SFC Energy: „Toyota gibt der gesamten Brennstoffzellenindustrie einen Schub”
Vorreiter Toyota: In der vergangenen Woche hat der japanische Pkw-Hersteller angekündigt, im März 2015 das erste Brennstoffzellenauto der Welt auf den Markt zu bringen. Damit rücken auch Brennstoffzellenspezialisten wie die bayerische SFC Energy wieder in den Fokus der Anleger. In einer aktuellen Researchstudie billigt First Berlin der SFC-Aktie ein Kurspotenzial von 50 Prozent zu. Die Peer-Group-Analyse zeigt angesichts eines KUVs von unter 0,7 ein noch deutlich größeres Aufwärtspotenzial. Im laufenden Jahr erwartet SFC ein Umsatzwachstum von 32,4 Millionen Euro auf 55 Millionen Euro bis 60 Millionen Euro. Wir sprachen mit Vorstandschef Peter Podesser über den erwarteten Schub für die Brennstoffzellenindustrie, das Potenzial in der Öl- und Gasindustrie und die mittelfristige Expansionsstrategie.
www.4investors.de: Toyota will im März 2015 in Japan das erste Brennstoffzellenauto auf den Markt bringen. Erwarten Sie von dieser Markteinführung einen generellen Schub für die Brennstoffzellenindustrie?
Podesser: Mit der Entscheidung des größten Automobilherstellers der Welt, diese Technologie nun in den Markt zu bringen, wird es definitiv einen Schub für den gesamten Sektor Brennstoffzellenindustrie und für die Technologie als solche geben. Dies reicht von der generellen Glaubwürdigkeit bis hin zu einem notwendigen Bekanntheitsgrad der Technologie. Während die Brennstoffzelle seit Jahren kommerzielle Reife hat, wie in unserem Falle in verschiedensten Industriemärkten, der Öl- und Gasindustrie und dem Freizeitmarkt, so ist dieser Schritt im Bereich der Automobilindustrie längst überfällig. Direkte Vorteile sind aus einer Professionalisierung der Supply Chain zu erwarten, die auf mittelfristige Sicht auch zu Kostenvorteilen für Unternehmen wie SFC führen wird.
www.4investors.de: SFC ist längst mehr als ein reiner Brennstoffzellenentwickler. Welche Überlegung steht hinter der breiteren Aufstellung?
Podesser: In den letzten Jahren haben wir uns, auch mithilfe von strategischen Übernahmen, vom vertikalen Technologieunternehmen hin zu einem Anbieter von Systemkomplettlösungen für netzferne Energieversorgungen auf der Basis von Brennstoffzellentechnologie weiterentwickelt. Nach der erfolgreichen Kommerzialisierung unserer Direkt-Methanol-Brennstoffzellenprodukte in den Jahren 2007 bis 2009 in Märkten wie dem Freizeitmarkt, dem Verteidigungssektor und ersten Industriemärkten haben wir gelernt, dass die Nachfrage unserer Kunden nicht nach einer Brennstoffzelle per se besteht, sondern platt gesprochen nach Strom. Um dem Kunden die benötigte Energie möglichst einfach zu Verfügung zu stellen, muss ich ihm ein Gesamtsystem liefern, das die verschiedenen Stufen der elektrischen Wertschöpfungskette auch abdeckt, von der Erzeugung, über die Speicherung sowie die effiziente Verteilung und Spannungswandlung bis hin zum anwendungsadäquaten Packaging. Dies können wir ihm nun bieten.
www.4investors.de: Welche Bedeutung hatten bei dieser Entwicklung die Akquisitionen von PBF und Simark?
Podesser: Dies waren im Rahmen unserer beschriebenen Strategie zwei konsequente Schritte, die uns sowohl technologisch als auch vertriebsseitig deutlich nach vorne gebracht haben. Mit PBF, einem ehemaligen Spin-off von Philips Electronics, haben wir uns im ersten Schritt mit einem Spezialisten in den Bereichen Leistungselektronik, Power- und Energiemanagement verstärkt. Mit Simark haben wir einen Spezialisten für Produktintegration übernommen, der noch dazu ein etabliertes Produkt- und Servicesystem für das am schnellsten wachsende Industriesegment unseres Unternehmens, die Öl- und Gasindustrie speziell in Nordamerika, aufweisen kann, und somit auch den Vorteil eines eigenen Marktzugangs, d. h. die Vorwärtsintegration, mit sich bringt.
www.4investors.de: Sie sprechen es an, mit der Übernahme von Simark hat sich Ihr Fokus verschoben, die Öl- und Gasindustrie hat als Abnehmer deutlich an Bedeutung gewonnen. Welchen Umsatzanteil erwarten Sie im laufenden Jahr aus diesem Bereich? Welches Potenzial sehen Sie mittelfristig?
