurden sie einst entwickelt. Zwar lassen sich mit ihnen global und (eingeschränkt) anonym Zahlungen leisten. Ihre Stärke ist jedoch auch ihre Schwäche: Es gibt keine Notenbank, die sie ausgibt, es gibt keine Institution, die für Wertstabilität sorgt.
Bei derart hoher Volatilität zahlen wir vielleicht unsere Pizza oder die neuen Sneakers online per Bitcoin. Für höhere Summen, wie sie etwa von exportierenden Unternehmen von einem Land zum anderen transferiert werden, sind hohe Kursschwankungen jedoch untragbar. Und wenn es darum geht, Erspartes von Menschen anzulegen – darunter auch jene, die noch so kleine Verluste schmerzhaft missen –, dann fallen Bitcoins aktuell durch. Zur langfristigen, soliden Geldanlage, die dem Lebenswandel des Anlegers entspricht und sogar noch eine gewisse Flexibilität ermöglicht, sind sie zu riskant und spekulativ.

Bitcoins sind kein Investment, sie sind ein reines Spekulationsobjekt. Wenn Sie etwas „Spielgeld“ im virtuellen Casino setzen wollen, bitte. Aber: Schalten Sie Ihren gesunden Menschenverstand nicht (gänzlich) aus und verfallen Sie nicht in einen Rausch. Es ist schließlich Ihr hart erarbeitetes Geld! Ein langfristiger Vermögensaufbau sollte in realen Werten mit einer entsprechenden Rendite für übernommene Risiken stattfinden – wie seit Jahrhunderten.

Allen, die jetzt schon die Kommentarfunktion ansteuern und sagen „dieses Mal ist alles anders, das ist ja was ganz Neues“ usw., möchte ich abschließend sagen: Nur zu, wenn Sie sich dann besser fühlen, das halte ich aus. Das höre ich auch nicht zum ersten Mal, denn das haben viele meiner Kunden zu Zeiten des „Neuen Marktes“ auch gesagt – Geschichte wiederholt sich halt – dank menschlicher Verhaltensmuster – immer wieder.


Über den Autor: Prof. Dr. Dirk Braun ist Deutschland-Leiter von investify, dem ersten digitalen Vermögensverwalter, der individuelle Kundenpräferenzen in der Assetallokation berücksichtigt. Seit 2011 lehrt er zudem an der FOM Hochschule für Ökonomie & Management und ist dort Professor für Bank- und Finanzwirtschaft.

Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne von Prof. Dr. Dirk Braun, Deutschland-Leiter von investify. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!

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