Podesser: Mit der Übernahme von Simark haben wir unsere Unternehmensgruppe praktisch verdoppelt. Im laufenden Jahr wird etwa die Hälfte des angestrebten Konzernumsatzes von 55 Millionen Euro bis 60 Millionen Euro aus dem Öl- und Gasbereich kommen. Was das mittelfristige Potenzial betrifft, so haben wir über die letzten Jahre in der Bearbeitung der Öl- und Gasindustrie gelernt, dass es einen enormen Bedarf nach verlässlicher, netzferner Energieversorgung gibt. Unsere integrierten Energieversorgungssysteme liefern Strom z. B. für Datenübertragung, für Sicherheitstechnik, für kleine Pumpstationen oder für Anwendungen zum Korrosionsschutz im Pipelinebereich. Alleine in Westkanada sehen wir heute ein Potenzial in einer Größenordnung von etwa 100.000 Öl- und Gasquellen, die nicht mit Netzstrom versorgt sind. Daraus errechnet sich ein Marktpotenzial jenseits der Milliardengrenze. Bei einem Ziel eines 10-prozentigen Marktanteils hätten wir allein dort das Potenzial, die heutige Unternehmensgröße mehr als zu verdoppeln.
www.4investors.de: Neben der Öl- und Gasindustrie zählt auch der regenerative Energiesektor zu Ihrem Kundenspektrum. Welche Produkte bieten Sie speziell im Bereich Windenergieerzeugung an?
Podesser: Im Bereich der Windenergieerzeugung haben wir uns in den letzten Jahren ein sehr interessantes Marktsegment eröffnet. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Anwendungsfelder: Bereits vor der Projektierung ist es für die Betreiber, sowohl on- wie auch offshore, essentiell, kontinuierliche und verlässliche Daten bezüglich der Windsituation zu haben. In Zusammenarbeit mit den Herstellern von Windmessanlagen haben wir vor drei Jahren begonnen, unsere auf der EFOY Brennstoffzelle basierenden Energieversorgungssysteme als autarke Systeme für Windmessanlagen zu liefern, die unabhängig von Tageslicht und Wettersituation eine 24-Stunden-Messung gewährleisten und im Gegensatz zu Generator betriebenen Systemen eine vibrationsfreie Messung ermöglichen. Dabei haben wir mit namhaften Herstellern OEM-Verträge geschlossen, insgesamt schätzen wir das Marktpotenzial auf 3 Millionen Euro bis 4 Millionen Euro. Mit der Windkraft Service GmbH konnten wir nun – wie gestern gemeldet – ein weiteres bedeutendes Projekt für einen der führenden dänischen Windkraftbetreiber Europas realisieren. Die zweite Anwendung, die wir im Bereich Windkraft adressieren, deckt den Bereich Hindernisbefeuerung ab.
www.4investors.de: Der Verteidigungsbereich war 2013 mit einem deutlichen Umsatzrückgang Ihr Sorgenkind. Hat sich die Lage in diesem Sektor inzwischen wieder entspannt?
Podesser: In diesem Bereich haben wir in den vergangenen Jahren eine Lernkurve durchschritten. Das Verteidigungsgeschäft ist traditionell projektgetrieben und sehr volatil, was die Auftragssituation anbetrifft. Im Jahr 2013 mussten wir aufgrund diverser Sparmaßnahmen auf Kundenseite einen temporären Rückgang hinnehmen. Für 2014 sind wir jedoch zuversichtlich, dass wir nach ersten Lieferungen im ersten Quartal in die USA im Jahresverlauf weitere Vertragsabschlüsse im Verteidigungssektor vermelden können. Auch in Deutschland beobachten wir im Beschaffungssektor eine Belebung der Dynamik, die uns in den nächsten Monaten positive Impulse liefern sollte.
www.4investors.de: Blicken wir auf das laufende Geschäftsjahr: Auch wenn Sie noch keine konkreten Zahlen nennen können, wie fällt Ihr erstes Fazit zum ersten Halbjahr 2014 aus?
Podesser: Das erste Halbjahr 2014 war sicherlich noch geprägt von der Simark-Integration, von der wir mit ruhigem Gewissen sagen können, dass sie sowohl operativ wie auch technologisch erfolgreich abgeschlossen ist. Wir liegen hier im Rahmen unserer Planung. Bezogen auf das Gesamtjahr stimmt uns die natürliche Saisonalität, die wir aus früheren Jahren kennen und die auch im Öl- und Gasgeschäft ein prägender Faktor ist, zuversichtlich, dass wir mit einem erheblich stärkeren zweiten Halbjahr rechnen können. Ein Beleg dafür ist auch ein entsprechend starker Auftragsbestand, der Ende des ersten Quartals mit 16,3 Millionen Euro mehr als doppelt so hoch lag als am 31. März 2013.
www.4investors.de: Ihre Prognose für das Gesamtjahr sieht nicht zuletzt dank der erstmaligen Konsolidierung von Simark ein Umsatzwachstum von 32,4 Millionen Euro auf 55 Millionen Euro bis 60 Millionen Euro vor. Mit welchem organischen Wachstum rechnen Sie im laufenden Jahr?
Podesser: Die Integration von Simark ist für uns ein bedeutender Schritt in der Unternehmensentwicklung und führt die SFC Group in eine neue Dimension. Aber auch unser bisheriges Kerngeschäft entwickelt sich zu unserer Zufriedenheit, organisch erwarten wir 2014 ein Wachstum von bis zu 20 Prozent.
www.4investors.de: Wie sieht Ihre mittelfristige Expansionsstrategie aus? Werden Sie Ihre Buy-and-Build-Strategie fortsetzen?
Podesser: Aus organischer Sicht planen wir sowohl eine regionale Expansion wie auch eine Ausweitung unserer Produktpalette. Ausgehend von Kanada werden wir unser Nordamerika-Geschäft in den neuen Ölstaaten der USA, insbesondere in North und South Dakota sowie Montana, konsequent ausweiten. Parallel dazu sind wir aktiv dabei, uns im Öl- und Gasgeschäft in weiteren internationalen Märkten zu etablieren. Der zweite Pfeiler unserer organischen Wachstumsstrategie ist die Produktpipeline. Neben einer neuen Leistungsklasse an Produkten, modular von 0,5 kW bis 2,5 kW skalierbar, mit einem erheblichen Marktpotenzial im Bereich der Backup- und Notstromversorgung, steht eine integrierte Produktlösung für den Outdoor und Home Backup Markt zur Realisierung an. Und nachdem wir gezeigt haben, dass Akquisitionen ein wichtiger Teil unserer Expansionsstrategie sind und wir diese auch erfolgreich integrieren können, werden wir auch weiterhin ein wachsames Auge auf mögliche Übernahmeobjekte haben, die uns regional bzw. technologisch verstärken.
www.4investors.de: First Berlin hat in der vergangenen Woche das Coverage aufgenommen. Die Analysten sehen den fairen Wert der SFC-Aktie bei 7,40 Euro. Andere Analysten sprechen Ihnen mit Kurszielen von 5,70 Euro bzw. 5,80 Euro weniger Potenzial zu. Wer hat denn nun Recht?
Podesser: Mit obliegt es nicht, zu entscheiden, wer hier Recht hat. Die Modelle der Analysten basieren auf individuellen DCF-Annahmen, denen unterschiedliche Risikoeinschätzungen zugrunde liegen. Alle Analysen zeigen jedoch, dass der faire Wert der SFC-Aktie deutlich über dem aktuellen Kurs liegt. Und auch aus Unternehmenssicht sehen wir uns auf dem derzeitigen Niveau für mögliche neue Aktionäre sehr attraktiv bewertet.
www.4investors.de: Die Peergroup-Analyse von First Berlin würde sogar ein noch deutlich höheres Kursziel rechtfertigen. Wie sehen Sie die Bewertung der SFC-Aktie im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern?
Podesser: Zum einen ist es wichtig zu verstehen, dass keines dieser Unternehmen aus der Peergroup ein wirklicher Wettbewerber ist, weder in der Leistungsklasse unserer Produkte, noch in den Abnehmermärkten. Zum anderen sehen wir aber auch, dass Unternehmen, die speziell im angelsächsischen Raum am Kapitalmarkt aktiv sind, mit anderen Maßstäben bewertet werden, auch wenn sie in vielen Fällen noch nicht die kommerzielle Reife und auch nicht die operative Leistungsfähigkeit und Marktdurchdringung zeigen können, wie sie SFC bereits heute zeigt. Die Unterschiede, was das Investorensentiment anbetrifft, können wir nur begrenzt beeinflussen. Einen Teil der Unterbewertung müssen wir aber sicherlich auch als Aufgabe verstehen, unsere Leistungsfähigkeit noch besser zu kommunizieren. Ich bin überzeugt davon, dass der Kapitalmarkt unsere Performance mittelfristig honorieren wird.